285914 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr gebaut, so viele wie seit 2002 nicht mehr. „Die im Jahr 2011 begonnene positive Entwicklung setzte sich somit weiter fort“, freut sich das Statistische Bundesamt in einer Pressemeldung. Doch die neuen Wohnungen reichen lange nicht für alle, die eine Wohnung brauchen. Vor allem nicht, wenn sie bezahlbar sein soll. Vor allem in den Großstädten findet eine massive Verdrängung alteingesessener Mieter statt, nach sogenannten Modernisierungen sind die erhöhten Mieten für viele nicht zu stemmen. Eine adäquate Ersatzwohnung zu finden ist schwer, möchte man im angestammten Viertel bleiben, scheitert man in Zeiten der Gentrifizierung fast unweigerlich.
Da hilft es auch nicht, dass im letzten Jahr 1 100 Wohnungen mehr gebaut worden sind als in 2017 – das ist noch nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Selbst Union und SPD hatten sich in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, dass bis 2021 1,5 Millionen Wohnungen gebaut werden sollen. Das wären 375000 pro Jahr. Schätzungen zufolge müssen 400000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, um den Bedarf zu decken. So viele Baugenehmigungen wurden in den letzten Jahren gar nicht erteilt. Und selbst wenn, heißt das gar nichts. Laut Statistischem Bundesamt gibt es seit 2008 einen Überhang an „genehmigten, noch nicht fertiggestellten Wohnungen.“
Wie es auch gehen kann, zeigte das „Osnabrücker Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“. Das Bündnis forderte eine kommunale Wohnungsgesellschaft. Diese soll „dauerhaft qualitativ guten Wohnraum zur Verfügung stellen, der für alle Menschen, insbesondere auch für jene mit geringerem Einkommen, bezahlbar bleibt“. Dazu initiierten die Aktivisten ein Bürgerbegehren, das in einem Bürgerentscheid mündete. 76,44 Prozent der Wähler stimmt bei diesem für eine kommunale Wohnungsgemeinschaft, bei einer Wahlbeteiligung von 56,6 Prozent der Wahlberechtigten.
2018 begannen die Initiatoren des Bündnisses, Unterschriften für ihr Bürgerbegehren zu sammeln, begleitet von immer mehr Aktionen, die in eine Demonstration mündeten. So hatten sie 13500 Unterschriften – rund 4 000 mehr als nötig – schon zwei Monate vor dem eigentlichen Fristende zusammen. Der Frust über Wohnungskonzerne wie Vonovia war in Osnabrück groß. In den letzten sechs Jahren sind die Mieten laut städtischem Mietpreisspiegel um 16 Prozent gestiegen. Das Portal „Immobilienscout 24“ gibt sogar an, dass es in diesem Zeitraum im Schnitt 25 Prozent gewesen seien. Vonovia, mit 3 926 Wohnungen der größte Vermieter in Osnabrück, hatte 543 davon allein im letzten Jahr saniert. Die Kosten für die Dämmung von Fassaden oder den Austausch von Fenstern wurden gesetzestreu auf die Mieten umgelegt. Die Folge waren Mieterhöhungen von bis zu 3 Euro pro Quadratmeter und Monat. In einigen Fällen machte dies eine Mieterhöhung von 47 Prozent aus.
Das Bündnis, das die Wohnungsgesellschaft forderte, wird von einem Spektrum getragen, das von der DKP bis zur SPD reicht. Die SPD betrieb in der Vergangenheit eine Politik, die auf Anreize für private Investoren und Privatisierung setzte. 2002 verkaufte die Ratsmehrheit aus CDU, „Bund Osnabrücker Bürger“ (BOB) und FDP für 110 Millionen Euro die bis dahin bestehende „Osnabrücker Wohnungsgemeinschaft“, deren Bestand heute mehrheitlich der Vonovoia gehört. Der Neubau von besagten 3 700 Wohnungen kostet ein Vielfaches von dem, was der Verkauf einbrachte. Die Ratsmehrheit aus CDU, BOB, und FDP sah sich auch nicht verpflichtet, dem erfolgreich eingereichten Bürgerbegehren zu folgen. „Ich würde ungern eine Initiative aus der Bürgerschaft als Partei vereinnahmen“, sagte der Osnabrücker CDU-Fraktionschef Fritz Brickwedde. Daraufhin kam es zum Bürgerbegehren – das erste in der Geschichte der Stadt.