Schäuble, seine Steuerpolitik, seine Druckmittel

Wünsche werden wahr

Von Herbert Becker

Steuereinnahmen sind ein wichtiges und probates Mittel der herrschenden Klasse, die politischen und sozialen Verhältnisse im Land zu regulieren. Vor wenigen Wochen tagte der „Arbeitskreis Steuerschätzung“ unter der Regie des Bundesfinanzministeriums und legte nun seinen, mittlerweile 151. Bericht, vor. Keine Überraschungen: Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen sprudeln weiterhin reichlich, für 2018 schätzen die Experten Gesamteinnahmen von über 757 Milliarden Euro, macht ein Plus gegenüber 2017 von 3,4 Prozent, für 2019 sind es dann bereits 789 Milliarden mit einem Plus gegenüber dem Vorjahr von sogar 4,2 Prozent und die Steigerungen gehen weiter bis 852 Milliarden im Jahr 2021.

Schäubles Diktat von der „Schuldenbremse“, das er nicht nur dem Bund, sondern auch den Ländern und darüberhinaus auch den Kommunen verordnet hat, kann also weiterhin funktionieren. Das reichliche Geld wird nicht für die dringend notwendigen Investitionen verwendet, zurecht heißt es schon seit längerem Investitionsstau, sondern es werden irrwitzige Summen für den Rüstungshaushalt bereitgestellt und dank der Nullzinspolitik der EZB für die Rückführung staatlicher Kredite genutzt. Im Jahr 2019 läuft der sogenannte „Solidaritätszuschlag“ aus, der aus einer Ergänzungsabgabe auf die Lohn- und Einkommenssteuer erhoben wird und immerhin zusätzliche 5,5 Prozent der Steuer je Beschäftigtem ausmacht. Für weitere zehn Jahre soll es nach dem generösen Wunsch von Schäuble noch ratierliche Restraten an die ostdeutschen Bundesländer geben, aber schon sehr abgespeckt. Immerhin waren das im letzten Jahr rund 15 Milliarden dieser Bundessteuer, die für die „blühenden Landschaften“ zwischen Rügen und Erzgebirge verwendet werden. Die Summen fallen dann langsam aus, die Bundesländer haben pflichtgemäß Alarm geschlagen, was also macht der Bund?

Schäuble und seinen Amtskollegen in den „reichen“ Bundesländern war der „Länderfinanzausgleich“, ein aus Umsatzsteueranteilen gewonnenes Steuerkonstrukt, um den föderalen Gedanken der möglichsten Gleichheit der Bedingungen im ganzen Land zu begründen, ein Ärgernis, denn bisher musste der Bund die Verhandlungen mit jedem Bundesland führen, die Not der einen (Empfänger) kleinreden und die Unlust der anderen (Zahler) besänftigen. Die Neuregelung, die dank der vor kurzem durchgedrückten Grundgesetzänderungen möglich ist, wird den Streit zwischen die Bundesländer direkt tragen, Schäuble macht aus dem Volumen von bisher rund 9,5 bis 10 Milliarden Euro einen großen Topf von anvisierten 16 Milliarden, die die Bundesländer dann unter sich verteilen sollen. Dieses neue Geldpaket ist zwar kleiner als das bisherige Geld, es fehlen immerhin 8,5 bis 9 Milliarden in der Gesamtrechnung, aber sein Druckmittel war „für den Soli gibt es keinen Ersatz, entweder stimmt ihr der Neuregelung zu oder ihr habt echte Probleme“.

Sein Kalkül, Landesregierungen aus dem bürgerlichen Parteienspektrum, egal wie im Einzelnen das auch aussehen mag, werden aufmüpfige Länder schon zur Raison zwingen, ging auf. Das Winken mit dem deutlich angefüllten Topf für den Länderfinanzausgleich, immerhin mehr als 6 Milliarden zusätzlich an die Länder, hat selbst die Regierungen in Berlin, Brandenburg und Thüringen, in denen die Partei „Die Linke“ mitverantwortlich ist, zur Zustimmung im Bundesrat bewogen. Natürlich hat sich Schäuble seine angeblichen Spendierhosen abkaufen lassen für die ihm, seiner Regierung und dem Finanzkapital viel wichtigeren Grundgesetzänderungen, um neue Geschäftsfelder und neue Einnahmequellen generieren zu können. Die alleinige Hoheit über die Bundesfernstraßen und den direkten Durchgriff auf kommunale Aufgaben, die nun mittels ÖPP‘s (Öffentlich-Private-Partnerschaften) finanziert und Renditeversprechen wahr werden lassen, sind das Steuergeld schon wert, was demnächst vom Bund mehr an die Länder geht. Schließlich ist genug da und demnächst noch viel mehr.

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"Wünsche werden wahr", UZ vom 23. Juni 2017



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