„Schick mich, ich bin schnell!“ – Anekdoten aus dem Amateurfußball

Wo sind die Irren, die Netten, die Aggros?

Von Karl Rehnagel

Ilja Behnisch: Schick mich, ich bin schnell! – Die besten Anekdoten aus dem Amateurfußball, Verlag Die Werkstatt, 12,90 Euro

Hey, das ist ja mein Buch, dachte ich. 20 Jahre Kreisliga und 20 Jahre Hobbyliga habe ich hinter mir. Ich kenne sie alle, die verrückten Typen, die schnellen Jungs und die ganz langsamen, die Normalen und die Irren, die Netten und die Aggros.

Aber schnell war ich enttäuscht. Hier wird recht lieblos eine „Anekdote“ nach der anderen auf Papier gehauen. Und es geht gar nicht wirklich um die Fußballer, um die Typen. Es geht um Schiedsrichter, die den Weg nicht finden, Spiele, die wegen eines entlaufenden Hundes unterbrochen werden, oder Torhüter, die zur Halbzeit nach Hause fahren. Alles in Kurzgeschichten, mal ganz lustig, mal skurril, meistens aber – so mein Empfinden – langweilig.

Ich hätte gerne über wirkliche Typen gelesen, und das assoziiert der Titel ja auch: den „Schick-mich-ich-bin-schnell“-Spieler z. B.: Oft ist er überhaupt nicht schnell, glaubt es bloß. Oder er ist tatsächlich schnell, kann aber mit dem Ball so gar nichts anfangen, außer davor pöhlen (Ruhrgebietsdeutsch: einen Ball herumkicken, Anm. der Redaktion) und hinterherrennen, meist ins Niemandsland des Feldes, gerne auch mal bis hinter die Auslinie.

Oder den „Ich-kann-alles-am-Ball“-Spieler: Kommt bevorzugt aus dem Berufsfeld Lehrer/Sozialarbeiter, kennt nur sich und den Ball, weiß wirklich alles besser und wenn er einen Fehler macht, sind alle anderen schuld, zur Not der Rasen, der Luftdruck oder die geopolitische Weltlage im Allgemeinen.

Der „Aggro-Typ“, der alles und jeden umgrätscht, in jeden Zweikampf geht, als stünde der Atomkrieg unmittelbar bevor, der für ein Kopfballduell 200 Meter Anlauf nimmt. Aber selber nach der kleinsten Berührung des Gegners schreiend zu Boden bricht, als wären alle Kreuzbänder dieser Welt auf einmal gerissen. Mindestens.

Auch schick: der „Dirigent“: Bewegt sich während der 90 Minuten im Radius eines Bierdeckels, begeht 97 Prozent der Begegnung verbal statt sportiv und „schickt“ gerne Mitspieler. Das ganze Spiel wird von ihm kommentiert, jede Ballberührung und jeder Einwurf auch, und nur er sieht – am weitesten entfernt vom Ort des Geschehens – ob der Ball hinter der Linie war oder nicht.

Der „Terrier“: Er liebt den Körperkontakt, ist sich sicher, dass der Ball an deinem Fuß ihm gehört und nur ihm, und verfolgt dich zur Not auch bis in die Umkleidekabine. Wird gerne kombiniert mit dem „Schwitzer“, jenem Typus, der bereits nass ist, während er sich noch umzieht.

Der „Bierselige“: Hat gerne schon vor dem Spiel den einen oder anderen Hopfen zu sich genommen. Spielt Fußball wie er würfelt, mittelmäßig, aber mit Spaß. War in den letzten 22 Jahren auf dem Platz nicht aggressiv und hat das auch in den nächsten 13 nicht vor, warum auch, ist ja nur Fußball.

Der „Wunderliche“: Hat eine Technik, die man nicht verstehen kann und die bei versuchter Nachahmung garantiert zum Meniskusschock führt. Spielt wie eine Mischung aus Ballett und Sackhüpfen, behält aber aus unerfindlichen Gründen trotzdem immer den Ball am Fuß.

Und so weiter. Typen eben, die man kennt, die einen tausendmal zu Tode genervt oder zum Lachen gebracht haben.

Aber bei „Schick mich, ich bin schnell!“ kommen sie nicht vor, und wenn, dann als Randnotiz. Hier ist es lustig, dass beim Verein XYZ ein Fuchs beim Training zuschaut oder ein Bauer seinen Trecker vor das Tor fährt, weil Besucher des Spiels seine Wiese vollgeparkt haben. Auch das kann ja seinen Reiz haben, auch wenn ich ihn nicht finden kann. Aber der Titel des Buches führt definitiv ins Leere. Oder eben ins Abseits.

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"Wo sind die Irren, die Netten, die Aggros?", UZ vom 27. Oktober 2017



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