Der Hauptfeind steht links, ist die Meinung einiger Stadtverordneter in Cottbus, und Kommunisten sind in ihren Augen besonders böse Leute. Seit Dezember letzten Jahres wird massiv Stimmung gegen Linke gemacht. Dem war bereits die Förderung eines Jugendprojektes zum Opfer gefallen. Nun soll auch einem Elternvertreter die Berufung in den Jugendausschuss verweigert werden, weil er Mitglied der DKP ist.
Im Dezember wandte sich der ehemalige Linken-Landtagsabgeordnete Jürgen Maresch in einem recht wirren Brief an den Oberbürgermeister von Cottbus, welcher „Unsere Zeit“ vorliegt, und warnte vor dem „Verein für ein multikulturelles Europa“. Dieser Verein unterstütze „Linksextremisten“ von der Antifa und der Roten Hilfe, indem er auf seinem Internetauftritt auf deren Seiten verweise. Maresch forderte schließlich, die Stadt solle „die Unterstützung von Vereinen und Organisationen, die auf linksextremistische Organisationen und Vereine auch in ihren Homepages verweisen“, überprüfen bzw. gänzlich einzustellen.
In der Stadtverordnetenversammlung von Dezember hatte Maresch noch eins draufgelegt: Der Verein hatte auf seiner
auf linksextreme Ausrichtung“
Internetseite einen Verweis auf die Wochenzeitung „Jungle World“. Auf Wikipedia hatte Maresch gefunden, dass das Bundesfamilienministerium im Januar 2012 meinte, in dieser Zeitung würden „regelmäßig unter anderem Fragestellungen des linksextremistischen antideutschen Spektrums aufgegriffen“. Auch davon hätten sich demokratische Organisationen abzugrenzen. Dabei unterschlug Maresch allerdings, dass er 2011, als er noch für die Partei „Die Linke“ im Landtag saß, kein Problem mit dieser Zeitung hatte: Damals gab er ihr ein langes Interview, obwohl ihm hätte bekannt sein müssen, dass sie auch im Bericht des Brandenburger Verfassungsschutzes erwähnt wurde.
Nachdem allerdings der Leiter des Jugendamtes, André Schneider, Anfang Januar gegenüber der Lausitzer Rundschau sagte, dass bei dem Verein „keinerlei Hinweise auf linksextreme Ausrichtung gefunden wurde“, legte der CDU-Stadtverordnete Wolfgang Bialas nach. In einem Brief an den Oberbürgermeister und die Stadtverordneten, der ebenfalls der UZ vorliegt, warnte er ebenfalls vor dem Verein und behauptete: „Unter dem Dach des Vereins bzw. unter dem Dach Parzellenstr. 79 wurden und werden linksextremistische und auf Gewalt gegen den Rechtsstaat (z. B. gegen die Polizei) gerichtete Aktivitäten geplant, organisiert und nachbereitet.“ Der Grund für diese kühne Behauptung war, dass die Rote Hilfe in den Räumen des Vereins eine Solidaritätsparty gemacht hatte.
Bialas forderte dann die Stadtverwaltung auf, bei der Polizeidirektion Süd in Brandenburg entsprechende Auskünfte einzuholen. Dieser „Bitte“ kam die Stadtverwaltung auch nach. Auf Nachfrage bestätigte eine Sprecherin der Polizeidirektion Süd gegenüber dieser Zeitung, dass am 20. Januar die Anfrage einging und umgehend beantwortet wurde. Die Polizei konnte demnach keine Angaben über staatsfeindliche Ziele und Aktivitäten des Vereins machen. Auch der Brandenburger Verfassungsschutz konnte auf Anfrage gegenüber „Unsere Zeit“ keine Angaben dazu machen, dass die Rote Hilfe zu Gewalttaten gegen Polizisten oder Mitbürger aufruft oder diese legitimiert. In der Antwort hieß es lediglich, dass verfassungsfeindliches Handeln mit Gewaltanwendung einhergehen kann, dies aber nicht muss. Konkrete Fälle, welche die Rote Hilfe belasten könnten, wurden jedenfalls nicht genannt. Hinzu kommt, dass die Stadtverwaltung die Antwort bisher nicht an die Stadtverordneten weitergeleitet hat.
Der Druck, den Bialas und Maresch als Wortführer gegenüber dem Verein für ein multikulturelles Europa aufbauten, war letztendlich so groß, dass die Vertreter des Vereins – zumeist Schüler, Studenten und junge Arbeitende – überfordert waren, schließlich aufgaben und ihren Förderantrag zurückzogen.
Damit aber nicht genug: In seinem Brief warnte Bialas noch vor Bernd Müller, einem DKP-Mitglied aus Cottbus. Dieser war im November einstimmig zum Vorsitzenden des Kreisschulbeirates gewählt worden, einem Gremium, das sowohl die Interessen der Elternsprecher als auch die Vertreter der Lehrer und Schüler vertritt. Nach dem Brandenburger Schulgesetz sollte er dann zum Sachkundigen Bürger im zuständigen Bildungsausschuss der Stadt berufen werden, doch auf Druck von Bialas und anderen wurde die Berufung um mehrere Monate verschoben.
Nach Angaben eines Stadtverordneten, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sprach sich auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Werner Schaaf, gegen die Berufung aus, weil Bernd Müller von Beruf Journalist ist. Schaaf argumentierte demnach, dass Müller Dinge an die Öffentlichkeit bringen könnte, die in den – ohnehin öffentlichen – Versammlungen diskutiert werden.