Großkonzerne werden gerettet, Beschäftigte nicht

Wirkungslose Corona-Maßnahmen

Es ist eine Menge schiefgelaufen seit Ausbruch der Pandemie“, titelte jüngst der „Spiegel“ in seiner Zwischenbilanz nach sechs Monaten Corona. Zur Kernfrage, wer die Last der Krise trägt, schweigt sich das Magazin aus. Seit Ende September liegen alarmierende Zahlen vor: Der öffentliche Gesamthaushalt weist eine Verschuldung in Rekordhöhe von 2,1 Billionen Euro auf. Die Bundesregierung spricht selbst von der „schwersten Rezession der Nachkriegszeit“. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verringerte sich allein im zweiten Quartal um nahezu 10 Prozent, Export- und Importvolumen liegen um je 11 Prozent unter den Werten des Vorjahres. Die Zahl der Kurzarbeiter stieg auf 4,55 Millionen an, die Zahl der Arbeitslosen erhöhte sich im September auf 2,85 Millionen. Im August dieses Jahres weist die Statistik 5,77 Millionen Menschen auf, die auf Hartz-IV angewiesen sind. Trotz dieser Zahlen ist der regierungsamtliche Optimismus nicht zu überbieten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt auf das Prinzip Hoffnung: „Das Leben, wie wir es kannten, wird zurückkehren. Was für eine Freude wird das sein!“, verkündete sie in der Corona-Debatte des Bundestags am 30. September.

Wie in der Krise von 2008/09 verspricht sich die Regierung durch die Finanzspritzen des Staates für die Wirtschaft – seit März etwa 300 Milliarden Euro – eine „Wiederbelebung“ der Konjunktur. Mit den Prognosen für die nächsten Monate hat dies wenig zu tun. Die Mehrwertsteuersenkung um 3 Prozent bewirkte keine Steigerung des Warenabsatzes, der private Kaufkraftindex liegt weiter um zirka 25 Prozent unter dem des Vorjahres. Nachdem zum 30. September die Aussetzung der strafbewehrten Pflicht zur Insolvenzanmeldung verstrichen ist, wird für die kommenden Monate mit einem starken Anstieg der Firmen-Insolvenzanträge gerechnet.

Der Deutsche Mieterbund (DMB) geht für den Herbst von ernsten Zahlungsschwierigkeiten bei 20 Prozent der Mieter und einem weiteren Anstieg der Wohngeldanträge aus. Die „Caritas“ meldet für Ende September über 500.000 wohnungslose Menschen. Die Steuerreserven sind aufgebraucht, selbst das Finanzministerium rechnet für 2020 mit einem Steuerausfall von über 20 Milliarden Euro.

Die Gewinner der Krise stehen dagegen fest: Während tausende Kleinbetriebe vor dem Aus stehen, stiegen die Kursgewinne von „Amazon“ seit Jahresbeginn um über 80 Prozent. Profiteure sind auch die Anbieter von Luxusreisen – das Lifestylemagazin „Zizoo“ meldet für die vergangenen Monate einen Boom bei der Vermittlung von Jacht-Urlauben.

An einer zweistelligen Zahl von Großkonzernen, wie zum Beispiel der Lufthansa, beteiligt sich die Bundesregierung in Milliardenhöhe als staatlicher Anteilseigner – allerdings ohne Mitspracherecht. Über Arbeitsplatzgarantien sprach der Bund mit der Lufthansa ohnehin nicht. Die Lufthansa beabsichtigt nun, trotz der Finanzspritze von 9 Milliarden Euro 22.000 Stellen zu streichen, 11.000 davon in Deutschland. Dort, wo die dringendsten Gesundheits- und Lebensgefahren der Pandemie zu beseitigen sind, in Alten- und Pflegeheimen, lässt man sich Zeit. Seit sechs Monaten verspricht Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) für Beschäftigte, Besucher und Bewohner dieser Einrichtungen die Umsetzung systematischer Tests. Der Verordnungsentwurf von Ende September befindet sich in der Ressortabstimmung. Die Verabschiedung wird auf sich warten lassen.

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"Wirkungslose Corona-Maßnahmen", UZ vom 9. Oktober 2020



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