Israel: Sicherheitskräfte überfallen Moschee, Raketen aus Gaza

Willkommenen Ablenkung

Es war eine gezielte Provokation, als israelische Sicherheitskräfte mehrmals in der letzten Woche Betende in der Al-Aksa-Moschee überfielen. Es ging dabei um einen nächtlichen Gottesdienst, den die israelische Regierung in den ersten Wochen des Ramadan verbietet, die Betenden wollten sich nicht an das Verbot halten. Mit Schlagstöcken, Blendgranaten und Gummigeschossen wurde das Verbot durchgesetzt, es gab Hunderte von Verhaftungen.

Die Reaktion auf die Überfälle kam prompt: Raketen aus Gaza, aus dem Süden des Libanon und aus Syrien. Aus dem Libanon schoss die Hamas 34 Raketen auf den Norden Israels ab, es gab Verletzte und Sachschäden. Seit dem Krieg von 2006 war es vermutlich die höchste Zahl von Raketen, die aus dem Libanon abgefeuert wurde. Für die Tourismusindustrie war es ein Fiasko mit unzähligen Reisestornierungen in den betroffenen Gebieten.

Die israelische Regierung mobilisierte Reservisten, diese Situation dürfte die Proteste gegen die Justizreform im Militär dämpfen. Doch trotz der Mobilisierung hielten sich beide Seiten zurück. Die israelische Luftwaffe bemühte sich offenbar, einen direkten Angriff auf die Hisbollah zu vermeiden, und griff Ziele der Hamas in Gaza und im Libanon an. Die Hisbollah ihrerseits blieb zurückhaltend. Ihr stellvertretender Vorsitzender Naim Qassem erklärte auf Twitter lediglich, die Organisation bleibe „wachsam“.

Die palästinensische Antwort beschränkte sich nicht auf Raketen aus Gaza und dem Libanon. Es gab Anschläge in Tel Aviv und im Westjor­danland mit drei Toten und mehreren Verletzten. Die Hamas bezeichnete die Anschläge als eine natürliche Reaktion auf die Angriffe auf die Al-Aksa-Moschee.

Auf der Westbank gab es Kämpfe an Kontrollposten des israelischen Militärs und Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Jugendlichen und dem israelischen Militär in Dschenin, Bethlehem and Nablus.

Der israelische Polizeichef Kobi Shabtai, der zuletzt mit rassistischen Kommentaren auffiel, forderte Zivilisten mit entsprechender Ausbildung und Befugnis dazu auf, ihre Waffen mit sich zu führen. Und mehr Öl ins Feuer gossen offizielle Vertreter von Siedlern. Schlomo Newman, der Vorsitzende des Jescha-Rats – einer Dachorganisation für die Selbstverwaltung israelischer Siedlungen –, verlangte eine Reaktion mit eiserner Faust. Nur der Bau neuer Siedlungen würde in seinen Augen Frieden bringen – entgegen allen internationalen Forderungen, den Siedlungsbau zu stoppen.

Die Regierung müsse sogar die israelische Souveränität auf die Westbank ausweiten, forderte Yossi Dagan, der Vorsitzende des Regionalrats von „Samaria“ – dem Nordteil der Westbank. Für ihn ist die Autonomiebehörde der Feind. „Das jüdische Volk“, erklärte er, „steht einer barbarischen Welt des Terrors entgegen, die von einem Terroristen im Anzug geführt wird: dem Präsidenten der Autonomiebehörde, Abbas.“

Die Opposition solle nicht automatisch eine Regierung unterstützen, deren Mitglieder versuchen, Öl ins Feuer zu gießen, so kritisierte die Vorsitzende der israelischen Arbeitspartei, Merav Michaeli, ihre Kollegen Yair Lapid und Benjamin Gantz. Beide hatten Benjamin Netanjahu ihre Unterstützung hinsichtlich der Reaktion auf Raketenangriffe aus dem Libanon zugesagt. Für Netanjahu war es eine willkommene Ablenkung von den Protesten gegen die Justizreform.

Der UN-Sicherheitsrat traf sich indessen zu einer Sondersitzung, um die Situation zu diskutieren. Einige Mitgliedstaaten drängten darauf, die Polizeigewalt gegen Betende zu verurteilen. Am Ende verhinderte die US-Regierung, dass überhaupt eine Erklärung abgegeben wurde. Business as usual.

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"Willkommenen Ablenkung", UZ vom 14. April 2023



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