„Wir brauchen eine Basisbewegung für Frieden und Abrüstung“

Markus Bernhardt im Gespräch mit Reiner Braun

Informationen:

https://abruesten.jetzt/

UZ: Sie sind einer der Initiatoren des Aufrufs „Abrüsten statt Aufrüsten“. Was genau wollen Sie mit diesem Aufruf bezwecken?

Reiner Braun: Das wesentliche Ziel dieses Aufrufes ist, die Aufrüstungspolitik der Bundesregierung wieder in den Mittelpunkt gesellschaftlicher und öffentlicher Aufmerksamkeit zu rücken. Die Erhöhung des Rüstungshaushalts von 37 Milliarden auf 75 Milliarden würde das Bild dieses Landes verändern. Es würde bedeuten, dass es erneut zu drastischen Sozialkürzungen käme und kaum mehr Geld für Investitionen in die Bereiche Wissenschaft und Bildung, kommunale Infrastruktur, Gesundheit und Pflege. Es würde auch bedeuten, dass sich die Bundesregierung vollständig der Konfrontationspolitik der NATO anschließt und dabei einen noch aktiveren Part spielt als bereits jetzt. Damit hätte Deutschland außerdem die mit Abstand stärkste Armee Europas. Das wäre die Vorhut der Militarisierung. Das würde vor allen Dingen auch die Konfrontationspolitik mit Russland noch mehr auf die Spitze treiben. Und dass alles das nicht friedensfördernd ist, muss ich – glaube ich – nicht noch betonen.

UZ: Ist das Mittel der Unterschriftensammlung denn tatsächlich geeignet, Militarisierung und Kriege zu stoppen?

Reiner Braun: Kriege werden niemals durch eine Aktion der Friedensbewegung gestoppt. Diese Unterschriftensammlung kann Aufmerksamkeit erregen und bringt die Friedensbewegung wieder in das Gespräch mit der Bevölkerung. Sie führt auch dazu, dass wir unsere selbstgewählte, manchmal selbstverschuldete Isolierung ein bisschen verlieren und uns wieder öffnen, hin zu den Menschen in diesem Land. Das ist der große Vorteil einer Unterschriftensammlung, die ja nicht nur Online, sondern auch Offline durchgeführt werden soll. Wir haben bei unseren Beratungen am vergangenen Wochenende in Frankfurt am Main ja auch vereinbart, dass wir im Herbst noch auf die Straße wollen.

Wir schaffen also auch die Voraussetzungen für weitere, radikalere oder auch offensivere Aktionen. Die Chance liegt in dem Aktionspaket. Und eins davon, zum Abholen von vielen Menschen, ist eben die Unterschriftensammlung. Was wir dringend brauchen, ist eine Basisbewegung für Frieden und Abrüstung.

UZ: Ihnen ist es tatsächlich gelungen, ein breites politisches Spektrum an Unterstützern zu mobilisieren. Es reicht von Kulturschaffenden über Sozialdemokraten, Bündnisgrüne bis hin zu Kommunisten. Kann man das nicht schon als Erfolg werten?

Reiner Braun: Als Erfolg kann man es ganz, ganz bestimmt werten. Diese Breite haben wir in den letzten 15 bis 20 Jahren nicht mehr erreicht. Das sind die Breite und die Vielfalt aus den unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Ich bin besonders froh, dass es uns gelungen ist, die kritische Wissenschaft und die Kultur wieder stärker einzubeziehen. Trotzdem will ich jedoch ganz offen sagen, dass mir natürlich ein paar Namen fehlen und ich mir gewünscht hätte, dass sowohl im Kultur- als auch im Politikbereich der eine oder die andere unseren Aufruf noch unterzeichnet hätte. Die Ausstrahlungskraft dieser Liste spricht jedoch für sich.

UZ: Die DKP hat auf ihrem letzten Parteitag beschlossen, 30 000 Unterschriften für die Kampagne zu sammeln. Auch andere Organisationen unterstützen Ihren Aufruf fleißig. Wie lange sollen überhaupt noch Unterstützer gesammelt werden?

Reiner Braun: Also erstmal möchte ich sagen, dass ich finde, dass die Unterschriftensammlung und das Ziel, welches sich die DKP gesetzt hat, für mich in der besten Tradition der Friedenspolitik der DKP – auch der 1970er und 80er Jahre – steht. Ich finde das einen ganz tollen Beitrag.

Ansonsten: Wir werden gemeinsam entscheiden, wann wir die Unterschriftensammlung beenden. Erstmal wollen wir jedoch den Druck auf die Haushaltsdebatte des Bundestages im Herbst erhöhen, möglichst nicht zu viel beim Rüstungsetat draufzulegen. Frau von der Leyen hat am Wochenende noch einmal zusätzlich 25 Milliarden gefordert. Wenn wir das stoppen, haben wir ein erstes kleines Ziel erreicht. Von daher werden wir sicher bis Ende dieses Jahres Unterschriften sammeln und dann gemeinsam im Kreis der Unterzeichner und Aktiven, beraten, ob und wie wir weitermachen.

Meine Tendenz geht dahin: Der „Krefelder Appell“ ist einst nicht im ersten Jahr von 5 Millionen Menschen unterzeichnet worden. Lasst uns daher auch diesmal eine Längerfristigkeit anlegen. Genauso wie die NATO ja eine Längerfristigkeit in ihrer Planung hat, und versuchen, dass wir auch über dieses Jahr hinaus zu wirklich signifikanten Zahlen an Unterschriften kommen.

UZ: Wir erklären Sie sich eigentlich die Diskrepanz, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ganz offensichtlich gegen Aufrüstung und Krieg ist und auch in Frieden mit Russland leben will, während die etablierte Politik das genaue Gegenteil davon betreibt?

Reiner Braun: Dass die Politik in wesentlichen Fragen in Opposition zur Meinungsmehrheit der Bevölkerung steht, ist ja keineswegs etwas Neues. Ich glaube, dass die Politik überhaupt kein Gespür mehr hat, wie die Bevölkerung in ihrer Mehrheit tickt und was sie gerade denkt. Und für die Politik scheint ja NATO-Hörigkeit und Trump-Gefolgschaft in kriegerischer Konfrontation wichtiger zu sein, als der Friedenswille der Bevölkerung. Von daher ist die Aufklärung und Aktivierung der Bevölkerung so notwendig, damit die Menschen auch wirklich wieder eine reale Stimme haben. Und ich hoffe, dass die Stimme des Friedens mehr und mehr auf den Straßen und Plätzen dieser Republik hörbar wird.

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"„Wir brauchen eine Basisbewegung für Frieden und Abrüstung“", UZ vom 22. Juni 2018



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