Arbeitsplatzverluste bei alternativen Energieträgern

Worte statt Sonne und Wind

Von Manfred Sohn

Das politische Berlin feiert sich für ihr „Klimapaket“. Stephan Weil, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen (SPD), sprach angesichts der Beschlüsse des Bundeskabinetts von dem „mit Abstand ambitioniertesten Klimaschutzprogramm, das wir in der Geschichte der Bundesrepublik bis jetzt hatten“.

Ambitioniert wäre der Ausstieg aus der Kohleverstromung ohne Wiedereinstieg in die Atomenergie. Abgesehen von der Nutzung der Wasserkraft, die nur in bergigen Regionen lohnend und durch die Trockenheitswellen der letzten Jahre infrage gestellt ist, bleiben dafür vor allem zwei Quellen: Die eine ist die Photovoltaik, also die Umwandlung von Licht in elektrische Energie – sozusagen der Königsweg, weil er die Quelle all‘ unseres Lebens, die Sonne, direkt zur Verstromung nutzt. Die zweite Hauptquelle ist die Verwandlung von Wind in Strom. Zu erwarten wäre angesichts der Riesendebatten der letzten Zeit ein stetiger Anstieg dieser beiden Industriezweige. Das ist aber nicht der Fall (siehe UZ vom 20. September).

Die Photovoltaik hat in den letzten vier Jahren einen regelrechten Einbruch erlebt. Nach einem rasanten Anstieg, der bis 2013 dauerte, liefern die knapp 1,6 Millionen Solaranlagen jetzt immerhin 6 Prozent des hierzulande benötigten Stroms. Die Planungen der Bundesregierung sahen vor, pro Jahr rund 2,5 Gigawatt neu durch diese Quelle zu liefern. Diesem selbstgesteckten Ziel hinkt die tatsächliche Entwicklung inzwischen um mehr als die Hälfte hinterher. Die Industrie selbst klagt seit längerem laut und vernehmlich: „Die schrittweise Senkung der Einspeisevergütung für Solarstrom hat den Boom vorerst gestoppt. (…) Nachdem im Jahr 2010 der Investitions-Höchstwert von 19,4 Milliarden erreicht wurde, gingen die Investitionen jedes Jahr deutlich zurück und liegen nun wieder weit unter dem Niveau von 2004.“ Das habe, so heißt es in dem hier zitierten „Strom-Report“, massive Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt: „In nur fünf Jahren gingen 76 200 Arbeitsplätze verloren.“ Statt hunderttausender wie für eine wirkliche Wende nötig arbeiten in diesem Markt jetzt weniger als 30 000 Menschen.

Im Bereich der Windenergie läuten die Alarmglocken noch lauter. Anfang September warnte die IG Metall nach einer umfangreichen Befragung von Betriebsräten der Windenergie „vor einem weiteren Einbruch für die deutsche Windindustrie“. Die in Ostfriesland angesiedelte Firma „Enercon“, lange ein Vorzeigebetrieb, hat allein im letzten und diesem Jahr 1 200 Arbeitsplätze abgebaut. Laut Umfrage geht jeder dritte Betriebsrat von weiteren Auftragsrückgängen in den kommenden Jahren aus – das hochgelobte „Klimapaket“ liefert dazu kein Gegenmittel. Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, redet Klartext: „Wir haben bereits tausende Arbeitsplätze in der Windindustrie verloren. Wenn Politik und Unternehmen nicht zügig gegensteuern, droht der Branche das gleiche Schicksal wie der Solarindustrie, die bis auf einzelne Unternehmen aus Deutschland verschwunden ist.“

In den Medien wird absurderweise versucht, Umweltschützer gegeneinander auszuspielen und den Schutz des Rotmilan für den Niedergang der Windenergie verantwortlich zu machen. Auch hier sollte die Umfrage der IGM für klare Kante sorgen: 96 Prozent der Betriebsräte machen die fehlende „bzw. nur geringe Unterstützung“ der Bundesregierung verantwortlich für den Niedergang dieser erneuerbaren Energieressource.

Der Weg wäre klar: Vergesellschaftung der Stromerzeugung und auf dieser Grundlage Förderung der kommunalen Energieerzeugung, die auf Solar- und Windenergie beruht mit dem Ziel, Dorf für Dorf, Stadt für Stadt und Betrieb für Betrieb von einer Stromerzeugung durch Kohle oder Kernenergie unabhängig zu machen. Das wäre ein ernsthafter Beitrag für eine Klimawende – aber nicht die selbstgefälligen Worte der großen Koalition.

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"Worte statt Sonne und Wind", UZ vom 11. Oktober 2019



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