Auf der 2. Tagung des DKP-Parteivorstandes orientierte Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, auf die Proteste gegen die Preisexplosionen und das Abwälzen der Kriegs- und Krisenlasten auf die Bevölkerung. „Wo immer wir es können, müssen wir helfen, Massenwiderstand anzuschieben, und immer müssen wir versuchen, die Friedensfrage und den sozialen Protest zusammenzuführen“, so Köbele. Er befasste sich sowohl mit der Rolle der Gewerkschaften in diesem Abwehrkampf als auch mit den Montagsdemonstrationen und -spaziergängen, die vor allem in Ostdeutschland Tausende auf die Straße bringen. Köbele plädierte für eine flexible Bündnispolitik – unter einer Bedingung: „Es muss möglich sein, dass wir unsere Inhalte in die Proteste einbringen – gegen NATO-Aggression und Hochrüstung, gegen die zerstörerische Sanktionspolitik gegen Russland und für Frieden mit Russland und China.“ Das Referat von Patrik Köbele gibt es hier. In der UZ berichten wir regelmäßig über die Sozialproteste und den Widerstand gegen Krieg und Krise, der sich vor Ort sehr unterschiedlich darstellt, und die Aktivitäten der DKP. Nach Berichten aus Schwedt und Interviews mit Aktiven drucken wir auf dieser Seite Berichte aus Torgau und Berlin. Schickt eure Berichte, Erfahrungen, Überlegungen und Fotos an: redaktion@unsere-zeit.de
Montags in Torgau
DKP will „Spaziergänger“ zum Nachdenken bringen und in die Diskussion kommen
Montagsspaziergänge gibt es im sächsischen Torgau schon seit der Corona-Pandemie. Mit der Eskalation des Krieges in der Ukraine, der zunehmenden NATO-Aggression gegen Russland und dem Wirtschaftskrieg, der die Preise für Energie und Lebensmittel in diesem Land explodieren lässt, sind sie wieder größer geworden. Die Demonstrationen mit zum Teil mehreren hundert Teilnehmern starten nun wöchentlich vor dem Torgauer Rathaus und enden auch dort. „Die Organisatoren“, so erzählen Elke und Gerd Brucks von der DKP Torgau, „sind die AfD und deren Mitglieder und Sympathisanten. Aber es laufen dort Hartz-IV-Leute, Rentnerinnen und Rentner, Berufstätige und Mittelständler mit. Die meisten von ihnen dürften keiner Partei angehören.“
Die DKP ist in Torgau trotz weniger Mitglieder bekannt. Seit einigen Jahren organisiert die DKP Sachsen, unterstützt von weiteren Landesorganisationen der DKP, gemeinsam mit Bündnispartnern dort am „Elbe-Tag“ eine Demonstration „Frieden mit Russland“ mit mehreren hundert Teilnehmern. Die DKP hat mit dem KommTreff ein kleines Büro mit Sitzungsraum im Zentrum der Stadt, gibt das „Torgauer RotInfo“ heraus und kommt mit ihren Positionen und Aktionen regelmäßig in die Lokalpresse. Natürlich haben die Genossinnen und Genossen überlegt, wie sie mit den Montagsspaziergängen umgehen sollen, die am Schaufenster ihres KommTreff vorbeiziehen, das einer kommunistischen Wandzeitung gleicht. „Auf den Spaziergängen werden russische und Friedensfahnen getragen. Es sind Parolen zu lesen, die wir unterschreiben können wie ‚Raus aus der NATO‘ und ‚Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht‘. Aber es gibt auch Schilder ‚Deutschland zuerst!‘ und ‚Wir brauchen eine Alternative für Deutschland‘“, berichtet Gerd Brucks. „Da können wir uns nicht einfach einreihen, aber wir müssen die Menschen doch trotzdem ansprechen“, ergänzt seine Frau Elke. Das mache ja sonst niemand, auch die Partei „Die Linke“ glänze durch Abwesenheit. „Wir sehen ja, dass die Leute vor unserem Schaufenster stehen bleiben, unsere Plakate und Forderungen lesen und darüber miteinander diskutieren.“
Am Montag, dem 7. November, sind Elke und Gerd Brucks also mit ihrem großen Transparent und „Torgauer RotInfos“ zum Marktplatz gegangen. „Frieden mit Russland und China! Aufhebung aller Sanktionen!“ steht groß auf dem Transparent. Etwas kleiner darunter: „Wir distanzieren uns entschieden von der Innen- und Außenpolitik der herrschenden Parteien – Nicht mit uns!“ „Wir haben uns – gut beleuchtet vom Rathaus – für alle sichtbar an den Rand der Kundgebung gestellt. Uns war schon etwas mulmig“, erzählt Elke Brucks. Nach einer Weile seien Leute auf sie zugekommen, hätten Fragen gestellt und über das Transparent reden wollen. „Da kam zum Beispiel eine Frau mit einem blauen Herz aus Pappe am Stiel, da stand drauf ‚Zuerst unser Land, Deutschland‘. Sie sagte, sie komme aus Polen und ihr Mann sitze für die AfD im Stadtrat. Ich wollte wissen, ob der Spruch nicht sehr egoistisch sei, zum Beispiel gegenüber dem Nachbarland Polen. Am Ende gab die Frau zu, dass ihr Schild nicht besonders gut sei. Andere fanden den unteren Teil unseres Banners ‚genau richtig‘, aber kritisierten unsere Haltung zu Russland und China. Wir bekamen auch Zurufe wie ‚Richtig‘ und ‚Sehr gut!‘ und den Daumen hoch gezeigt.“ Als sich der Spaziergang in Bewegung setzte, sind die beiden mit ihrem Transparent quer zur Demonstration am Rand mitgelaufen. Einreihen wollten sie sich nicht. Eine Sympathisantin verteilte 50 „Torgauer RotInfos“.
Für das KommTreff hat die DKP Torgau nun einen Beamer gekauft und lädt seit einigen Wochen regelmäßig zu Filmabenden ein, zum Beispiel zum achtjährigen Krieg im Donbass und den Kriegsverbrechen der Ukraine oder über die Nazi-Bataillone in der ukrainischen Armee. „Wir hoffen, dass wir künftig auch Montagsspaziergänger bei uns begrüßen können. Aber vor allem wollen wir die Torgauer selbst ansprechen und einladen.“ Viele der Spaziergänger kämen aus der Umgebung und nicht direkt aus dem Ort. Die Torgauer selber seien eher verunsichert über die Demonstrationen und wüssten nicht so recht damit umzugehen. „Wir wollen die Spaziergänger und auch die Torgauer, die sich die Kundgebung oft vom Rande aus ansehen, zum Nachdenken anregen, mit ihnen sprechen und sie nicht der AfD überlassen. Wir wollen natürlich auch, dass sie die DKP und unsere Positionen kennenlernen – als wirkliche Alternative“, erklärt Gerd Brucks.
Am kommenden Montag werden die beiden wieder mit ihrem Transparent zum Rathaus gehen – wir wünschen ihnen, dass sie bald nicht mehr alleine dort stehen, sondern Mitstreiter finden – auch für die DKP.
Wera Richter
Schmuddelkinder im BAIZ
Berliner Bündnis „Heizung, Brot und Frieden“ diskutierte über Sozialproteste
Am 8. November stellte sich das Berliner Bündnis „Heizung, Brot und Frieden“ im Berliner BAIZ vor. Mit etwa 50 Gästen diskutierten die Mitinitiatoren des Bündnisses Alexander King, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für „Die Linke“, der Aktivist und Journalist Marcus Staiger und Nastja Liedtke von „Aufstehen“.
Liedtke berichtete von den Anfängen, einem ersten Treffen im August, um eine breite linke Front für den „Heißen Herbst“ gegen die Regierungspolitik auf die Beine zu stellen – und gleichzeitig eine Alternative zur AfD und deren Demonstration am 8. Oktober zu bieten. Das Ergebnis war eine hastig organisierte, aber gut besuchte Kundgebung am 5. September vor der Zentrale von Bündnis 90/Die Grünen, gefolgt von einer Demonstration mit mehr als 1.500 Teilnehmern am 3. Oktober. Unterstützt wurde außerdem eine Aktion der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ vor dem DGB-Haus.
Alexander King antwortete etwas ernüchternd auf die Frage, welche Wirkungen die Berliner Demonstrationen von „Heizung, Brot und Frieden“ und anderen Bündnissen bislang hatten, dass der „Heiße Herbst“ noch nicht stattgefunden habe. Trotz der Achtungserfolge von „Heizung, Brot und Frieden“ seien die Veranstaltungen insgesamt mau besucht. Zu nennen sind die Demonstration „Solidarisch durch die Krise“ mit Unterstützung von ver.di und „Die Linke“ mit etwa 3.000 Teilnehmern und viele kleine Aktionen, die unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung blieben. Die AfD brachte demgegenüber 10.000 Menschen auf die Straße.
Auf die Frage, warum der Protest lokal so zersplittert sei, es verschiedene Bündnisse statt einheitlichen Handelns gebe, antwortete Marcus Staiger: Zum einen gebe es Unterschiede in den Forderungen. Das „Frieden“ im Bündnisnamen – also der Ruf nach Verhandlungen im Ukrainekrieg, nach einem Ende des Wirtschaftskrieges und der Kampf gegen die deutsche „Heimatfront“ – sei bei anderen Vereinigungen kaum bis gar nicht relevant. Der Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen und der sozialen Situation in Deutschland und dem Sanktionsregime des Westens gegen Russland werde oft verschleiert. Zum anderen gebe es das Bedürfnis, sich von „Heizung, Brot und Frieden“ abzugrenzen nach dem Motto „Spielt nicht mit den Schmuddelkindern“. Das Bündnis versuche die „normale“ und unpolitische Bevölkerung dort abzuholen, wo sie ist. Damit nehme es in Kauf, dass sich zum Beispiel auch Menschen anschlössen, die bisher gegen Corona-Maßnahmen auf die Straße gingen. Die außerparlamentarische Linke verliere den Kontakt zu „unten“ im Kampf gegen „oben“, wenn sie das Gespräch mit Arbeitern nur als eigene „Resozialisierungsmaßnahme“ begreife und sich dafür selber lobe, so Staiger.
Die Fragen von „Rechtsoffenheit“ und „linker Reinhaltungskultur“ waren schließlich auch das bestimmende Thema der Debatte im Podium und mit den Gästen der Veranstaltung. Die linksradikale Mär vom „gefährlichen Volk“, das immer den „einfachen“, also rechten Weg bei sozialem Unmut wählt, hatte hier wenig Platz. Wenn Linke Proteste für alle bieten – man denke an den Kampf gegen Hartz IV –, gibt es durchaus Unterstützung für ihre Positionen. Die Zeiten des Sich-Einrichtens in einer moralisch selbstgerechten Blase – „schon fast eine Neurose“ so ein Teilnehmer –, die sich vergewissere, dass sie auf der „richtigen Seite“ sei, scheinen vorbei. Der Kampf um die „unpolitischen“ Köpfe muss wieder geführt werden – nicht im Internet, sondern auf der Straße.
Tim Meier
Gepöbel gegen Friedenslosungen
Antifaschisten wurden auf „Umverteilen“-Demo des Platzes verwiesen
Am vergangenen Samstag kamen in Berlin knapp 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Demonstration des Bündnisses „Umverteilen“, einem Zusammenschluss von 50 Organisationen von Attac über „Vegans for Future“ bis zu „Wer hat, der gibt“. Schon im Vorfeld war klar, dass sich die Aktion zwar gegen die Preisexplosionen bei Energie und Lebensmitteln richten, aber Antworten auf die Frage nach den Ursachen nur ungern zulassen würde. Zwar wurde von der Bühne herunter das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr kritisiert, gleichzeitig aber mit krasser Putin-Beschimpfung und russophoben Beiträgen vehement die bellizistische Linie der Bundesregierung unterstützt. Kritik an der NATO oder dem Wirtschaftskrieg gegen Russland waren nicht zu hören.
Die DKP Berlin hatte sich dennoch dazu entschieden, mit dem Bündnis „Heizung, Brot und Frieden“ an der Auftaktkundgebung am Neptunbrunnen teilzunehmen, um für das Bündnis zu werben und die UZ zu verteilen. Die Wochenzeitung der DKP wurde von vielen Menschen, die an das ehrliche Anliegen der vermeintlich progressiven Demonstration glaubten, gerne angenommen.
Aber es gab auch andere Demonstranten, die schwarz vermummt als selbsternannte Ordnungsgruppe auftraten und Aktivisten der Donbass-Solidarität vom Platz vertreiben wollten. Mit einem Transparent erinnerten Letztere an das von ukrainischen Faschisten am 2. Mai 2014 im Gewerkschaftshaus von Odessa verübte Massaker. Das Gewerkschaftshaus war damals in Brand gesetzt worden, Flüchtende wurden beim Verlassen des Hauses mit Baseballschlägern verprügelt. Es gab mehr als 40 Tote. Die Bundesregierung versucht dieses Datum aus der Erinnerung zu tilgen, stand sie doch auch 2014 schon fest an der Seite der ukrainischen Faschisten.
Die selbsternannte Ordnergruppe erkannte in dem Transparent der Solidaritätsgruppe die Verbreitung russischer Propaganda. Mit den Worten „verpisst euch, ihr Schwurbler“ wurden die zumeist älteren Friedensaktivisten zum Verlassen der Demonstration aufgefordert. Auch die hinzugezogenen offiziellen Demo-Ordner meinten, es sei Konsens, dass das Transparent entfernt werden müsse. Von einer Korrektur dieser Position war bislang nichts zu vernehmen. „Umverteilen“ nimmt damit eine Ventilfunktion wahr: Dampf ablassen gegen den sozialen Kahlschlag, aber kein Wort gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Bundesregierung. Das dient letztlich der Stärkung der Heimatfront.
Stefan Natke