Anfang September befasste sich die bürgerliche Journaille mit der quasi nicht vorhandenen Inflation in der VR China von 2,5 Prozent. Da das Land der systemische Gegner des deutschen Monopolkapitals und der NATO ist, orakelte etwa Fabian Kretschmer in der „taz“: „China ist stolz auf seine geringe Inflation. Dabei ist diese nur Ausdruck einer schwächelnden Wirtschaft.“ Der Klassenauftrag der bürgerlichen Medien verhindert eine Analyse der Situation.
Dabei ist die Frage bedeutsam. China ist das Land mit der mit Abstand größten internationalen Nachfrage nach seinen Gütern. Unter normalen kapitalistischen Umständen wäre das Land im Dauerboom, vermutlich mit anhaltender galoppierender Inflation. Stattdessen hat es, zusammen mit der gezielten Reduktion und Stabilisierung der Wachstumsraten des Sozialprodukts, seit 2010 auch seine Inflationsraten auf einem Niveau von 2 bis 3 Prozent stabilisieren können. Wie konnte das gelingen?
Erstens: In einem Land mit einer effektiven langfristigen Entwicklungsplanung mit sozialistischer Perspektive werden das Wachstum der Gesamtmenge und die Struktur des Waren- und Dienstleistungsangebots mit den steigenden Masseneinkommen im Einklang gehalten. Das heißt: Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft sind im Einklang mit Maßnahmen zur Beseitigung der Armut, sind verbunden mit Steuerentlastungen für untere und mittlere Einkommen und einer Förderung von Lohnkämpfen. Was seit 2021 in den USA passiert, kann in China nicht passieren: Sowohl Donald Trump wie Joseph Biden haben billionenschwere Hilfsprogramme für die von Corona gebeutelten Privathaushalte aufgelegt. Der nachholende Massenkonsum aber stieß auf eine kaputte Produktionsstruktur und auf unterbrochene Wertschöpfungsketten. Die USA können praktisch keines der wichtigen Produkte mehr im Land selbst herstellen und die Fertig- und Zulieferprodukte aus China wurden sowohl von Trump wie von Biden stranguliert. Ergebnis: Die Massennachfrage verpufft in einer Inflation, die auf über 8 Prozent gestiegen ist.
Zweitens: China sichert seine Energieversorgung langfristig, international, mit Verträgen zu moderaten Preisen und ohne jedes geostrategische Abenteurertum. Hier haben die USA der EU geschickt das Genick gebrochen: Die EU-Führung glaubte 2018 besonders schlau zu sein, als sie aus den langfristigen Gasverträgen mit Gazprom ausstieg und auf die „Spotmärkte“ (Einkauf zu Tagespreisen) ging und sogar noch entsprechende Energieplattformen kreierte. Ihre Hoffnung war, Gazprom zu ruinieren und durch „Wettbewerbsdruck“ günstiger einkaufen zu können. Wer eins und eins zusammenzählen konnte, wusste, dass das Ergebnis weitere Umverteilungsgelegenheiten für den Spekulationssektor waren: Die Tagespreise explodierten und wir sehen die „Quantensprünge“ an den Preiskurven des Spekulationssektors für Öl, Gas, Strom und andere Ressourcen, wir sehen Verdrei-, Verfünf- und Verzehnfachungen.
Drittens: Die chinesische Zentralbank (PBC) zieht mit am Strang der sicheren nationalen Entwicklung. Die Geldmenge wird im Einklang mit dem Produktionsfortschritt gesteuert, während im „freien Westen“ die Zentralbanken seit 2008 viele Billionen „frisches Geld“ in den Spekulationssektor gepumpt haben.
Wäre das Narrativ, wonach die Frischgeldzufuhr zur Erleichterung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft führt, auch nur halbwegs Realität, hätten die Dutzende von Billionen, die von den G7-Staaten rausgehauen wurden, längst zu einer Hyperinflation geführt.
Ein Großteil dieses Geldes ist in die Spekulationsblasen gepumpt worden. Mit einem anderen Teil wurde in den vergangenen Monaten vermehrt in „Realwerte“ investiert. Die Wall Street soll allein in diesem Jahr ihre Weizenoptionen von den üblichen zwei auf sieben globale Weizenernten erhöht haben. Die Spekulation mit Lebensmitteln und anderen Ressourcen mit den Zentralbank-Billionen treibt so die Inflation weiter an.
Anders in China: Die PBC ist nicht Instrument der Spekulanten, sondern deren Feind. Die Finanzaufsicht der PBC hat zusammen mit der Wettbewerbsaufsicht nicht nur den Immobiliensektor an die Kandare genommen, sondern auch fast 40 der größten IT-Konzerne. Wir erinnern uns an den Fall von Alibabas „Ant Group“, die während der Corona-Pandemie 2020 Knebel-Kreditverträge mit vielen Millionen Privathaushalten und kleinen und mittleren Unternehmen abgeschlossen hatte. Hier zeigten die Behörden klare Kante und nahmen auch den Wertverlust von Alibaba und anderen chinesischen Monopolen in Kauf.
Man sieht also, wie es gehen könnte. Der absteigende Westen wäre fast schon zu bedauern angesichts seiner völligen systemischen Unfähigkeit und seiner völlig dequalifizierten politischen Chaotentruppen. Es ist dem früheren stellvertretenden US-Finanzminister Paul Craig Roberts zuzustimmen, der auf seinem Blog ausführlich analysiert, wie der neoliberale Finanzkapitalismus systematisch die Unfähigsten der Unfähigen in die Spitzen der Parteien, Parlamente und Regierungen spült. Wäre fast zu bedauern – wenn nicht die normalen Menschen die Katastrophe auszubaden hätten.