Über Versuche, die Friedensbewegung zu vereinnahmen

Wir sagen Nein!

Friedrich Merz hat die Linie ausgegeben und eine der wohl größten Koalitionen geht sie mit. Wer jetzt noch auf die Rolle der NATO hinweist, wer gegen Sanktionspolitik und das größte Hochrüstungspaket ist, der wird als Teil russischer Netzwerke diffamiert. Im Aufruf von „Fridays for Future“ fehlt jegliche Kritik am Hochrüstungsprogramm, dafür werden „entschlossene Maßnahmen“ und „Schluss mit Öl, Gas und Kohle aus Russland“ gefordert. Daimler-Benz und VW verzichten auf Profit, Rewe, Penny, Aldi und Netto sagen „Kauft nicht beim Russen“ und nehmen russische Waren aus dem Sortiment.

Natürlich ist es Quatsch, Kriege gegeneinander aufzurechnen, und trotzdem muss man feststellen, dass die Kriege gegen Jugoslawien, gegen Libyen, gegen Afghanistan offensichtlich gute Kriege waren – zumindest unterblieben ähnliche Reaktionen.

In kürzester Zeit ist eine NATO-Besoffenheit ausgebrochen, haben sich Hunderttausende, vielleicht Millionen zu Fans von Hochrüstung und Sanktionen entwickelt. Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine, den Volksrepubliken, in Russland, die Opfer von Krieg und Sanktionen sind, die vor den Kriegshandlungen flüchten. Aber wir sagen Nein, wenn diese Solidarität umgedreht werden soll zu einer Solidarität mit der Regierung der Ukraine, die seit über acht Jahren die Menschen im Donbass mit Krieg terrorisiert, der bereits 14.000 Menschenleben gekostet hat. Über diesen Krieg wurde medial geschwiegen. Geschwiegen wurde darüber, dass für diesen Krieg eine faschistische Miliz als „Asow-Regiment“ in die reguläre Armee der Ukraine integriert wurde.

Wir sagen Nein zum Krieg – die Waffen müssen schweigen. Wir sagen, dass dieser Krieg der traurige Beweis dafür ist, dass ein System der kollektiven Sicherheit in Europa den Kurs der NATO-Osterweiterung ablösen muss. Wir sagen Nein, wenn SPD, Grüne, FDP und CDU, in dieser Frage auch sekundiert von der AfD, diese Situation ausnutzen wollen, um den Rüstungshaushalt Deutschlands dauerhaft größer zu machen als den der Russischen Föderation und zusätzlich 100 Milliarden Euro außerhalb des Haushalts zur Verfügung zu stellen. Wir sagen weiter Nein zu Atomwaffen auf deutschem Boden und zur Bewaffnung der Bundeswehr mit Kampfdrohnen.

Sportliche und kulturelle Beziehungen werden gekappt, damit werden mögliche Türen der Völkerverständigung zugeschlagen und selbst einzelne Künstlerinnen und Künstler werden rausgeschmissen, also arbeitsrechtlich sanktioniert, wenn sie sich nicht öffentlich von Putin distanzieren.

Die eingangs erwähnte Leitlinie des ideologischen Kampfes von Friedrich Merz zeigt Wirkung. Die Friedensbewegung soll integriert werden. Das Entsetzen über den unerwarteten Angriff Russlands soll den Frieden mit Hochrüstung und deutschem Großmachtstreben in die Friedensbewegung tragen. Da stört auch die DKP. Stimmen werden laut, uns aus örtlichen Friedensbündnissen auszuschließen. Oft kommen sie von Mitgliedern von Parteien, die 1999 die deutsche Beteiligung am Jugoslawienkrieg möglich machten. Manchmal von Kräften, die ihren früheren Antisowjetismus zur Russophobie weiterentwickelt haben. Das ist alles widerlich, aber angesichts der medialen Hetze nicht völlig verwunderlich.

Wir sagen: Wir waren, wir sind, wir bleiben Teil der Friedensbewegung. Wer allerdings im Bundestag das Hochrüstungspaket und den neuen deutschen Großmachtanspruch mitträgt, der stellt sich auf die Seite der weiteren Eskalation. Die war tatsächlich lange nicht so gefährlich wie heute.

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"Wir sagen Nein!", UZ vom 11. März 2022



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