Parteivorstand beriet über den Ausgang der Bundestagswahlen und die Ergebnisse der DKP – nicht nur in Bezug auf Wählerstimmen

Wir brauchen eine stärkere DKP

Am vergangenen Wochenende, am 2. und 3. Oktober, diskutierte der Parteivorstand der DKP in Essen über den Ausgang der Bundestagswahlen und das Abschneiden der Kommunistischen Partei. Wir dokumentieren im Folgenden Auszüge aus dem Referat des Vorsitzenden der DKP, Patrik Köbele. Außerdem finden sich auf dieser Seite erste Hinweise und Überlegungen zu den Wahlen von Hans Bauer, der als parteiloser Kommunist mit DDR-Vergangenheit für die DKP kandidiert hat, und dem Kommunalpolitiker und langjährigen Ratsherrn in Bottrop, Michael Gerber. Melina Deymann fasst die Stimmen aus den DKP-Bezirken zusammen, die auf der Tagung des Parteivorstandes in einem „BlitzlichtW“ zusammengetragen wurden.

In einer ersten Erklärung nach den Bundestagswahlen hatten wir formuliert: „Die Ergebnisse der Bundestagswahlen werden zu Verhandlungen zwischen SPD, CDU, Grünen und FDP führen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Große Koalition nicht fortgeführt, alle anderen Konstellationen aus dem Lager dieser vier Parteien sind denkbar.“

Alle diese Konstellationen stehen für eine Bundesregierung der wachsenden Aggression nach Innen und Außen. Alle diese Parteien haben sich in unterschiedlichen Nuancen für den NATO-Kriegskurs und die Militarisierung der EU, für den Kurs gegen Russland und die VR China ausgesprochen. Alle diese Parteien stehen für scharfe Angriffe auf die demokratischen und sozialen Rechte der Menschen in diesem Land. Diese Angriffe werden sich verschärfen. Offen sind die Begründungen – die einen werden die Angriffe mehr, die anderen weniger mit der Rettung der Umwelt verklären. Über ein Konzept zur tatsächlichen Verbesserung der ökologischen Situation verfügen sie alle nicht, da sie nicht in die kapitalistische Profitmacherei oder gar die Eigentumsverhältnisse eingreifen wollen.

Die Perspektive für die Arbeiter- und Friedensbewegung wird nach diesen Bundestagswahlen weiter heißen: „Lasst uns den Weg des Widerstands gehen.“ Leider ist diese Erkenntnis weder in der Arbeiterklasse noch in den restlichen Teilen der Bevölkerung verankert.

Die Jamampel

Nun wird über Jamaika oder Ampel verhandelt, mancher Gewerkschafter hofft auf einen guten Ausgang, wenn nur die FDP nicht mitregiert. Wir sind dagegen sicher, dass es keinen Grund gibt, „auf kleinere Übel“ zu hoffen. Die Differenzen sind so klein, dass sie das Wesen nicht verändern. Natürlich haben wir die Frage diskutiert, ob die SPD empfindlicher für gewerkschaftlichen Druck ist. Solange es diesen nicht gibt, wird wohl eher ihre Funktion im Vordergrund stehen, gewerkschaftlichen Widerstand einzubinden und zu befrieden, bevor er genügend Relevanz erreicht hat. Letztere Erfahrung hat ja dazu geführt, dass die herrschende Klasse eine SPD/Grüne-Regierung installierte, als es darum ging, den ersten Angriffskrieg des deutschen Imperialismus nach 1945, der damals gegen Jugoslawien erfolgte, und mit den Agenda-Gesetzen den schärfsten Angriff auf Lage und Bewusstsein der Arbeiterklasse in der BRD durchzusetzen.
Die Unterschiede der vermutlichen Regierungskoalition entweder aus SPD, Grünen und FDP oder CDU, Grünen und FDP werden im Umgang mit innerimperialistischen Widersprüchen liegen. Wir erleben dies gerade mit dem Konflikt um das neue antichinesische Bündnis AUKUS. Es werden Konflikte zwischen den sogenannten „Transatlantikern“ und den sogenannten „Europäern“ sein, also zwischen der Kapitalfraktion, die die Interessen des deutschen Imperialismus vorwiegend als Juniorpartner des US-Imperialismus vertreten sieht, und der Fraktion, die bereits heute ein stärkeres Gewicht auf die EU unter deutscher Führung legt.

Auch bei den sozialen Angriffen wird es kaum Unterschiede geben. Der bereits laufende Kahlschlag wird mit der Begründung der Corona-Kosten, der Schuldenbremse und vor allem mit der Instrumentalisierung des Klimawandels noch massiver und dramatischer werden, weitere Millionen werden verarmen, eine neue Welle der Privatisierung wird kommen. Läuft es auf eine SPD-geführte Regierung hinaus, wird das Ganze sicher mit kleinsten Trostpflästerchen garniert werden, die weniger Substanz haben, als sie der weiteren Einbindung gewerkschaftlicher Meinungsführer in die Illusion der Sozialpartnerschaft dienen.

Weitere Rechtsentwicklung

Natürlich ist es gut, dass CDU/CSU und AfD massiv Stimmen verloren haben, trotzdem ist das kein Stoppen einer Rechtsentwicklung, sondern eher ein Umgruppieren der Kräfte, die den weiteren reaktionären Staatsumbau durchsetzen sollen. Bei der AfD darf man dabei auch nicht vergessen, dass die bundesweiten Verluste davon begleitet sind, dass sie in den Bundesländern Thüringen und Sachsen zur stärksten Partei geworden ist.

Eine Weiterführung der Angriffe auf die demokratischen Rechte ist zu erwarten, vielleicht wechseln die Begründungen. Hier liegt die Gefahr in der Forderung nach einem Klimanotstand. Unter den Bedingungen einer konsolidierten Macht der herrschenden Kapitalistenklasse werden sich Notstandsregime immer gegen die Werktätigen richten, so sehr sie objektiv begründet erscheinen. Hier haben wir die Pflicht, jungen Menschen zu vermitteln, dass angesichts der Geschichte der Notstandsgesetze in unserem Land der Notstand eine besondere Bedeutung hat als Instrument der Herrschenden und als Waffe gegen die Beherrschten.

Ich bin mir in diesem Zusammenhang sicher, dass für die kommenden Jahre von der Politik nichts außer Scheinradikalität und losgelösten Einzelmaßnahmen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu erwarten sind. Ein Plan zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen scheitert daran, dass die Politik weder gewillt ist, die ungerechten Verhältnisse der Ökonomie im Weltmaßstab anzutasten, noch in die kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse tatsächlich einzugreifen.

Zum Abschneiden der Linkspartei hatten wir in unserer ersten Erklärung festgehalten: „Das Abschneiden der Linkspartei ist bitter und kein Grund zur Häme oder gar Freude. Aber dieses Abschneiden ist das Ergebnis eines Wahlkampfes, in dem „Die Linke“ deutlich gemacht hat, dass sie bereit ist, für das Mitregieren alles über Bord zu werfen. Die Erfahrung mit der Linkspartei dort, wo sie sich an Regierungen beteiligt, zeigt, dass sie sich kaum noch von der traditionellen Sozialdemokratie unterscheidet.“ Zu diesem Zeitpunkt war noch gar nicht klar, wie knapp das Ganze wurde. Drei Direktmandate, zwei in Berlin, eins in Leipzig, sichern der Linkspartei den Einzug in den Bundestag mit 4,9 Prozent und knapp in Fraktionsstärke. Die Auseinandersetzungen in der Linkspartei werden sich verschärfen und die Kräfte, die für Anbiederung an SPD und Grüne stehen und die bereit sind, dafür Grundsätze über Bord zu werfen, sind in den Gremien der Linkspartei in der Mehrheit.

DKP im Wahlkampf

Wenn ich im Folgenden von unserem Wahlkampf spreche, meine ich nicht nur die letzten Wochen, sondern die Zeit seit Aufstellung der Landeslisten und Einzelkandidaturen und damit auch die Sammlung der Unterschriften. Zum Wahlergebnis: Die 4.000 Stimmen mehr, die wir errungen haben, sind gut, dennoch ist das Stimmergebnis unbefriedigend. Wir sollten da nichts schönreden. Der Zugewinn an Stimmen erklärt sich wesentlich durch die zusätzliche Kandidatur in drei Bundesländern. Das wiederum haben wir erreicht, weil wir durchgesetzt hatten, dass die Zahl der notwendigen Unterstützungsunterschriften wegen der Maßnahmen gegen Corona reduziert wurde.

Wir müssen überlegen, wie wir sicherstellen, dass die DKP flächendeckend antritt. Unser „Flickenteppich“ tut uns nicht gut, weder politisch noch organisationspolitisch. Es gibt große Gebiete, in denen man die DKP weder erleben noch unsere Losungen sehen oder gar mit unseren ausführlicheren Inhalten in Berührung kommen kann – wenn man nicht online unterwegs ist.

Aber unsere Losungen und Inhalte sind und waren richtig und wichtig. Besonders in der Friedensfrage waren sie ein Alleinstellungsmerkmal. Ohne unsere Kandidatur hätte es die zentrale Losung „Für Frieden mit Russland und China – raus aus der NATO“ nicht gegeben. Es ist den Herrschenden im Zusammenspiel mit den bürgerlichen Parteien, den Medien und leider auch der Linkspartei gelungen, die Friedensfrage als irrelevant darzustellen und sie aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Da waren wir einsame Rufer in der Wüste. Unsere Losungen haben leider den Vorteil, dass wir sie ohne Änderung weiter benutzen können und müssen. Klug, aber gar nicht geplant: auf unseren Plakaten haben wir keinen direkten Bezug zu Wahlterminen.

Nicht zufriedenstellend

Ich muss allerdings mit Blick auf das Stimmergebnis zugeben, dass ich mir noch nicht erklären kann, wieso die großen Verluste bei der Partei „Die Linke“ und bei der MLPD zu keiner relevanten Erhöhung der Anzahl unserer Stimmen führen. In manchen Regionen haben wir Stimmen verloren, obwohl dort ein aktiver und guter Wahlkampf geführt wurde, wir sogar das Gefühl hatten, dass der Zuspruch für uns gar nicht so schlecht ist. Das gilt auch für die beiden Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Wir müssen untersuchen, warum Wählerinnen und Wähler der Linkspartei in alle Richtungen abwandern, aber nicht zu uns. Dabei darf es nicht um opportunistisches Schielen auf Stimmen gehen. Wir brauchen eine klare Analyse, ob es uns gelingt, unsere Inhalte zu transportieren und, wenn ja, warum sie nicht größer dazu animieren, uns auch zu wählen. Wir brauchen eine kritische Debatte, ob wir nicht zu wenig auf Direktkandidaturen orientiert haben. Dafür brauchen wir noch die Auswertung, ob es einen einheitlichen Zusammenhang zwischen Direktkandidaturen und Ergebnis gibt.

Bei aller kritischen Auswertung unserer Stimmergebnisse sollten wir nicht vergessen, dass unsere Zielsetzung für den Wahlkampf nicht auf das eigentliche Stimmergebnis fokussiert war.

In der Beschlussfassung zum Wahlkampf hatten wir formuliert: „Wir konzentrieren uns im Wahlkampf auf die Nutzung unseres politischen Eingreifens zur organisationspolitischen Stärkung der DKP.“ Wir hatten formuliert, dass wir eine planmäßigere Herangehensweise der Gruppen erreichen wollen und dass die Leitungen der Partei dabei helfen sollen. Wir wollten um die Stärkung der Verankerung der DKP in der Arbeiterklasse und um unsere Stärkung im Osten der Republik ringen.

Stärkung der Partei erreicht

Ohne beim Schreiben dieses Referats bereits detaillierte Zahlen zu haben, bin ich mir sicher, dass wir vielerorts neue Mitglieder und Aktive gewonnen haben. Ich bin mir sicher, dass es mit einem aktiven Wahlkampf gelungen ist, unser Umfeld zu vergrößern. Ich bin mir sicher, unser Wahlantritt hat unsere Bekanntheit erhöht, auch dank des Angriffs gegen unsere Partei. Unsere Medienpräsenz war höher, unsere Arbeit in den sozialen Medien intensiver. Unser Wahlspot wurde bei Instagram und YouTube – Stand vergangenen Mittwoch – 16.369 Mal aufgerufen, solche Zahlen erreichen wir sonst nie. Der Wahlspot bekam ungeheuer viel Zuspruch, vor allem, weil wir eben nicht auf das Kreuzchen für uns, sondern auf den Weg des Widerstands der Menschen orientiert haben. Bis heute erreichen uns täglich fünf bis acht Anfragen auf Mitgliedschaft, solch eine Intensität hatten wir noch nie.

Meiner Meinung nach haben wir mit der UZ die bislang beste Begleitung eines Wahlkampfs in den letzten Jahrzehnten erreicht. Besonders hervorheben möchte ich die Landesseiten und die Arbeit mit den Kandidatinnen und Kandidaten. Das hat sich auch auf die Arbeit der Partei mit der UZ im Wahlkampf ausgewirkt. Besonders in Sachsen und Brandenburg wurde die UZ als Massenmaterial genutzt und brachte so tausende Menschen in Kontakt mit unserer Zeitung. Besonders hervorheben möchte ich dabei auch die Ausgaben und Sonderausgaben während der Zeit des Kampfes gegen das „kalte Verbot“ und die große Hilfe der UZ-Redaktion bei der Organisation von nationaler und internationaler Solidarität gegen diesen Angriff.

Unserem Ziel, der Verankerung in den östlichen Bundesländern, sind wir näher gekommen. Ich bin mir weiter sicher, dass wir in Berlin, in Brandenburg, in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen unsere Partei gestärkt und unsere Ausstrahlung erhöht haben. All das hätten wir ohne unseren Wahlantritt, ohne den engagierten Wahlkampf, den unsere Genossinnen und Genossen geführt haben, nicht geschafft.

Ich meine deshalb, dass unser Antritt richtig und wichtig war. Diese Frage muss jetzt aber in den Leitungskollektiven, in den Gruppen der Partei diskutiert werden, denn auch hier hilft nur die kollektive Weisheit.

Der Klassenkampf geht weiter

Wenn wir über Wahlen reden, dürfen wir keinesfalls den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in Berlin vergessen. Mit der inhaltlichen Problematik, also dem Widerspruch, ob es um ein Abkaufen oder eine tatsächliche Enteignung geht, hatte die Berliner Landesorganisation sich beschäftigt und meines Erachtens eine differenzierte Herangehensweise entwickelt, aber natürlich aufgerufen, mit Ja zu stimmen.

Die Ergebnisse des Volksentscheids sind beeindruckend. Drei Viertel der 2,4 Millionen Stimmberechtigten haben mit Ja gestimmt – das sind 56,4 Prozent oder eine Million Menschen. Man darf sicher sein, dass es diesen nicht um Feinheiten einer möglichen Entschädigung, sondern tatsächlich um die Enteignung ging. Man kann ebenfalls sicher sein, dass es viele Großstädte gibt, in denen die Abstimmung ähnlich ausgehen würde. Wir müssen das als Aufforderung nehmen, massiv das zu tun, was Marx und Engels den Kommunistinnen und Kommunisten bereits im Kommunistischen Manifest empfohlen haben: Immer und überall die Eigentumsfrage zu stellen.

Die politische Perspektive, die Perspektive des Klassenkampfs deutet nicht auf einen einfachen, leichten Weg in der nächsten Zeit hin. Alles deutet darauf hin, dass wir unseren Kampf kontinuierlich weiterführen und verstärken müssen – eine Pause können wir uns nicht erlauben.

Das heißt, wir müssen darum kämpfen, dass unsere Gliederungen nicht in ein „Nach-Wahlkampf-Loch“ fallen. Das ist grundsätzlich falsch, weil es ein Zugeständnis an den Parlamentarismus wäre, und der ist bekanntlich eine Geißel der Arbeiterbewegung.

Dieses Wahlergebnis zeigt, dass wir eine stärkere DKP brauchen. Das sollten wir jetzt überall mit denen diskutieren, die uns unterstützt, die uns gewählt haben. Dieses Wahlergebnis zeigt, dass es nur einen Weg gibt, den Weg des Widerstands. Gehen wir ihn und nehmen wir viele mit!

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Wir brauchen eine stärkere DKP", UZ vom 8. Oktober 2021



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Haus.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit