Im März hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ihren Entwurf für eine „Nationale Wasserstrategie“ vorgelegt. Konkrete Maßnahmen sind Mangelware. Stattdessen werden Absichten erklärt, Leitlinien erarbeitet und Gesetzesänderungen „ins Auge gefasst“. Dabei drängt die Zeit. Regionale Wasserknappheiten werden häufiger, Dürreperioden und Starkregenereignisse wechseln sich ab. Die Böden trocknen aus und werden anschließend von Wassermassen überflutet, die sie nicht mehr aufnehmen können. Sinkende Grundwasserspiegel gefährden die Trinkwasserversorgung. Schuld daran sind vor allem übermäßige Wasserentnahmen. Die natürlichen Wasserspeicher können sich mancherorts nicht so schnell regenerieren, wie sie leergeschöpft werden. 44,2 Prozent der Wasserentnahmen erfolgen durch die Energiewirtschaft, 26,8 Prozent durch das verarbeitende Gewerbe, den Bergbau und die Industrie. Nur ein knappes Viertel entfällt auf die öffentliche Wasserversorgung. Wer beim Zähneputzen das Wasser laufen lässt, braucht also kein schlechtes Gewissen haben. Für die Verwüstung des Umlandes sorgen andere.
In Anbetracht dieser Situation hätte Steffi Lemke drei Aufgaben gehabt. Erstens: Die Ursachen des Problems benennen. Zweitens: Eine gesetzliche Grundlage schaffen, um Wasserentnahmen auf das Maß zu begrenzen, das eine langfristige Stabilisierung des Grundwasserpegels ermöglicht. Drittens: Eine bundesweite Vorrangregelung einführen, um die Trinkwasserversorgung zu garantieren. Denn bei der Wassernutzung herrschen in Deutschland Wildwestzustände. Wer zuerst kommt mahlt zuerst. Große Konzerne haben zum Teil jahrzehntealte Verträge, die ihnen gewaltige Wassermengen zusichern, häufig für einen günstigen Preis oder gleich ganz kostenlos.
Die Wasserstrategie scheitert an allen drei Punkten. Bei der Schuldfrage wird lange herumlaviert. Neben dem Klimawandel sei die „Belastung der Gewässer“ ein Problem. „Auch Entwicklungen wie der demografische Wandel, Veränderungen im Lebensstil (…), wirtschaftsstrukturelle Entwicklungen, einschließlich der Digitalisierung, sowie Landnutzungsänderungen insgesamt wirken sich auf die Wasserressourcen“ aus, heißt es in dem Papier.
Wahr ist, dass sich die Regenerationsfähigkeit der natürlichen Wasserspeicher im Zuge der globalen Erwärmung vermindert. Trotzdem ist Deutschland noch immer ein wasserreiches Land, das bei einer planvollen Bewirtschaftung mehr als genug Wasserreserven aufbringen könnte. Das Kernproblem, die vollkommen von Standortlogik beherrschte Ansiedlungspolitik, wird im Papier nicht benannt. Die Landes- und Kommunalbehörden, die über Ansiedlungen und Genehmigungen entscheiden, stehen unter dem Druck, möglichst große Industrien in ihre Gebiete zu locken. Die Übernutzung des Wassers und die konzentrierte Versiegelung der Flächen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Statt einer Vorrangregelung soll „mit den Interessengruppen“ eine Leitlinie entwickelt werden, damit „möglichst ortsnahe Ressourcen für eine Trinkwasserversorgung“ zur Verfügung stehen. Die „ökologischen und ökonomischen“ Wasserbedarfe sollen dabei ebenso berücksichtigt werden wie die „besondere Bedeutung der Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser“. Und wenn es schief geht? Dann soll eine Leitlinie für „regionale Wasserversorgungskonzepte“ zum Tragen kommen. Mit Fernwasserleitungen soll Wasser von wasserreichen Orten in ausgetrocknete Regionen transportiert werden. Offensichtlich fällt es dem Umweltministerium leichter, Deutschland wie einen Wüstenstaat zu verwalten, als den gigantischen Wasserverbrauch der großen Konzerne einzuschränken. Schöner als in der „Nationalen Wasserstrategie“ wurde das absichtsvolle Auf-der-Stelle-Treten wohl selten angekündigt und aufgeschrieben.