Dass ein Terrorist am 2. November in Wien vier Menschen ermordet, wäre zu verhindern gewesen. Der Täter war vorbestraft und zu 22 Monaten Haft verurteilt worden, weil er 2018 für den IS nach Syrien gehen wollte. Seit zehn Monaten war er nach vorzeitiger Entlassung auf Bewährung frei. Der österreichische Verfassungsschutz (BVT) hat es versäumt, den radikalisierten 20-Jährigen zu überwachen. Umso bemerkenswerter, als die slowakischen Behörden das BVT schon im Juli 2020 informiert hatten, dass der nunmehrige Täter in Bratislava Munition für eine Kalaschnikow kaufen wollte. Man möchte nicht der Ausweitung geheimpolizeilicher Observierung das Wort reden, doch gewisse Grundaufgaben sollten erfüllt werden. Hier liegt ein Versagen des Innenministeriums vor. Das BVT sollte wohl weniger Ressourcen aufwenden, um Linke, Kommunisten und Tierschützer zu verfolgen, sondern lieber islamistische Terroristen und andere Rechtsextreme im Auge behalten.
Doch der heutige Islamismus ist eben ein Produkt des Kapitalismus und Imperialismus. Die USA und ihre Verbündeten haben im Nahen und Mittleren Osten über Jahrzehnte religiöse Terrorgruppen als Verbündete unterstützt und tun dies noch heute. Gleichzeitig bereiten der imperialistische Interventionismus und permanente Krieg in diesen Regionen den Boden für den Zulauf zu solchen Gruppen. Ebenso schafft man in Europa unter migrantischen Muslimen Resonanzbereitschaft: Es gibt in Wien tausende Jugendliche und junge Männer wie den Täter vom 2. November, die dem bürgerlichen Staat und dem Kapital nicht weiter verwertbar erscheinen – sie bleiben mit mangelnder Bildung, ohne Perspektiven, mit miesen oder gar keinen Jobs sowie angesichts rassistischer Kampagnen von Politik und Medien am Rande der Gesellschaft, wo sie für Erzählungen des radikalen Islam empfänglich sind. Viel zu oft haben sie, explizit oder implizit, schon die urwienerische, aber falsche Aufforderung gehört: „Schleich di, du Oarschloch!“
Daraus ergibt sich keine Entschuldigung, aber eine Erklärung. Gefragt wäre eine offene und solidarische Gesellschaft mit solchen sozialen und partizipativen Bedingungen, die niemanden zurücklassen; und eine Welt, in der muslimische Länder den „Westen“ nicht nur mit Bomben und Drohnen, mit Unterdrückung und Krieg in Verbindung bringen. Eine solche Gesellschaft und eine solche Welt kann der Imperialismus jedoch niemals gewährleisten, denn er bekämpft sie – wie es auch der Islamismus tut.
Unser Autor ist Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)