Regierungsbericht: Zu wenige Wohnungen neu gebaut. Mieten steigen weiter und die Mietpreisbremse wirkt vielerorts nicht

Wohnungen bleiben knapp

Von Matthias Lindner

In vielen Städten Deutschlands werden auch in den nächsten Jahren die Mieten drastisch steigen – trotz Mietpreisbremse. Das wird unter anderem durch den kürzlich vom Bundesbauministerium vorgestellten Wohngeld- und Mietenbericht untermauert. Das liegt unter anderem daran, dass mancherorts zu wenige Wohnungen gebaut werden. Aber auch die Mietpreisbremse greift nicht überall, wie Medienberichte kürzlich hervorhoben.

Letzte Woche Mittwoch hatte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) in Berlin den neuen Bericht zur Lage am Wohnungsmarkt vorgestellt. Darin stellt das Ministerium fest, dass sich die Lage im vergangenen Jahr in vielen deutschen Städten verschärft hat. „In vielen Ballungsräumen, Groß- und Universitätsstädten sind weiterhin deutliche Mietsteigerungen und vielerorts spürbare Wohnungsmarktengpässe zu verzeichnen“, heißt es in dem Bericht. Langjährige Mieter könnten mancherorts ihre Wohnungen kaum bezahlen, und Haushalte mit geringem Einkommen seien von der Entwicklung besonders betroffen.

Zwar wurden im letzten Jahr rund 240 000 Wohnungen neu gebaut, sagte Hendricks bereits Mitte September in Berlin. Diese Zahl reiche aber nicht. Inzwischen müsse man sich „auf einen Bedarf von gut 350 000 Neubauwohnungen pro Jahr einstellen“. Bund, Länder und Gemeinden seien nun gefordert, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Einen steigenden Bedarf an Wohnraum gebe es aber nicht nur durch Zuwanderung, so Hendricks. Vielmehr gebe es einen gesamtgesellschaftlichen Bedarf.

Er verdeutliche den Niedergang des sozialen Wohnungsbaus, kommentierte Chris Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Grünen im Bundestag, den Bericht laut Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Oktober. Von etwa drei Millionen Sozialwohnungen im Jahr 1990 seien weniger als 1,5 Millionen übrig. Die von der Regierung geplante Förderung des sozialen Wohnungsbaus von 500 Millionen Euro sei deshalb auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die Regierung müsse sich deshalb mehr einfallen lassen als eine Mietpreisbremse, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes. Wohnungsneubau in Ballungszentren sei „unter 2 500 Euro pro qm kaum machbar, rechnet man alle Kosten, wie z. B. auch die Grundstückskosten in die Kalkulation ein“, heißt es in einer Erklärung des Verbandes. Daraus würden sich Mieten von mindestens zehn bis zwölf Euro pro Quadratmeter Wohnfläche ergeben. Deshalb, so Pakleppa, müssten auch die Kommunen bereit sein, auf die Bauwirtschaft zuzugehen, beispielsweise indem sie Bauland „günstiger als bisher zur Verfügung“ stellen. Aber auch die Länder müssten überlegen, „ob die Erhöhung der Grunderwerbsteuer tatsächlich der richtige Weg ist“.

Dass die Baukosten gesenkt werden müssen, betonte auch Ministerin Hendricks in einer Rede Anfang Oktober. Den Grund für deren Anstieg liegt ihrer Meinung nach aber nicht vordergründig bei der Grunderwerbssteuer oder bei teurem Bauland. „Gespräche der Bündnispartner in der Baukostensenkungskommission“ hätten dagegen gezeigt, „dass ansteigende Wohnflächen, Ausstattungsmerkmale und technische Ausrüstungen die eigentlichen Kostentreiber im Wohnungsbau sind“.

Die Mietpreisbremse selbst ist eines der Probleme, die einen Anstieg nicht verhindert, wurde kürzlich in Medienberichten deutlich. Denn sie wirkt in vielen Kommunen überhaupt nicht. Im März wurde sie von der Bundesregierung beschlossen und bisher nur in sechs Ländern eingeführt. Zu ihnen gehören gehören Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Die Länder legen per Verordnung Gebiete mit „angespannten Wohnungsmärkten“ fest, die eine Mietpreisbremse einführen dürfen.

Von dieser Regelung haben bisher 239 Städte Gebrauch gemacht, schrieb die Süddeutsche Zeitung am 2.11. Doch drei Vierteln davon fehle es an der entscheidenden Grundlage, um das Gesetz effektiv umzusetzen: einem Mietspiegel. Dadurch ist es weder für Mieter noch Vermieter möglich, ohne großen Aufwand die ortsübliche Vergleichsmiete herauszufinden. „De facto läuft die Mietpreisbremse ohne Mietspiegel ins Leere“, sagte Steffen Sebastian, Immobilienökonom an der Universität Regensburg, der Zeitung.

Der Regierungsbericht macht deutlich, dass die Mieten im gesamten Bundesgebiet in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Zwischen den Jahren 2011 und 2014 legten sie in den sogenannten Metropolregionen um knapp fünf Prozent jährlich zu. Anderenorts betrug der Mietanstieg demnach 3,4 Prozent im Jahr. Überdurchschnittliche Anstiege waren laut dem Bericht vor allem in wirtschaftsstarken oder gut angebundenen Landkreisen in Süddeutschland, grenznahe Kreise im Nordwesten des Landes, im Umland von Berlin sowie in touristisch attraktiven Räumen zu verzeichnen.

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"Wohnungen bleiben knapp", UZ vom 6. November 2015



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