Leerstand, Mietenwahnsinn und Verdrängung stoppen

Wohnen ist Menschenrecht

Von Christa Hourani

Aktuelle Infos unter:

http://leerstandbeleben.bplaced.net/

Dort kann auch die Solidaritäts-Erklärung von Organisationen oder Einzelpersonen unterzeichnet werden.

Im Anschluss an eine Kundgebung des Aktionsbündnisses „Recht auf Wohnen“ in Stuttgart-Heslach ging am 28. April ein Demozug mit ca. 150 Aktiven in die Wilhelm-Raabe-Straße. Dort wurden zwei Wohnungen besetzt. Eingezogen sind eine alleinerziehende Mutter mit ihrem 9-jährigen Sohn, die bisher in einer geräumigeren Abstellkammer (16 Quadratmeter) bei ihrer Schwester gelebt hat, und eine junge dreiköpfige Familie, die mit ihrer einjährigen Tochter in einer viel zu kleinen Wohnung lebte. Seit Monaten waren sie auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum.

Die Besetzung wurde vom Kollektiv der Besetzerinnen und Besetzer gut organisiert. Samstag und Sonntag waren meist zwischen 100 und 200 Leute vor Ort. Ein paar irritierte Streifenwagenbesatzungen kamen angefahren, zogen aber schnell wieder ab. Auf der Straße und im Garten hinter dem Haus wurden Bierbänke aufgestellt. Es gab leckeres Essen und Getränke und immer wieder auch Programm. Sonntag wurde ein Straßenfest organisiert und die Nachbarn eingeladen. Es gab Solidaritätserklärungen, ein Rapper und ein Chor traten auf. Am Montag wurde ein Besetzungsbrunch organisiert. Im Erdgeschoss und auf der Straße wurde übergangsweise ein Raum zur Begegnung, zum Kennenlernen, zum Diskutieren und zur Information eingerichtet. Ein gutes Dutzend Kinder eroberten sich die Straße und den idyllischen Hinterhof samt Spielplätzchen, freuten sich über neue Freunde, malten die Straßen bunt an und ließen Seifenblasen fliegen. Etliche Transparente hängen aus den Fenstern, auch im Nachbarhaus.

Die Besetzung findet von allen möglichen Seiten enormen Zuspruch. Insbesondere im Viertel und der Nachbarschaft gibt es ausschließlich positive Reaktionen. Die Aktion scheint tatsächlich einen Nerv getroffen zu haben! Einige Nachbarn wollen jetzt auch selbst aktiv werden und planen die kommenden Aktionen mit. In der Nachbarschaft wurde ein Transparent an den Balkon gehängt: „Lieber Häuser besetzen als fremde Länder!“ Auch die örtliche Presse berichtet eher positiv.

Am 3. Mai gab es eine öffentlichkeitswirksame bunte Aktion im Rathaus – vor der Gemeinderatssitzung. Mit einer kleinen feinen Spontandemo von ca. 50 UnterstützerInnen, darunter viele Familien mit kleinen Kindern, besetzten sie den Korridor vor dem Sitzungssaal des Gemeinderats. Dort wurde – als symbolisches Zeichen der Wohnungslosigkeit – ein Zeltcamp errichtet aus Wurfzelten, Campingliegen, Stühlen, Luftmatratzen, Schlafsäcken und auch blühende Geranien fehlten nicht. Die Gemeinderäte wurden mit Sprechchören wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Wohnung klaut“, „Wohnungsnot im ganzen Land – unsere Antwort: Widerstand“ und „Wir sind alle Wilhelm-Raabe-Straße 4“ empfangen. Alle Gemeinderäte mussten am bunt bemalten Solidaritätstransparent vorbei in den Sitzungssaal. Von den Gemeinderäten suchte kaum einer das Gespräch, außer von der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus (bestehend aus Die Linke, Stuttgart ökologisch sozial – SÖS, Piratenpartei, Studentische Liste – Junges Stuttgart). Die vielen Kinder veranstalteten mit ihren Bobbycars Hindernisrennen zwischen den mitgebrachten Utensilien.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Wohnen ist Menschenrecht", UZ vom 18. Mai 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit