Wir sind die Guten

Klaus Wagener über Imperialismuslegenden

Donald Trump ist für die deutschen Geostrategen Fluch und Segen zugleich. Der US-Präsident hatte nichts anderes formuliert als die entscheidende Maxime des Imperiums: America First!

Für die europäischen Bourgeoisien, die nach dem II. Weltkrieg aus Angst vor dem Sozialismus unter den atomaren „Schutz“ des US-Militärs geflohen waren, ging die Ära des preisgünstigen, allerdings einflusslosen Profitmachens zu Ende. Das Imperium hat den Nachkriegsdeal aufgekündigt. Wenn man schon – auf Pump – eine globale, Billionen-teure Kriegsmaschine finanziere, wolle man doch bitte schön auch die entsprechenden Profite einsacken. Die europäischen Vasallen mögen doch bitte für sich selber sorgen. America first!

Den Weiterdenkenden unter den Vasallen war diese Wendung seit längerem klar. Was fehlte war der passende Spin, mit dem sich der eigene Griff nach der Macht und die entsprechende Hochrüstung plausibel machen ließ. Nun ist er gefunden. Der finstere Russe steht wieder vor der Tür und ein egozentrisch-erratischer Donald Trump lässt uns im Stich. Nationaler Populismus und Wirtschaftsprotektionismus allerorten. Die freiheitlich liberale Ordnung wird nur noch von wenigen Aufrechten verteidigt. Wir gehören nicht nur dazu. Nein, wir sind geradezu die Speerspitze des freiheitsliebenden, liberalen, christlichen Abendlandes. Europe United. Wir sind die Guten.

Nach zwei gescheiterten Versuchen sich zur Weltmacht empor zu morden, hatte sich der bluttriefende deutsche Imperialismus aufs Geldschneiden verlegt. Aber nun stehen deutsche Landser wieder am Hindukusch und in Afrika. Die deutsche Marine kreuzt im Pazifik und deutsche Panzer stehen im Baltikum, näher an den russischen Zentren als im Juni 1941. Diesmal nicht als Rassisten, sondern in der Maskerade der Guten.

Als die letzten großdeutschen Lebensraum-Eroberer gestorben waren, begrub das zur europäischen Vormacht wiedervereinigte Deutschland seinen biologischen Rassismus unter den tausenden Tonnen Beton des Holocaust-Mahnmals. Eine grandiose Inszenierung. Die neue Legende: Bomben auf Belgrad, eine Rettungsaktion. Vor dem serbischen Hufeisenplan, vor der Rampe von Srebrenica. Die Bundeswehr verteidigt Deutschland am Hindukusch, in Mali, vor den Spratly-Inseln oder im Baltikum. Wir verteidigen die Freiheit, die Liberalität, die Demokratie, Menschen- wie Frauenrechte, die Rechte von Lesben und Schwulen. Niemand – außer vielleicht Briten und US-Amerikaner – hat so viele Menschen umgebracht wie wir … aber wir sind die Guten.

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"Wir sind die Guten", UZ vom 30. November 2018



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