Esther Bejarano, Überlebende der KZ Auschwitz und Ravensbrück, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees und Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschist*innen, kämpferische Antifaschistin, Kameradin und Genossin, ist in der Nacht zum 10.07.2021 im Alter von 96 Jahren friedlich eingeschlafen.
Zuletzt saß sie am 8. Mai auf der kleinen Bühne der VVN-BdA im Hamburger Gängeviertel und erzählte von ihrer Befreiung am 3. Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee und der US-Armee, die kurz nacheinander in der kleinen Stadt Lübsz eintrafen. Dort hatte Esther mit einigen Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück Unterschlupf gefunden, nachdem sie gemeinsam dem Todesmarsch entflohen waren.
Wenige Tage zuvor, am 3. Mai, den sie ihren zweiten Geburtstag nannte, hat Esther sich noch mit einer Video-Botschaft zum Tag der Befreiung an uns alle gewendet. Darin bezog sie noch einmal deutlich Stellung zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Stadt Hamburg und im ganzen Land – kämpferisch, klar und stark. Besonders erinnern wollen wir an den bewegenden „Appell an die Jugend“, den sie zusammen mit Peter Gingold zum 50. Geburtstag der VVN an die jungen Menschen in Deutschland richtete.
Im Januar 2020 hatte Esther mit dem Auschwitz-Komitee einen offenen Brief an die Regierenden geschrieben. Zwei der Forderungen aus dem Brief sind: „Ich fordere, dass die Diffamierung von Menschen und Organisationen aufhört, die entschlossen gegen rechts handeln. Was ist gemeinnütziger als Antifaschismus? Niemand sollte für antifaschistisches Handeln, für gemeinsame Aktionen gegen den Hass, gegen alte und neue Nazis diskreditiert und verfolgt werden.“ Und: „Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“
Wir haben Esther aber auch auf den großen Bühnen in Erinnerung, auf den Veranstaltungen der Friedensbewegung, den Demonstrationen gegen den Neofaschismus, den Gedenktagen an den antifaschistischen Kampf.
Es ist Esther schwergefallen, nach Deutschland zurückzukehren. 1945 war sie mit großen Hoffnungen nach Palästina ausgewandert, aber die Entwicklung in Israel veranlasste sie 1960 mit ihrem Mann, dem Kommunisten Nissim, nach Hamburg, ihre neue Wahlheimat, zu ziehen.
Sie wollte sich eigentlich politisch zurückhalten. Dann aber musste sie 1978 erleben, wie direkt vor ihrer kleinen Boutique ein NPD-Stand von der Polizei geschützt und die antifaschistischen Gegendemonstranten verdrängt wurden. „Erst da habe ich mich verändert“ sagte sie einige Jahre später.
Sie wurde in der VVN-BdA aktiv, berichtete Jugendlichen über ihre Erlebnisse im „Dritten Reich“ und begann, bei öffentlichen Veranstaltungen jiddische Lieder und Lieder aus dem Widerstand zu singen.
Ob allein mit ihrem Akkordeon, mit ihrer ersten Gruppe „Siebenschön“, mit ihren Kindern Edna und Joram in der Gruppe „Coincidence“ oder in den letzten Jahren mit der Rap-Band „Microphone Mafia“ und mit Konstantin Wecker auch auf dem UZ-Pressefest, dem Volksfest der DKP: Esther begeisterte durch ihre Authentizität und ihre Kraft. Bis zuletzt kämpfte sie gegen die wachsende Rechtsentwicklung, Rassismus und Antisemitismus, vermittelte uns dabei Mut und Optimismus. Wir werden sie vermissen im gemeinsamen Kampf, sie ist nicht zu ersetzen.
Deutsche Kommunistische Partei
11.07.2021