Zur angeblich neuen Afghanistan-Strategie der USA

„Wir werden angreifen“

Von Matin Baraki

Gab es tatsächlich eine neue US-Afghanistanstrategie, wie die Regierung in Washington angekündigt hat, oder war es eher Fake News, was US-Präsident Trump verbreitete? Wenn es eine neue Strategie gibt, worin besteht sie?

Im Vorfeld ihrer Verkündung haben die USA mit mehr als 8 000 Kilogramm Sprengstoff und elf Tonnen TNT-Äquivalent die größte nicht­atomare Bombe, die den Spitznamen „Mother of all bombs“ (MOAB) trug (eigentlich steht die Abkürzung für „Massive Ordnance Air Blast“), in Afghanistan eingesetzt. Der als „Mutter aller Bomben“ bezeichnete Sprengstoff wurde gegen 7.00 Uhr Ortszeit im Osten, in den Bergen von Tora Bora in der Provinz Nangrahar gezündet, wo die USA in den 80er Jahren für die Mujaheddin Höhlen gebaut hatten. US-Präsident Donald Trump sprach von einem „sehr, sehr erfolgreichen Einsatz“. Es wurde von 36 Toten gesprochen, nach Angaben lokaler Behörden wurden jedoch 94 Menschen zerfetzt. Der Präsident lobte die Aktion. „Wir sind sehr stolz auf unser Militär. Es war ein weiterer Erfolg.“ Dass er den Einsatz persönlich genehmigt hatte, bestätigte er jedoch nicht direkt. „Jeder weiß genau, was passiert. Also, ich autorisiere unser Militär. Wir haben ihnen volle Befugnis gegeben, und das ist es, was sie tun.“

Der russische Verteidigungspolitiker Franz Klinzewitsch äußerte, der Bombeneinsatz sei nicht nötig gewesen, denn in letzter Zeit habe sich nichts grundlegend an der Situation in Afghanistan geändert. Der Afghanistan-Experte Omar Nessar von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau sieht in dem Einsatz der riesigen US-Bombe eine Demonstration der Stärke gegenüber Russland. Washington wolle Russlands Einfluss in Afghanistan eindämmen, meinte er.

Das Vorgängermodell dieser Bombe war schon im Golfkrieg getestet worden. Da es Zweifel an dessen militärischem Nutzen gab, wurde die weiterentwickelte Version dann am Hindukusch getestet. Seitdem der Krieg gegen Afghanistan am 7. Oktober 2001 begonnen wurde, ist das Land am Hindukusch zum Testgelände für die neuesten Waffen der NATO-Länder degradiert. Die deutschen gepanzerten Fahrzeuge Fuchs bzw. Marder (die Innentemperatur stieg auf 80 Grad), der Nachfolger des französischen Kampfflugzeugs „ Mirage“ und die US-Kampfdrohnen wurden alle in Afghanistan eingesetzt, getestet und für den Einsatz unter klimatisch ähnlichen Bedingungen weiterentwickelt.

Im ganzen Jahr 2016 hatte die US-Luftwaffe 1 337 Bomben auf Afghanistan abgeworfen. Bis Ende Oktober 2017 waren es schon 3 554, und Ende 2017 etwa drei mal so viele Bomben wie 2016. Nach Angaben der UNO stieg in den ersten neun Monaten 2017 die Zahl der durch US-Luftangriffe getöteten Zivilisten im Vergleich zu 2016 um 52 Prozent. Da die UNO nicht die Möglichkeit hat, die Opferzahl außerhalb der größeren Städten zu registrieren, muss davon ausgegangen werden, dass weitaus mehr Menschen getötet worden sind.

Während des Wahlkampfes hatte Donald Trump angekündigt, die Auslandseinsätze des US-Militärs schnell zu beenden. Als Präsident hat er aber den Krieg verschärft. Bei seiner groß angekündigten Rede zur „neuen Afghanistan-Strategie“ vor Soldaten im Stützpunkt Fort Myer in Virginia verkündete er martialisch, was er in Afghanistan vorhat: „Wir werden angreifen.“ Er will den Kampf gegen den unter der Bezeichnung Taliban und Islamischer Staat (IS) subsumierten Widerstand ausweiten. Ziel sei es nun, den Krieg in Afghanistan zu gewinnen, verkündete der Präsident. Dazu werde er aber keine Abzugstermine und auch keine genaue Truppenstärke nennen, „um dem Feind keine Informationen zu geben“. Es wurde von einer Aufstockung der Truppen um 3 900 Soldaten gesprochen. Auch der Einsatz privater Söldner statt regulärer Soldaten wurde in Erwägung gezogen, damit Zinksärge aus Afghanistan die Zweifel der US-Bürger am Sinn des Krieges nicht noch mehr verstärken.

Auch andere NATO-Mitglieder sollen auf einen stärkeren Einsatz verpflichtet werden. Insgesamt haben 15 NATO-Länder ein zusätzliches Engagement in Aussicht gestellt. Deutschland ist nach den Vereinigten Staaten und Italien größter Truppensteller. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plant eine deutliche Ausweitung des Bundeswehreinsatzes. Die Zahl der Bundeswehrsoldaten im Rahmen der NATO-Ausbildungsmission „Resolute Support“ soll von 980 auf bis zu 1 300 erhöht werden. Nach Angaben von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird die Zahl der NATO-Soldaten zur Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte im kommenden Jahr auf rund 16 000 steigen. Dies entspricht mehr als 3 000 zusätzlichen Kräften. Zu bedenken ist dabei, dass die NATO in den Hochphasen des Krieges bis zu 150 000 Soldaten in Afghanistan im Einsatz hatten und nicht in der Lage war, den Widerstand in die Knie zu zwingen. Im Gegenteil. Mehr als 16 Jahre nach dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 sind die Islamisten stärker denn je. Sie kontrollieren 45 der 398 Distrikte des Landes völlig, 117 Distrikte sind zwischen Taliban und Regierungstruppen schwer umkämpft. Beobachter sprechen von einer Patt-Situation. Wie US-Präsident Trump nun mit 16 000 Soldaten den Krieg gewinnen will, bleibt sein Geheimnis. Bei einem Treffen in Kabul mit US-Außenminister Michael Pompeo sagte der afghanische Präsident Ashraf Ghani: „Die neue Afghanistanstrategie der USA, die Präsident Donald Trump im vergangenen August vorgestellt hatte, funktioniert. Die USA haben ihre Truppen aufgestockt und ihre Luft- und Bodenoffensiven vor allem gegen die Taliban drastisch verschärft.“ Diese Eskalation des Krieges ist nicht neu, geschweige denn eine „neue Strategie“.

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"„Wir werden angreifen“", UZ vom 31. August 2018



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