Nach dem Palästina-Kongress wurde in Berlin ein Solidaritätscamp gewaltsam aufgelöst. Nun stehen der 8. und 9. Mai vor der Tür. UZ sprach mit Sven George über die Situation in Berlin und die Arbeit der DKP in der Hauptstadt. Er ist Mitglied des Berliner Landesvorstandes der DKP und kandidiert für seine Partei zur EU-Wahl.
UZ: Nach dem Palästina-Kongress wurde in Berlin am 26. April auch ein Soli-Camp für Palästina verboten und geräumt. Recht wird außer Kraft gesetzt. Wie ist die Stimmung in Berlin?
Sven George: Die solidarischen Gruppen lassen sich nicht einschüchtern. Im Gegenteil, wir rücken enger zusammen. Man ist sich einig, dass man sich den laufenden Angriffen auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit nur gemeinsam entgegenstellen kann. Die Aktionen der Polizei sorgen für eine bessere Vernetzung und Kommunikation untereinander, ob Palästinenser, Israelis, wir als Kommunisten, Migrantenstrukturen oder die Friedensbewegung.
Aber natürlich bereitet uns das rechts- und verfassungswidrige Vorgehen der Berliner Polizei Sorgen. Seit einigen Jahren wird die Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Volk kriminalisiert. Die Stürmung des Kongresses und brutale Auflösung des Protestcamps stehen am Ende einer Kette von politisch motivierter Polizeigewalt.
UZ: Trotzdem ist es nicht gelungen, die Solidaritätsbewegung auf der Straße mundtot zu machen …
Sven George: Im Oktober und November vergangenen Jahres hatte die Polizei Nordneukölln quasi besetzt und jede Solidaritätsbekundung unterbunden. Wochenlang wurde jedwede Versammlung verboten und angegriffen. Nur dem Druck der Bewegung ist es zu verdanken, dass die Polizei diese Taktik nicht durchhalten konnte. Jetzt geht sie dazu über, Veranstaltungen und Versammlungen, die legal und legitim sind, über das Berliner Polizeigesetz zu zerschlagen. Argumentiert wird dabei immer mit in der Zukunft vielleicht zu erwartenden Straftaten. Taten, die von der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft als solche deklariert werden. Stützende Gerichtsurteile gibt es dazu nicht.
UZ: Du kandidierst für die DKP für die EU-Wahl. Schwerpunkte in eurem Wahlkampf sind die Verteidigung der Meinungsfreiheit, aber auch die Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Wie sind die Reaktionen?
Sven George: Bisher sehr positiv. Für mein Kandidatenvideo wurde ich auf offener Straße angesprochen. In Berlin heißt das was. Aber auch sonst entnehme ich Reaktionen und Anfragen an die DKP Berlin, dass wir als verlässlicher Bündnispartner mit klaren und einheitlichen Positionen wahrgenommen werden. Zum Völkermord in Gaza und der Situation in der Region wurde ich zum Beispiel nach dem Ostermarsch zum Plenum der Berliner Friedenskoordination für ein einleitendes Referat eingeladen.
UZ: Ihr sammelt auch neue Erfahrungen in der Arbeit mit „sozialen Medien“. Was macht ihr und was funktioniert besonders gut?
Sven George: Als Berliner Landesorganisation haben wir natürlich den Vor- und Nachteil, dass alle Weltpolitik konkret vor unserer Haustür stattfindet. Seit Anfang des Jahres haben wir begonnen, unsere Social-Media-Kanäle koordinierter anzugehen. Mit einer Arbeitsgruppe zur Online-Arbeit haben wir uns von Accounts der Parteigruppen verabschiedet und arbeiten berlinweit zusammen und bedienen nun Instagram, X, TikTok und Facebook. Noch haben wir es nicht geschafft, alle Berliner Gruppen einzubeziehen. Es zeigt sich aber, dass dieser Ansatz funktioniert. Während einige Mitglieder auf einer Aktion sind und Fotos und Videos erstellen, sitzen andere Mitglieder der Arbeitsgruppe am Rechner, um das Material aufzubereiten und live einzustellen. Während des rechtswidrigen und gewaltsamen Vorgehens der Polizei gegen den Palästina-Kongress haben wir so insgesamt über 150.000 Accounts erreicht.
UZ: Am 8./9. Mai finden in Berlin die Feierlichkeiten zum Tag der Befreiung und zum Tag des Sieges statt. Sie waren in den vergangenen Jahren von Einschränkungen wie dem Verbot der Sowjetfahne überschattet. Wie stellt sich die Situation in diesem Jahr dar?
Sven George: Wir sind weiter auf ein Verbot sowjetischer Fahnen vorbereitet. Unsere Klagen gegen diese absurden Maßnahmen aus den Jahren 2022 und 2023 sind bisher nicht verhandelt. Ein kleiner Hoffnungsschimmer sind die vergangenen Demonstrationen der Friedensbewegung, wo keine russlandbezogenen Auflagen erteilt wurden. Sicher können wir uns aber auf keinen Fall sein. Über Auflagen oder Allgemeinverfügungen werden wir ja erst kurz vorher oder sogar erst vor Ort informiert. Eine juristische Gegenwehr wird damit unmöglich gemacht. Die Polizei hebelt auch hier das Versammlungsrecht durch das Polizeigesetz aus. Recht scheint in Berlin gerade wenig zu zählen.
UZ: Was ist für dich an diesem 8. und 9. Mai besonders wichtig?
Sven George: Die Biografie Che Guevaras ist für mich ein wichtiger Zugang zum Kommunismus. Eine Aussage, die mich sehr in meinem Denken geprägt hat, war in etwa: „Ein echter Revolutionär empfindet das Leiden aller Menschen auf der Welt.“ Dieser Gedanke ist für mich auch heute enorm wichtig. Wer als Antifaschist den 8. und 9. Mai begeht, sollte sich darüber im Klaren sein, dass Antifaschismus heute heißt, alles dafür zu tun, dem militaristischen Kurs der deutschen Bourgeoisie einen Strich durch die Rechnung machen. Wir müssen in breiten Bündnissen über inhaltliche Differenzen hinweg gemeinsam Gegenwehr für Frieden leisten. Es muss uns vor allem darum gehen, diese Fragen in der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften zu diskutieren. Wenn dieser Regierungskurs so weitergeht, werden Generationen von Arbeitern das ausbaden müssen.
UZ: Was plant die DKP Berlin am 8. und 9. Mai?
Sven George: Mit unseren DKP-Gruppen beteiligen wir uns mit Blumen- und Kranzniederlegungen an den Gedenkveranstaltungen auf allen größeren Friedhöfen und an Mahnmalen. Wir unterstützen außerdem das zentrale Gedenken der Friedenskoordination Berlin, legen als Landesorganisation gemeinsam einen Kranz im Treptower Park nieder und werden am 8. Mai ab 18 Uhr eine Kundgebung am Bersarinplatz in Friedrichshain abhalten. Als Kommunisten feiern wir selbstverständlich auch den Tag des Sieges über den deutschen Faschismus. Mit einer Dauerkundgebung am Sowjetischen Ehrenmahl im Treptower Park werden wir der leidvollen Verdienste aller sowjetischen Völker gedenken – und ihnen danken für die Befreiung von Faschismus und Krieg.