48 Tage haben die Kolleginnen und Kollegen bei Halberg Guss in Leipzig gestreikt. Der bisherige Eigentümer Prevent wollte ursprünglich den Standort schließen und in Saarbrücken Arbeitsplätze abbauen, hat die Werke aber zwischenzeitlich an die AVIR Guss Holding GmbH verkauft. Der Verkauf ist rechtskräftig, auch wenn Prevent am vergangenen Freitag vom Kauf zurücktreten wollte, da VW die Kaufsumme durch einen Pfändungsbeschluss einfrieren ließ.
Die UZ sprach mit Bernd Kruppa, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig, über den Arbeitskampf der Kolleginnen und Kollegen in Leipzig.
UZ: IG Metall hat den Verkaufsprozess der Neue Halberg Guss an „One Square Advisors“ begrüßt. Welche Chancen siehst du nun für die Beschäftigten und die Standorte in Leipzig und Saarbrücken?
Bernd Kruppa: Ich sehe sehr gute Chancen. Klar war ja, dass der exklusive Kundenkreis von General Motors über Deutz bis hin zu den VW-Töchtern Scania und MAN mit dem Alteigentümer nicht mehr klar kam. Sie hatten erklärt, dass sie unter den Bedingungen ständig verhängter Lieferstopps und teilweise Preiserhöhungen um das Zehnfache sich eine Substitution in der deutschen oder europäischen Zuliefererwelt suchen würden. Wir sind durch den Erwerb von Prevent in Leipzig und Saarbrücken zwischen die Mühlesteine geraten.
Die Prevent-Gruppe hatte von Anfang an auf Spaltung gesetzt. Leipzig sollte geschlossen werden, im Laufe des Konflikts hatten sie geäußert, das sollte bereits im März geschehen, in Saarbrücken hingegen gehe es „nur“ um den Abbau von 300 Arbeitsplätzen. Auf dem Wege wollten sie die Belegschaften in den Werken gegeneinander ausspielen.
UZ: Wie habt ihr auf die Spaltungsversuche reagiert?
Bernd Kruppa: Da haben wir uns dazwischengelegt. Die IG Metall hat den härtesten Arbeitskampf geführt, den es nach der „Wende“ im Osten gab, zusammen mit den Kollegen im Westen. Wir haben uns nicht spalten lassen. Wir haben alle Aktionen und Streikmaßnahmen in den vergangenen Wochen und Monaten immer gemeinsam abgestimmt, das ist schon eine ganze Menge.
UZ: Wie geht es nun weiter mit „One Square Advisors“?
Bernd Kruppa: Ich sehe insofern nun gute Chancen, auch wenn es sich bei „One Square Advisors“ um einen Finanzinvestor handelt. Er setzt darauf – und diese Signale haben wir –, dass mit ehemaligen Kunden die Lieferverträge weiterbestehen, dass genügend Tonnage zusammenkommt, so dass wir die Arbeitsplätze erhalten können. Wir können natürlich aus heutiger Sicht noch nicht sagen, dass jeder einzelne Arbeitsplatz erhalten bleibt, aber ich sehe es jetzt erst einmal aus Leipziger Perspektive, dass die Standortschließung vom Tisch ist. Die Mitarbeiter mussten erst einmal den Betriebsübergang erklären, das Angebot hat jeder Kollege erhalten.
Die Finanzinvestoren werden sich jetzt natürlich erst einmal jede Schraube angucken und welchen Restrukturierungsbedarf sie sehen – so schön heißt das ja bei ihnen, aber wir haben erst einmal das Wertevernichtungsprogramm vom Tisch. Es war ja eine Perversion, eine ganze Belegschaft, 2 000 Leute als Geiseln zu nehmen, dann gerichtliche Auseinandersetzungen zu führen und den Streik kriminalisieren will, uns mit Schadenersatzforderungen überzieht und auch einzelne Kollegen angeht. Sie haben sich auch mit PR-Beratern und ganzen Rechtsanwaltskanzleien beraten.
UZ: Welche vorläufige Bilanz eures Kampfes kannst du jetzt erst einmal ziehen?
Bernd Kruppa: Es ist für uns und strategisch für die ganze Region ein wichtiges Signal, dass wir „im Osten“ einen langen Streik durchführen können – das waren ja fast 50 Tage. Es war ein Signal an andere Belegschaften zu erkennen, dass unter kapitalistischen Bedingungen nichts sicher ist, dass man gut organisiert sein muss, diszipliniert sein muss und – das ist kein Schlagwort – motiviert sein muss. Und man muss Geschlossenheit an den Tag legen.
Auch die Ost-West-Dimension dieses Kampfes war für die IG Metall nicht unwesentlich. Und für die IG Metall als Organisation: Wir haben nicht gekuscht vor dem „Who is who“ der LKW-Welt, auch nicht vor dem VW-Konzern, nicht vor Iveco und den anderen.
Die hatten ja die Folgen zu tragen. Streik muss ja immer ökonomischen Druck erzeugen, und das haben wir in der gesamten deutschen Lieferkette so hingekriegt, dass wir die ökonomische Wirkung hatten.
Das hat letztendlich dazu geführt, dass es die politische Schlichtung gab. Die war zwar nicht erfolgreich, aber wenn man sich noch einmal vor Augen führt, dass wir anfänglich zum Thema Sozialtarifvertrag gestreikt haben, dass wir am Ende aber die Standortschließung verhindern konnten – das ist das, was historisch bleibt – und das ist einmalig.