Wer „Dienst leistet“, vermittelt demjenigen, der diese Leistung entgegennimmt, leicht den Eindruck, er oder sie ordne sich bereitwillig unter, sei eben vor allem „dienend“ unterwegs und nicht selbstbewusst fordernd. Solche Missverständnisse können teuer werden für die, die ja tatsächlich dienstbereit sind: Krankenschwestern, Müllfahrer, Verkäuferinnen, Versicherungs- und Bankangestellte und alle anderen, die in der „Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft“ für ihre Rechte streiten und zuweilen auch streiken.
Die große Kompromissbereitschaft, die ver.di in den letzten Kämpfen am Ende gezeigt hat, ist ernüchternd. Viel Beifall gab es für die Dienstleistenden während der Corona-Jahre, aber die als Ausgleich wortreich verkündeten großzügigen Sonderausschüttungen vor allem im Gesundheitswesen erwiesen sich als Trostpflaster. Noch dazu eines, das noch nicht einmal alle bekamen, die es bitter verdient hätten.
Nach den Corona-Jahren kam der Krieg. Die Reihenfolge stimmt nicht ganz – sie gehört zu den „Erzählungen“, die mehr und mehr die Analyse der politischen Lage ersetzen. Der Krieg, für den wir jetzt die Gürtel enger schnallen sollen, begann nicht 2022, sondern schon 2014. Er begann mit dem vom Westen bejubelten Wegputschen einer gewählten Regierung durch die Scharfschützen auf dem Maidan. Er begann mit der militärischen Unterdrückung aller Autonomiebemühungen der Russisch sprechenden Teile der Ukraine.
Die Kriegstrommeln, die die Sirenen der Corona-Zeit ablösten, sollen „uns“ eins machen mit denen da oben. Als – kriegsbedingt, weil das günstige russische Gas auf einmal vergiftet schien – die Preise zu galoppieren begannen, sollten wir uns als treue Sozialpartner zeigen: Einmalprämie gegen die Inflation statt ordentlicher tabellenwirksamer Reallohnsteigerung. Wer die Lohnabrechnung der letzten Jahre neben die Nebenkostenabrechnung der Wohnung oder die gesammelten Tankquittungen legt, wird feststellen: Die Schere öffnet sich. Sie wird sich weiter öffnen, weil die Inflationsausgleichsprämien in die bitter nötigen künftigen Lohnsteigerungen nicht einfließen. Sie sind ausgegeben und futsch.
Das Ergebnis lautet: Sozialpartnerschaft ist teuer. Vor allem aber: Sie ist verlogen. Denn die da oben werden nicht gram im Gesicht, wenn sie ihre Bilanzen neben ihre Ausgaben für unsere Löhne legen. Ihre Interessen sind nicht unsere. Ob in den Corona-Jahren oder jetzt im Krieg gegen Russland – ihre Gewinne sprudeln und sie haben es im Windschatten der Inflationsgewöhnung vermocht, Preise noch schneller zu steigern als die Ausgaben für Rohstoffe und Zwischenprodukte. Unsere Geldbörsen werden dünner, ihre Konten dicker. Was Warren Buffett bezogen auf sein Land sagte, stimmt auch hier: „Wenn in Amerika ein Klassenkrieg tobt, ist meine Klasse dabei, ihn zu gewinnen.“
Es liegt an uns, ihn und seinesgleichen eines Besseren zu belehren. Das wird schwer. Wer sich nicht mehr mit Partnerschaftsgesäusel das wohlver„diente“ Geld aus der Tasche ziehen lassen will, wird sich Putinist, Kommunist, bald wohl auch „Chinese“ schimpfen lassen müssen. Das kann uns am Hintern vorbeigehen – es wird hohe Zeit, selbstbewusst zu sagen: Ja, wir sind eine andere Klasse als Ihr da oben, und wir werden kämpfen. Die Zeit der Sozialpartnerschaft, die uns Millionen Menschen, die arbeiten, Milliarden Euro gekostet hat, ist vorbei. Wir können auch Klassenkampf. Das rechnet sich und tut uns gut.