Opel ist wieder profitabel. Im Jahr 2018 macht der Autobauer Rekordgewinne, 850 Millionen Euro waren es im operativen Geschäft. Eine wundersame Auferstehung: Ende gut, alles gut – nur nicht für die Beschäftigten.
Seit Opel im Sommer 2017 vom französischen PSA-Konzern geschluckt wurde überschlagen sich die Ereignisse. Der Peugeot-Konzern verordnete Opel einen radikalen Sanierungskurs. Der sollte zwar ohne betriebsbedingte Kündigungen und Werkschließungen funktionieren, aber der neue Chef Carlos Tavares machte deutlich, dass nur Profit die Arbeitsplätze sichert.
Und so wurden mit dem Sanierungsprogramm „PACE“ im Jahr 2018 3 700 Stellen über Altersteilzeit, Vorruhestand und Abfindungen gestrichen, Hunderte Leiharbeiter wurden „abgemeldet“, ganze Fahrzeugprogramme wurden eingestampft und die Produktion heruntergefahren. Im Gegenzug verpflichtete sich Opel zu einem Kündigungsschutz für die verbliebenen Mitarbeiter bis 2023 und zu umfassenden Investitionen in Bestandsschutz und Beschäftigungssicherung an allen Standorten.
Der Widerstand gegen das Sanierungsprogramm war nicht existent. Beschäftigte, Betriebsrat und IG Metall hatten wohl die Hoffnung, dass sich damit der Sturm verzogen hätte.
Aber die nächste Angriffswelle ließ nicht lange auf sich warten. Die Ausbildung am Standort Rüsselsheim wurde 2018 nahezu halbiert, die ausgelernten Auszubildenden wurden nur befristet übernommen, das Werk in Rüsselsheim fährt bei sinkendem Absatz aktuell Kurzarbeit und soll in den unprofitablen Ein-Schicht-Betrieb heruntergefahren werden. Dem Opel-Entwicklungszentrum droht ein Teilverkauf an den französischen Entwicklungs-Dienstleister Segula.
Was bleibt für die Beschäftigten?
Die Einschätzung der Kollegen ist eindeutig: Hier wird an der Abwicklung von Opel als eigenständigem Unternehmen gearbeitet. Das aktuelle Vorgehen macht deutlich, dass es kein Interesse an dem Markennamen Opel und im Automobilmarkt auch keinen Platz gibt für diese eigenständige Marke. Wenn diese Pläne verwirklicht werden, bleibt Opel in der PSA-Gruppe neben ein paar Kompetenzzentren und der Verantwortung für leichte Nutzfahrzeuge nur noch das „Badge-Engineering“ übrig – also den Opel-Blitz an französische Fahrzeuge anzuschrauben. Die Strategie: knallharte Kostenreduzierung, Outsourcing an sogenannte „Best Cost Countries“ (BCC) und Billig-Dienstleister.
Gegen diese Zerschlagungspläne regte sich in den letzten Monaten nun erster zaghafter Widerstand. Mit Stellungnahmen und Flugblättern, Aktionen und Versammlungen zeigten die Beschäftigten ihren Unmut und ihre Angst. Betriebsrat und IG Metall hoffen aber weiter auf Verhandlungslösungen und wollen nicht durch zu drastische Aktionen das Tischtuch mit der Kapitalseite zerschneiden. Immer wieder klammern sich auch die Kollegen an Strohhalme und nutzen die Zeit nicht, um sich für echte Auseinandersetzungen zu wappnen. Dabei sollte inzwischen allen klar sein: Gegen einen Konzern wie PSA hilft nur gut organisierter, ausdauernder Widerstand. Das ist eine neue Lektion für viele Kollegen, denen IGM-Apparat und Betriebsrat bisher in schöner Stellvertretermanier die „Rundum-Sorglos-und-Stillhalte-Pakete“ serviert haben. Jetzt müssen die Kollegen lernen, sich selbst zu bewegen und dabei die gewerkschaftlichen Strukturen entwickeln, die gebraucht werden, um kämpfen zu können.
Ob sich die Abwicklungspläne noch aufhalten lassen ist fraglich. Aber noch haben die Opel-Kollegen nicht aufgegeben. Die Kampagne „Tarifverträge einhalten statt Segula“ nimmt jetzt Fahrt auf. Opel soll so zu den zugesagten Milliardeninvestitionen in die Standorte gezwungen werden.
Vernetzt statt isoliert und ausgeliefert
Auseinandersetzungen wie bei Opel sind kein Einzelfall. Wegen großer Überkapazitäten in der Automobilbranche stehen die Belegschaften auch bei VW und Ford unter Druck, auch andere Hersteller haben große Um- und Abbaupläne. In anderen Branchen wie der Chemieindustrie stehen die Zeichen auf Sturm. Wir müssen also lernen, uns zu wehren. Die entscheidende Lektion, die wir dafür von Opel mitnehmen können: Es braucht aktive, politische und selbstbewusste gewerkschaftliche Vertrauensleutestrukturen an der Basis, die auch unabhängig von sozialpartnerschaftlichen Betriebsräten und dem Standortdenken verhafteten Gewerkschaftsstukturen agieren können. Es braucht eine Vernetzung über die Betriebsgrenzen hinaus, damit wir als Beschäftigte nicht gegeneinander ausgespielt werden können. Wir brauchen internationale Kontakte, um beispielsweise gemeinsam mit den französischen PSA-Kollegen Aktivitäten zu entwickeln und so wirksamen Druck auf den Konzern ausüben zu können.
So etwas entwickelt sich nicht über Nacht. Höchste Zeit also, jetzt mit dieser Arbeit und Vernetzung anzufangen!