Durch Russland-Sanktionen und Ölpreisverfall haben sich die deutschen Exporte nach Russland halbiert. 2016 wurde die Phase rückläufiger Ausfuhren aber durchschritten, mit 0,3 Prozent Minus auf Jahressicht. Laut Umfrage unter in Russland aktiven deutschen Unternehmen erwarten 63 Prozent 2017 steigende Umsätze. Es zahle sich aus, so DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier, „dass Politik und Wirtschaft trotz Sanktionsregimes die Gesprächskanäle immer offengehalten haben“. Der deutsch-russische Handel beträgt das Zehnfache des USA-Russland-Handels. Entsprechend größer war der Schaden durch die Sanktionen. Trotzdem beugte sich das deutsche Monopolkapital dem „Primat der Politik“ und ordnete sein kurzfristiges ökonomisches Interesse der politischen Strategie des deutschen Imperialismus, wie sie 2013 in der Studie „Neue Macht – neue Verantwortung“ artikuliert wurde, unter.
Diese Strategie war noch nicht gesetzt, als die Ostseepipeline Nord Stream gebaut wurde und 2011 mit zwei Röhren in Betrieb ging. An der Betreibergesellschaft hält Gazprom 51 Prozent, Wintershall und EON je 15,5 Prozent, je 9 Prozent Gasunie und ENGIE. Das von Putin und Schröder geförderte Projekt liefert Gas an Deutschland und die EU. Es umgeht die wegen politischer Konflikte unzuverlässigen Trassen durch Polen, das Baltikum, Tschechien, die Slowakei, Weißrussland und die Ukraine. Deutsche und westeuropäische Energiekonzerne stärken durch die Kooperation mit Gazprom ihre Monopolstellungen. EON und Wintershall sind an russischen Gasfeldern beteiligt. Polen, die Ukraine und andere Länder sehen die Kooperation als einen feindlichen Akt, der ihre Transitgebühren schmälert und ihnen ein Druckmittel nimmt. Die USA unterstützen diese Vorbehalte. In der EU ist die Ostseepipeline umstritten.
Im Zuge der Ostexpansion von NATO und EU, die 2014 den Ukrainekonflikt forcierten, eskalierte die Konfrontation mit Russland. Seither wird das Land regelmäßig mit Sanktionen „bestraft“. Aus Russland kommt ein Drittel der EU-Gasimporte. Die USA bieten durch Fracking gewonnenes Flüssiggas als Alternative an. Die EU-Kommission drängt auf weitere Diversifizierung. Davon unbeeindruckt begann der Bau zweier zusätzlicher Röhren der Ostseepipeline. Anteilseigner der Projektgesellschaft Nord Stream 2 ist nur noch Gazprom. ENGIE, Shell, die österreichische OMV, Wintershall und Uniper wollen aber die Hälfte der Baukosten finanzieren. Genau dagegen hat der US-Senat am 15. Juni 2017 ein mächtiges Geschütz aufgefahren. Republikaner und Demokraten beschlossen gegen nur zwei Stimmen neue Iran- und Russland-Sanktionen, denen das Repräsentantenhaus noch zustimmen muss. Danach drohen deutschen und europäischen Unternehmen auf dem US-Markt Strafen, wenn sie sich an Vorhaben wie Nord Stream 2 beteiligen oder diese finanzieren.
BRD-Außenminister Gabriel und Österreichs Kanzler Kern protestierten gegen „völkerrechtswidrige, extraterritoriale Sanktionen“. Der Absatz von nordamerikanischem Flüssiggas lasse sich so nicht ankurbeln. Der CDU/CSU-Wirtschaftsflügel und die Kanzlerin sahen das genauso. Dagegen warf der notorisch russophobe CDU-Scharfmacher Röttgen Gabriel vor, sich im Ton vergriffen zu haben. Die SPD verkomme zur Gazprom-Lobbyistin. Noch vor Kurzem bejubelten US-Medien, die den Demokraten nahestehen, die „Bierzeltrede“ Angela Merkels, in der sie klagte, dass die „Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, ein Stück weit vorbei“ seien und „wir Europäer“ unser Schicksal „wirklich in unsere eigene Hand nehmen“ müssten. Darunter verstehen die US-Demokraten offenbar etwas anderes als Merkel, die Nord Stream 2 als „rein wirtschaftliches Projekt“ herunterspielt. Bleibt das US-Repräsentantenhaus hart und steigen die westeuropäischen Konzerne aus der Nord-Stream-2-Finanzierung aus, stehen laut russischen Medien chinesische Investoren bereit.