Linkspartei berät Berliner Koalitionsvereinbarung

Wut im Ostteil der Stadt

Von Nina Hager

Schon am 8. Dezember will die neue Berliner Koalition den Regierenden Bürgermeister wählen und die Senatoren vereidigen lassen – drei von ihnen sollen von der Linkspartei kommen. Bis in die kommende Woche befragt die Partei „Die Linke“ ihre Mitglieder, ob sie dem Koalitionsvertrag zustimmen. Nicht wenige werden die Vereinbarung ablehnen.

Bei einer berlinweiten Basiskonferenz der Linkspartei am 24. November und anderen Veranstaltungen äußerten Mitglieder der Linkspartei ihre Kritik. Das betrifft Sachfragen: Zu Hartz IV, zur Armutsbekämpfung oder zur A 100 gibt es eine Diskrepanz zwischen dem eigenen Wahlprogramm und dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Und nicht nur in der Partei „Die Linke“ wird daran gezweifelt, dass beispielsweise der Bau von 6 000 öffentlich geförderten Wohnungen im Jahr sowie der Ankauf weiterer durch die städtischen Gesellschaften ausreichen soll, die Wohnungsnot in Berlin zu lindern.

Viele Mitglieder erinnern sich zudem an die Versprechen vor der letzten Regierungsbeteiligung von 2002 bis 2011 und an die damaligen „Kompromisse“ mit der SPD. Und an die Folgen, wenn man sich dem Koalitionspartner beugt und der angeblichen Sachzwanglogik unterwirft. Hatte die PDS 2001 noch 22,6 Prozent der Stimmen erhalten, waren es 2006 nur noch 13,4 Prozent. Auch in der aktuellen Koalitionsvereinbarung wird viel versprochen: „Wir wollen zeigen, dass dieser Aufbruch einen Wandel zum Besseren erlaubt, auch wenn nicht alles anders werden wird“ – und: „Wir stehen für soziale Gerechtigkeit. … Dabei sind uns die Vielfalt und der Respekt vor allen Menschen wichtig“. Versprochen wird gleichberechtigte Teilhabe und gute Arbeit.

Eine ganze Reihe der ausgehandelten Vereinbarungen geht in diese Richtung. Was davon und wie tatsächlich verwirklicht werden kann, wird sich zeigen: Viele Projekte stehen ohnehin unter Investitionsvorbehalt.

Auch ein Abschnitt in der Präambel der Koalitionsvereinbarung sorgt – vor allem im Ostteil der Stadt – unter den Mitgliedern für Unmut, ja Wut. Wieder geht es um die Geschichte. Und wie 2002 durch die damaligen Vertreter der PDS – und in Thüringen 2015 – wird eine Geschichtsdarstellung akzeptiert, die die DDR in die historische Kontinuität von Krieg, Unrecht und Unterdrückung in der deutschen Geschichte stellt. So heißt es in der aktuellen Koalitionsvereinbarung nach Verweis auf das Kaiserreich und die Verbrechen des Faschismus: „Berlin war auch die geteilte Stadt im Kalten Krieg. Hier stand die von der SED-Führung errichtete Mauer als Manifestation der Teilung Deutschlands. Die Überwindung der Mauer und das Ende des Unrechts der SED-Diktatur durch die Bürgerrechtsbewegung, die friedliche Revolution der DDR-Bevölkerung und die Wiedervereinigung Berlins und Deutschlands bleiben große Momente unserer demokratischen Geschichte.“

Einen Tag nach der Basiskonferenz in Berlin mischten sich die Vorsitzenden der Partei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, sowie der Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch ein und richteten einen Aufruf an ihre Genossinnen und Genossen in Berlin. Darin heißt es – ohne auf Kritikpunkte einzugehen bzw. sich von der Geschichtsdarstellung in der Koalitionsvereinbarung zu distanzieren –: „Wir empfehlen unseren Berliner Genossinnen und Genossen, dem Entwurf des Koalitionsvertrags … zuzustimmen.“ Der Koalitionsvertrag eröffne für „Die Linke“ „die Chance auf Einhaltung ihrer zentralen Anforderungen in Bezug auf Regierungsbeteiligungen: Kein Sozialabbau, keine Privatisierungen und keinen Personalabbau im Öffentlichen Dienst. … Sicher, bei einem Vergleich zwischen unserem Wahlprogramm und dem Koalitionsvertrag bleiben Wünsche offen und Defizite bestehen“. Ein schwacher Appell an die über 7 400 Mitglieder der Partei in der Stadt.

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"Wut im Ostteil der Stadt", UZ vom 2. Dezember 2016



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