Verwaltung in Mörfelden-Walldorf will abkassieren

Wohin mit den Autos?

Alfred J. Arndt

Die Altstadt des Stadtteils Mörfelden. Hier heißen die Straßen noch „Gassen“. Die längste von ihnen, die Langgasse, durchschneidet als vielbefahrene Verkehrsader das Viertel. Die alten Häuser sind klein, die Höfe eng. Reichtum war hier nie zu Hause. Über die Jahre hat sich das Viertel langsam verändert. Geschäfte gibt es kaum noch, von den Wirtshäusern sind nur zwei übriggeblieben. Der Denkmalschutz ist nachlässig, einen Bebauungsplan gibt es nicht. Viele Häuser stehen leer. Der völlig übergeschnappte Immobilienmarkt macht die Grundstücke um ein Vielfaches teurer als die auf ihnen stehenden Gebäude. Es kam zum Aufkauf von Grundstücken durch bekannte „Player“ der Immobilienszene. Hier und da entstanden gewerblich betriebene Mietshäuser. Beliebtes Modell: „Handwerkerwohnungen“. Kleine Kasernen für niedrig entlohnte Arbeitskräfte aus aller Welt. Zehn und mehr Briefkästen und Klingelschilder an einem Gebäude sind keine Seltenheit.

Jetzt wird‘s langsam enger in den kleinen Gassen. Mörfelden-Walldorf hat 34.600 Einwohner. Diese besitzen circa 20.000 Pkw und Kleintransporter. Ein Auto benötigt nach Bundesstatistik 8,07 Quadratmeter Verkehrsraum. Ohne Zwischenräume abgestellt, brauchen die Autos der Stadt 16,14 Hektar, das sind fast 23 Fußballfelder. Die grün-schwarze Rathauskoalition und ihr grüner Bürgermeister „ermutigen“ zum Umsteigen auf den ÖPNV. Aber wie? Jahrzehntelang haben Bundes- und Landesregierungen aller Couleur den ÖPNV vernachlässigt. Die Auto-Lobby tat ein Übriges: Ohne Auto geht fast nichts mehr. Einkaufen? Nur noch weit draußen am Ortsrand. Zum Facharzt in die Nachbarstadt? Über zwei Stunden mit dem Bus sind nicht selten. Pendeln nach Frankfurt mit der Deutschen Bahn? Viele können nur noch laut lachen, wenn sie das hören. Es gibt viele Baustellen, Verspätungen und Zugausfälle. Und 2024 soll die gesamte Strecke Frankfurt – Mannheim für ein halbes Jahr komplett gesperrt werden.

Viele Pendler kehren entnervt zum Auto zurück. Wohin aber mit den Autos? Es gibt zwar offiziell keine „Gemeinschaftsstraßen“, wohl aber praktisch. In der Altstadt kennt man sich noch, man spricht miteinander, man kommt miteinander aus. Es gibt in den Gassen kaum Gehsteige mit Bordsteinen. Also hat es sich „eingebürgert“, dass man nur auf einer Seite der Gasse parkt, auf Tuchfühlung mit der Hauswand oder Mauer. Es bleibt genug Platz für fahrende Autos und Fußgänger.

Aber jetzt auf einmal ist die Stadtverwaltung durch den „ruhenden Verkehr“ beunruhigt. Im November 2022 zog die Stadtpolizei durch die Altstadt und verteilte massenhaft Knöllchen. Begründung: Müllabfuhr, Feuerwehr und Rettungsdienst kämen nicht mehr durch, weil eine Mindest-Restbreite der Straße von 3,05 Metern nicht gewährleistet sei. Das gab viel Wut bei den Anwohnern: Bis jetzt ging‘s doch, und die Müllabfuhr kam noch immer durch. Weshalb müssen die Leute so verärgert werden? Warum ist man nicht erst einmal auf die Anwohner zugegangen? Warum hat man nicht – was das Gesetz zulässt – erst mal Verwarnungen ohne Verwarnungsgeld ausgestellt?

Über die Gründe kann man spekulieren. Sie liegen wohl weniger in der Sorge um die „öffentliche Sicherheit“, sondern vielmehr darin, aus der angespannten Lage eine neue Geldquelle für den auf Kante genähten städtischen Haushalt zu erschließen. Wenn man dem Flurfunk in unseren Rathäusern trauen kann, war es den Verantwortlichen des Ordnungsamtes auch eher peinlich, die Anweisung zur Knöllchenaktion in der Altstadt auszuführen. Als Ordnungsdezernent Bernd Körner (CDU) die Aktion befahl, ließ man sich das vorsichtshalber schriftlich geben.

Die DKP, über die DKP/Linke Liste mit fünf Stadtverordneten im Stadtparlament und mit einem Stadtrat im Magistrat vertreten, wurde tätig: Sie fordert die Einberufung einer Anwohnerversammlung, auf der alle Betroffenen ihre Meinung vortragen können. Dazu verlangt sie in einem Antrag die Rückzahlung der Verwarnungsgelder aus dem Knöllchenregen vom November. In zwei Höfen der Altstadt wurde die Aktion von dort wohnenden Stadtverordneten der DKP/LL vorgestellt und fand großen Anklang. Trotz Kälte kamen zahlreiche Anwohner, diskutierten und brachten Ideen mit. Sicher ist: Die von der Rathauskoalition bevorzugte Lösung „Anwohnerparken“ taugt nicht viel. Sie kostet die Betroffenen Geld, garantiert aber trotzdem keinen Parkplatz. Dazu verursacht sie durch die notwendigen Abmarkierungen sogar eine Verringerung der vorhandenen Parkfläche. Fazit: Das Problem kann nicht ohne oder gar gegen die Anwohner gelöst werden.

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"Wohin mit den Autos?", UZ vom 3. Februar 2023



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