Von den wirklichen Interessen ausgehen
Am Tag der Bundespräsidentenwahl stellte die steirische Organisation der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) fest:
„Ohne die sozialen Ursachen für die Angst der Menschen vor Arbeitslosigkeit und Sozialabbau zu beseitigen, wird man auch den Grund für die Wahlerfolge solcher Bewegungen (wie der FPÖ) nicht aus der Welt schaffen können. Für eine solche Wende wäre auch ein Sieg von Alexander Van der Bellen kein Signal. Seine Kampagne hat keine Lösungen aufgezeigt, sondern eine heile Welt plakatiert. Prominente Unterstützerinnen und Unterstützer stammen aus der Welt der Banken, der Konzerne und des politischen Establishments.
Der Linken muss es wieder gelingen, Alternativen aufzuzeigen. In weiten Teilen der Arbeiterschaft wird sie jedoch als Teil des Establishments angesehen. Das zu ändern, ist die größte Herausforderung. ‚Die KPÖ Steiermark ist bereit, ausgehend von ihren Erfahrungen in der Kommunal- und Landespolitik, einen Beitrag zu leisten. Nur ein entschlossenes Eintreten für die tatsächlichen Interessen der Mehrheit der Menschen kann die Grundlage für einen Umschwung sein‘, so (Claudia) Klimt-Weithaler (die Fraktionsvorsitzende der KPÖ im steirischen Landtag)“.
Alexander Van der Bellen, „unabhängiger Grüner“, ist mit 50,3 Prozent der Stimmen in der Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt worden. Der FPÖ-Kandidat und dritte Nationalratspräsident, Norbert Hofer, erhielt 49,7 Prozent und unterlag mit 31 026 der 4 477 942 abgegebenen gültigen Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug 72,7 Prozent und war um 4 Prozent höher als im ersten Wahlgang, als sich noch vier weitere Mitbewerber der Wahl stellten. In vier von neun Bundesländern erhielt Van der Bellen die Mehrheit der Stimmen, ebenso in allen Landeshauptstädten. Das beste Ergebnis mit 64,4 Prozent erzielte er in Graz, wo die KPÖ zweitstärkste Kraft im Gemeinderat ist. Wien folgte mit 63,3, Innsbruck mit 63,1 Prozent der Stimmen.
Ein Aufatmen ging durch große Teile des Landes, dass kein deutschnationaler Burschenschafter es ins höchste Staatsamt geschafft hatte. Aber „dieses äußerst knappe Wahlergebnis ist kein Damm gegen eine weitere Rechtsentwicklung in Österreich“, stellte die KPÖ-Wohnungsstadträtin in Graz, Elke Kahr, klar. „Wenn es beispielsweise zu keiner sozialen Mietrechtsreform mit fixen Mietzinsobergrenzen kommt oder wenn die versprochene Wohnbauoffensive für erschwingliche Wohnungen ausbleibt und wenn es für immer mehr Menschen keine Arbeitsplätze gibt, von denen sie leben können, dann wird der Vertrauensverlust noch größer werden“, so Kahr.
Das Wahlergebnis zeigt die Auswirkungen des kapitalistischen Systems, das zu einer tiefen sozialen und wirtschaftlichen Spaltung zwischen oben und unten geführt hat. Den einen reicht das Einkommen aus Arbeit nicht mehr zum Leben oder sie haben gar keine Arbeit. Die andern richten sich’s und ihre Vermögen steigen. Eingeschweißt in die EU-Gesetzgebung des Fiskalpaktes, den sie selber mitbeschlossen haben, haben Regierungen gewollt wenig Budgetspielraum. Auch die viel beschworene Sozialpartnerschaft existierte von Kapitalseite nur verbal.
So ist die Wut der Menschen auf die herrschenden Verhältnisse groß, nicht aufs System, sondern auf dessen Verwalter. Besonders verbittert sind sie über die SPÖ, der sie Jahrzehnte lang vertrauten. Diese Verhältnisse wollen sie abwählen. Schon bei den vergangenen Wahlen verlor besonders die SPÖ mit zunehmender Geschwindigkeit das Vertrauen der Menschen, die sie jahrelang gewählt hatten. Die FPÖ konnte mit ihrer sozialen Demagogie – soziale Politik für „echte Österreicher“ – getragen von der Mehrheit der Medien, in diese Vertrauenslücke vorstoßen. In zwei von neun Bundesländern schafften sie es im vergangenen Jahr in die Landesregierungen, in zahlreichen Gemeinden in die Regierungen (Stadtrat bzw. Gemeindevorstand). Bei dieser Wahl zum Bundespräsidenten straften die WählerInnen im ersten Wahlgang die regierende rot-schwarze Koalition so ab, dass beide Kandidaten nicht in die Stichwahl kamen. Vernichtend traf es die SPÖ mit einem Ergebnis von nur 11 Prozent. Die bürgerlichen Parteien – zählt man die Stimmen zusammen – erhielten über 50 Prozent der Stimmen, Hofer damals 35 Prozent. Eine Kandidatur links von der Sozialdemokratie kam gar nicht erst zustande.
Im zweiten Wahlgang stand dann der bürgerliche grüne neoliberale Wirtschaftsprofessor Van der Bellen, hinter sich eine breite Allianz des politischen und wirtschaftlichen Establishments, dem „Schutzherrn für Österreich“ Hofer gegenüber. Von diesem versprachen sich viele, dass er das „verkrustete System“ aufbricht und als „frischer“ Politiker für sie ein besseres Leben organisiert sowie mit der ständigen Absenkung des Lebensstandards Schluss machen werde. So konnte die FPÖ mit ihrer Inszenierung: „Wir mit euch da unten gegen die da oben“ 49,7 Prozent der WählerInnen (entspricht 35 Prozent der Wahlberechtigten) für den deutschnationalen Burschenschafter Hofer mobilisieren.
Obwohl sich hinter Van der Bellen eine breite Allianz des Establishments versammelte, reichte es für ihn nur äußerst knapp, die Wahl zu gewinnen. Nur weil viele, die den neoliberalen Wirtschaftsprofessor unter normalen Umständen niemals gewählt hätten, ihm ihre Stimme gaben, um Hofer zu verhindern, konnte Hofer vom Bundespräsidentenamt ferngehalten werden. Wie viele Wählerinnen und Wähler Hofer bzw. Van der Bellen wegen und wie viele sie trotz ihrer politischen Positionen gewählt haben, darüber kann nur spekuliert werden. Die steirische KPÖ hatte dazu aufgerufen, Van der Bellen zu wählen, um Hofer zu verhindern – aber gleichzeitig deutlich gemacht, dass sie sein politisches Programm ablehnt.
Die realistische Sorge, dass nach Österreich geflohene Menschen ihnen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt als Konkurrenten gegenübergestellt und sich ihre Lebensverhältnisse weiter verschlechtern würden, wurde medial aufgeputscht. Die Freiheitlichen schürten die Ängste weiter, konnten so gleichzeitig für Hofer punkten und von den tatsächlichen Profiteuren des kapitalistischen Systems ablenken. Die Zahl der Milliardäre und Millionäre in Österreich ist gestiegen und für die Profiteure des Hypo-Alpe-Adria-Deals werden Milliarden Steuergelder aufgebracht. Das aber spielte im Wahlkampf keine Rolle
Es spielte auch keine Rolle, dass das FPÖ-Wirtschaftsprogramm marktradikal und unsozialer ist als das der politischen Elite, dass FPÖ-Mandatare für Sozialabbau stimmen, dass ihr Wirtschaftsexperte engste Kontakte zur Wirtschaftselite hat. „Wir glauben aufgrund unserer Erfahrungen mit der FPÖ nicht daran, dass sie die Erwartungen erfüllen kann, die viele in sie setzen. Die FPÖ ist Teil dieses Systems, auch wenn sie sich als Gegenpol inszeniert. Ähnliches gilt allerdings auch für den Wahlsieger“, so Claudia Klimt-Weithaler, Fraktionsvorsitzende der KPÖ im steirischen Landtag.