UZ: Der „Focus“ meldete am Freitag, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die „Rote Hilfe“ verbieten will. Der Autor der Meldung ist Josef Hufelschulte. Er war 2005 in den „Journalistenskandal“ verstrickt und soll unter dem Decknamen „Jerez“ für den Bundesnachrichtendienst Kolleginnen und Kollegen bespitzelt haben. Wie ernst nimmt die „Rote Hilfe“ diese Meldung?
Henning von Stoltzenberg: Wir nehmen die Meldung ernst, ohne in Panik zu verfallen. In manchen Berichten ist davon die Rede, dass es Seehofer selbst formuliert hätte, in anderen heißt es, aus seinem Umfeld seien betreffende Verlautbarungen gekommen. Daher sind wir wachsam. Im Fall eines Verbotsverfahrens würden wir uns selbstverständlich juristisch und politisch zur Wehr setzen.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass Journalisten wie Josef Hufelschulte solche Meldungen verbreiten. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass es die Postille „Junge Freiheit“ war, die diese Meldung als erste aufgegriffen hat. Sie ist dafür bekannt, gegen die „Rote Hilfe“ zu hetzen. Wir sehen solche verbalen Angriffe als Teil des aktuellen Rechtsrucks. Es ist die Aufgabe der gesamten gesellschaftlichen Linken, die die „Rote Hilfe“ repräsentiert, dagegenzuhalten.
UZ: Wir haben beim Bundesinnenministerium (BMI) eine Anfrage gestellt und die gleiche Antwort bekommen wie alle anderen Medien: „Zu etwaigen Verbotsüberlegungen äußert sich das BMI generell nicht, unabhängig davon, ob hierzu im Einzelfall überhaupt Anlass besteht.“ Was hältst du von so einer Aussage?
Henning von Stoltzenberg: Wir haben diese Meldung auch nur den Medien entnehmen können und keine anderen Hinweise auf ein bevorstehendes Verbotsverfahren. Es ist die gängige Formulierung des BMI zu sagen, etwaige Verfahren würden nicht kommentiert.
Allerdings ist es schon komisch, dass ein Bundesinnenminister so etwas gesagt haben soll und gleichzeitig sein Ministerium mitteilt, dass es keine Auskunft gibt. Das kommt mir etwas widersprüchlich vor. Da bin ich gespannt, wie das zustande gekommen ist.
Trotzdem kann man sich fragen, auf welcher Grundlage die „Rote Hilfe“ verboten werden soll. Unsere Arbeit ist legitim. Wir beraten Aktivistinnen und Aktivisten, wir besorgen ihnen bei Bedarf Anwältinnen und Anwälte und wir unterstützen finanziell. Wir sind parteiisch links, aber wenn wir zur Aussageverweigerung raten, dann ist das genau das, was jede gute Anwältin und jeder gute Anwalt auch tun würde. Wenn man von den üblichen Vorurteilen und Anschuldigungen absieht, bleibt da nicht viel übrig.
UZ: Der „Roten Hilfe“ droht nicht zum ersten Mal das Verbot. Wie kommt das?
Henning von Stoltzenberg: Die „Rote Hilfe“ ist die größte Solidaritätsorganisation und in der Lage, Aktivistinnen und Aktivisten effektiv zu unterstützen. Wir sind gegen den Grundrechteabbau und gegen die neuen Polizeigesetze. Im Wahlkampf ist es rechten und konservativen Kreisen nur recht und billig, gegen Links zu schießen. Vor allem dann, wenn damit vom eigenen politischen Misserfolg oder einem Skandal in einer Behörde abgelenkt werden soll. Das ist letzten Sommer passiert, als behauptet wurde, man müsse prüfen, ob es möglich sei, unseren strömungsübergreifenden Solidaritätsverein zu verbieten. Daraus ist bis jetzt nichts geworden.
Die „Rote Hilfe“ wurde in ihrer Geschichte nur einmal verboten und zwar von den Nazis. Ich glaube nicht, dass sich konservative Kräfte in diese Tradition stellen wollen. Wir sind politisch unbequem, aber unsere Arbeit ist völlig rechtens. Wir setzen sie fort und lassen uns von diesen Drohungen nicht beeindrucken.
UZ: Hufelschulte driftet in seiner Meldung ins Absurde ab und schreibt, die „Rote Hilfe“ „unterstützt linksradikale Straftäter juristisch und finanziell. Als Gegenleistung dürfen die Delinquenten keine Aussagen bei der Polizei machen und müssen sich verpflichten, auch nach verbüßter Strafhaft den ‚revolutionären Straßenkampf‘ fortzusetzen“. Kannst du das richtigstellen?
Henning von Stoltzenberg: Ehrlich gesagt, haben wir darüber herzlich gelacht. Es ist natürlich völliger Unsinn und aus der Luft gegriffen.
Richtig ist, dass wir – auch Nicht-Mitgliedern – raten, die Aussage zu verweigern. Es gibt eine Unschuldsvermutung. Repressionsorgane müssen beweisen, dass eine vermeintliche Straftat begangen wurde und nicht umgekehrt. Aktivistinnen und Aktivisten müssen nicht ihre Unschuld beweisen.
Wir sind dafür, dass man politische Aktionen reflektiert und manchmal feststellt, dass manche nicht wiederholt werden sollten. Aber für solche Überlegungen ist der Gerichtssaal nicht der richtige Ort. Dort soll die Legitimität von politischen linken Aktionen in Abrede gestellt werden und da sollten wir nicht noch selber mitwirken.
Ansonsten ist niemand bei uns zu irgend etwas verpflichtet. Wir versuchen, Hilfestellung zu leisten und Solidarität zu organisieren, damit Menschen nicht individualisiert und am Ende finanziell ruiniert werden durch etwaige Strafen. Wir wollen verhindern, dass Menschen daran gehindert werden, politisch aktiv zu sein, weil sie Angst vor Repressionen haben müssen. Wer auf Demonstrationen geht, weiß, dass Polizeigewalt gegen linke Aktivistinnen und Aktivisten leider Alltag ist.