Wir dokumentieren die Rede von Norbert Birkwald (VVN-BdA Hessen), gehalten auf dem Ostermarsch in Frankfurt am Main am 21. April in voller Länge. Für bessere Lesbarkeit haben wir die Rede bearbeitet.
Wir marschieren zu Ostern – zu allen Zeiten.
- Wir fordern Frieden, wenn Krieg vorbereitet wird.
- Wir fordern Gerechtigkeit, wo Unrecht herrscht.
- Wir sind gemeinsam laut, denn alleine schweigen macht einsam.
Im April 1945 schworen die befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald: „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“
„Nie wieder“ heißt:
- Keine Macht jenen Konzernen, die Krieg und Faschismus finanzierten und davon profitierten.
- Kein Platz für Antisemitismus, Rassismus, Faschismus – nicht im Parlament, nicht in der Mitte der Gesellschaft. Keine Querfront. Faschismus ist und bleibt ein Verbrechen.
- Eine Weltordnung, die sich durch Diplomatie, gegenseitiges Verständnis und friedliche Konfliktlösung unter strikten Regeln des Völkerrechts auszeichnet.
Das ist eine wertebasierte Ordnung!
Einer der befreiten Häftlinge von Buchenwald war Emil Carlebach, Frankfurter, Kommunist, Journalist, Mitbegründer der VVN.
Keine Straße, keine Schule ist nach ihm benannt.
Er sagte 1945 angesichts der Frankfurter Trümmerlandschaft: „Nein, Tränen hatte ich nicht in den Augen – die hatten mir KZ und SS abgewöhnt. Aber das Herz krampfte sich doch zusammen: Was würde die Zukunft bringen?“
Für ihn war klar: „Anpacken. Aufräumen. Ausmisten. Materiell, personell und ideologisch; ein neues Deutschland schaffen, das nichts, aber auch gar nichts mit jener Republik von Weimar gemein haben dürfte, auf deren Boden die faschistische Pest ausgebrütet wurde.“
Es schien möglich:
Die Anti-Hitler-Koalition – USA, Großbritannien, Sowjetunion – skizzierte eine friedliche Nachkriegsordnung.
Die UNO wurde gegründet – als Antwort auf den Völkerbund, als Garant für Frieden.
In Hessen wurde dieser Wille 1946 Verfassungswirklichkeit:
- Friedensgebot
- Gemeineigentum statt Monopole
- Ächtung des Krieges.
Diese Werte werden heute verraten. Verraten durch die hessische Landesregierung:
- Rüstungsforschung an Hochschulen
- Offiziere in Klassenzimmern
- Friedensstimmen werden diffamiert und kriminalisiert.
Sie brechen die Verfassung.
Wir halten sie hoch!
1945 bildeten sich in Frankfurt Antifaschistische Ausschüsse. Sie beseitigten Trümmer, organisierten die Müllabfuhr, verteilten Wohnraum, kümmerten sich um Ärzte, kurz und gut, sie erweckten diese von den Nazis zerstörte Stadt zum Leben.
Doch der antifaschistische Konsens hielt nicht. Deutschland wurde gespalten. Die KPD wurde verboten. Alte Nazis kehrten in öffentliche Ämter zurück. Die Adenauer-Regierung setzte die Wiederbewaffnung durch. Die Bundesrepublik wurde Mitglied der NATO.
So entstanden die Ostermärsche.
Immer dabei waren diejenigen, die anpacken, aufräumen, ausmisten wollten: sie hatten meine Organisation, die VVN, geschaffen.
Anfang der 1980er Jahre entstand eine bisher nie dagewesene Bewegung gegen die Stationierung von US-Raketen.
Über 10.000 Unterschriften sammelte allein die Frankfurter Antifaschistin Etty Gingold unter den Krefelder Appell.
Trotzdem beschloss der Deutsche Bundestag die Stationierung der Raketen.
Nach Etty und Peter Gingold ist bis heute kein Platz, keine Straße benannt.
Und wir marschierten zu Ostern! Heute wie damals: gegen die Stationierung von Raketen, die eine Bedrohung für uns und unsere Nachbarn darstellen.
Endlich, 1987 beschlossen Reagan und Gorbatschow die Verschrottung der in Europa stationierten Atomraketen.
Und wir marschierten zu Ostern!
1994 kehrte der Krieg nach Europa zurück – durch die NATO, nach Jugoslawien.
Und wir marschierten zu Ostern!
1999 legitimierte Joschka Fischer den Bundeswehreinsatz in Kosovo mit den Worten, Auschwitz sei unvergleichbar. Wieder standen deutsche Soldaten im Osten.
Und wir marschierten zu Ostern.
Wir sagen: Nein: Nie wieder Krieg – schon gar nicht mit deutscher Beteiligung!
Wir marschieren – Ostern für Ostern.
Immer wieder hören wir dieselben Lügen:
- Die Kriegstreiber wollen angeblich Frieden.
- Die Friedensbewegung sei von Putin gesteuert.
- Die AfD missbraucht unsere Friedenstaube – um Verwirrung zu stiften.
- Die Friedensbewegung wird bezichtigt, nach Rechts offen zu sein.
Georgi Dimitroff warnte schon 1935: „Faschismus tarnt sich als Anti-Kapitalismus – aber verrät die Massen.“
Diese Propaganda verfängt auch heute:
- Die einen sinnieren über die Legitimität von Kriegseinsätzen oder die Friedensfähigkeit der NATO,
- die anderen wagen nicht, hinter Friedensfahnen zu laufen, sie könnten ja der AfD gehören.
Kriegspropaganda wirkt!
Es bleibt dabei: Eine Welt des Friedens und der Freiheit ist möglich.
Wir lassen nicht nach: die Stationierung neuer Raketen muss verhindert werden.
Jugendverbände sagen Nein zur Wehrpflicht – wir stehen hinter euch!
Friedensfahnen zeigen wir auch am 1. Mai:
- Aufrüstung ist keine tragfähige Industriepolitik,
- Aufrüstung ist keine taugliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.
An diesem 1. Mai rufen wir auch in Erinnerung: Vor 50 Jahren endete der Krieg der USA gegen Vietnam.
Auch gegen diesen Krieg marschierten wir zu Ostern. Denn die Friedensbewegung ist internationalistisch.
Am 8. Mai feiern wir 80 Jahre Befreiung – und zwar als Auftrag!
Eine Welt ohne Krieg ist möglich – wenn wir sie erkämpfen.
Gemeinsam. Laut. Unnachgiebig. Krankenhäuser statt Raketen! Schulen statt Panzer!
Bis der Schwur von Buchenwald endlich Wirklichkeit ist!
Bis dahin marschieren wir, Ostern für Ostern.
Norbert Birkwald ist Kassierer der VVN-BdA Hessen