Zum Stuttgart-21-Loch

Wir hatten recht!

Lange war über das angebliche Bahnprojekt „Stuttgart 21“ (S21) in überregionalen Medien nichts mehr zu hören. In der Region leiden vor allem Pendlerinnen und Pendler täglich unter den Baustellen, die das „neue Herz Europas“ (alter Werbeslogan) seit Jahren in ein großes Loch verwandelten.

Das Verwaltungsgericht in der baden-württembergischen Landeshauptstadt hat nun vor wenigen Tagen in erster Instanz entschieden, dass die Mehrkosten des Projekts die Bahn allein tragen muss.

Erstmalig vorgestellt wurde das Projekt zur „Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart“ vor 30 Jahren. Im November 1995 unterzeichneten Bund, Land, Stadt und DB-Konzern einen Rahmenvertrag zur Finanzierung in einem Volumen von 5 Milliarden DM. Von Anfang an gehörten zur Finanzierung windige Konstrukte: Die Bahn verkaufte etwa freigewordene Bahnanlagen an die Stadt, die die Filetstücke in Innenstadtlage an Investoren weiterverkaufte. Angeblich sollte das Projekt damit kostenneutral zu haben sein. Die Grundstücke sind allerdings weg. Darauf steht jetzt ein zusätzliches Einkaufszentrum mit 7.000 Parkplätzen in der Innenstadt.

Seit damals gibt es auch das regelmäßige Versprechen von Kosten, die angeblich nicht überstiegen würden, gefolgt von ebenso regelmäßigen Eingeständnissen höherer Kosten. 2009 wurde etwa eine „Sollbruchstelle“ von 4,5 Milliarden Euro verkündet. Das war ein Jahr vor dem Baustart. Wenig später wurden Kosten von 6,5 Milliarden Euro kalkuliert, über deren Aufteilung die „Projektpartner“ uneinig sind. 2016 verklagte die Bahn Land, Region und Stadt Stuttgart sowie den Flughafen Stuttgart auf Übernahme der Projektkosten. Das jetzt gesprochene Urteil brauchte also acht Jahre. Die Bahn gibt die Projektkosten inzwischen mit 11,5 Milliarden Euro an.

Die Stuttgarter DKP schätzte 2013 S21 als Projekt des gesamten Monopolkapitals ein. „Mehrere Interessen decken und ergänzen sich und neue verlockende Verwertungsbedingungen für überschüssiges Kapital mit staatlicher Gewinngarantie werden geboten.“

Hervorgebracht hat das teilweise gewalttätige Durchdrücken des neoliberalen Stadtumbaus auch einen Widerstand mit extrem langem Atem. Frühzeitig hatten Kritiker auf die Kostenrisiken hingewiesen und lagen damit richtig. Auch bei vielen anderen Punkten zeichnet sich ab, dass sie recht hatten. Bleibt zu hoffen, dass die Befürchtungen, S21 würde im Brandfall zur Todesfalle, nie eintreffen. Bisher zahlen wir alle nur mit Geld.

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Über den Autor

Björn Blach, geboren 1976, ist als freier Mitarbeiter seit 2019 für die Rubrik Theorie und Geschichte zuständig. Er gehörte 1997 zu den Absolventen der ersten, zwei-wöchigen Grundlagenschulung der DKP nach der Konterrevolution. In der Bundesgeschäftsführung der SDAJ leitete er die Bildungsarbeit. 2015 wurde er zum Bezirksvorsitzenden der DKP in Baden-Württemberg gewählt.

Hauptberuflich arbeitet er als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe.

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"Wir hatten recht!", UZ vom 17. Mai 2024



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