Alle Versuche, die Regierung der Ukraine zu einem Waffenstillstand zu bewegen, blieben im letzten Jahr erfolglos – im Gegenteil, die Angriffe der ukrainischen Streitkräfte auf die an der Front liegenden Orte in den Volksrepubliken – Donezker Volksrepublik, DVR und Lugansker Volksrepublik, LVR – haben deutlich zugenommen. Diese Angriffe haben das Ziel, die Infrastruktur zu schädigen.
Eine in der Kontaktgruppe, die aus der Ukraine, der OSZE und Russland besteht, vereinbarte Feuerpause ab dem 24. Dezember 2016 ist von der ukrainischen Armee weitgehend ignoriert worden. Mehrfach gab es erfolglose Versuche der ukrainischen Armee, die Verteidigungslinien der Volksrepubliken zu durchbrechen. So starben z. B. im Jahr 2016 in der DVR durch die ukrainische Aggression 214 Soldaten der Republik und 235 Zivilisten.
Aus den eher autarken Einheiten der Volksmilizen sind in beiden Volksrepubliken inzwischen gut organisierte reguläre Armeen geschaffen worden, die das nicht von Kiew besetzte Territorium der Volksrepubliken wirksam verteidigen können.
Während die russischen Vertreter des „Gemeinsamen Zentrums zur Kontrolle und Koordination“ die Verletzungen der Minsker Vereinbarungen seitens der ukrainischen Streitkräfte dokumentieren, scheinen Teile der OSZE-Beobachtermission wenig gewillt, dies zur Kenntnis zu nehmen. Dies führt immer wieder zu Unmut in der Bevölkerung der Republiken.
Minsker Verhandlungen
Da die Ukraine direkte Verhandlungen mit den Bevollmächtigten der Volksrepubliken vermeidet, um der Welt und dem eigenen Volk eine russische Besatzung zu suggerieren, treten die Minsker Verhandlungen seit vielen Monaten auf der Stelle.
Die Minsker Untergruppe zu ökonomischen Fragen hat seit August nicht mehr getagt, da die Ukraine sich weigert, mit den Vertretern der Volksrepubliken zu verhandeln. Seit dem 1. Dezember hat die Ukraine die Wasserlieferungen vom ukrainischen Gebiet in die LVR praktisch eingestellt, was dort zu großen Problemen führt, trotz der Erschließung eigener Quellen.
Auch die Untergruppe zu politischen Fragen, wo es u. a. um den verfassungsrechtlichen Status des Donbass geht, wird von der Ukraine de facto boykottiert.
Beim Gefangenenaustausch kommt es aufgrund der Blockadehaltung der Ukraine kaum zu Fortschritten. Die Ukraine hält dabei weitaus mehr Menschen fest als die Volksrepubliken. Diese hatten bereits mehrfach, als Zeichen guten Willens, einseitig Gefangene an die ukrainische Seite übergeben.
Wiederaufbau
In beiden Volksrepubliken gibt es Programme zum Wiederaufbau. In der DVR wurden im Lauf des Jahres 436 soziale Objekte (Krankenhäuser, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Infrastruktur) und 897 kommunale Wohnhäuser wieder aufgebaut, in der LVR sind es 275 bzw. 432. Was noch zu tun ist, ist daran ersichtlich, dass etwa in der DVR durch die ukrainische Aggression mehr als 25 000 Objekte beschädigt wurden.
Und die Zerstörung geht weiter. In der DVR kamen allein 2016 weitere 708 beschädigte Objekte hinzu. Für die LVR liegen hierzu noch keine genauen Zahlen vor.
Im Jahr 2016 hat eine Reihe Industriebetriebe ihre Arbeit wieder aufgenommen. Viele Betriebe wurden aufgegeben, teilweise schon vor dem Krieg. Nach Zahlen aus der DVR sind dies Tausende. Eine ganze Reihe größerer Betriebe ist inzwischen unter staatliche Leitung gestellt worden oder sie werden als Staatsbetriebe wieder aufgebaut. Ein weiteres Problem sind große ukrainische Betriebe, die weiter produzieren und Löhne zahlen, sich jedoch weigern, dies auf Rechtsgrundlage der DVR zu tun. Sie zahlen keine Steuern an die Volksrepubliken. Solche Betriebe werden derzeit nicht nationalisiert, weil dies zum Verlust dringend benötigter Arbeitsplätze führen würde, der Absatz für die dort hergestellten Produkte wäre nicht mehr gesichert. Dies liegt nicht nur an der Wirtschaftsblockade durch die Ukraine, sondern auch an Exporthindernissen durch die fehlende offizielle Anerkennung durch die Russische Föderation. Inzwischen können wenigstens Finanztransaktionen und verschiedene Exporte über die Republik Südossetien abgewickelt werden. Diese hat die Volksrepubliken offiziell anerkannt und bereits zahlreiche Staatsverträge mit ihnen geschlossen.
Zahlen aus der DVR vom August 2016 besagen, dass der Umsatz von Industrieprodukten 31 Prozent und die Anzahl der Beschäftigten 61 Prozent des Vorkriegsniveaus erreicht hat. Die Planungen in der DVR für das Jahr 2017, sowohl für die Produktion als auch in der Sozial- und Bildungspolitik, sind weitreichend.
Über die Situation in der LVR sind weniger Informationen öffentlich zugänglich, aber auch hier wird daran gearbeitet, wichtige Betriebe wieder zu eröffnen. Zudem sind in der LVR die Gewerkschaften an vielen Entscheidungen beteiligt.
Die Lage ist in der LVR schwieriger als in der DVR, auch deshalb, weil es dort offensichtlich nicht gelungen ist, gegen die weit verbreitete Korruption wirksam vorzugehen. Dies führt zu heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen und mindert den Rückhalt in der Bevölkerung, der geringer ist als in der DVR. Zurück in die Ukraine möchte aber Umfragen zufolge auch in der LVR fast niemand mehr. Zu groß ist das Leid, das Krieg und Hass gebracht haben.
In beiden Republiken ist die Lebensmittelversorgung gesichert, Tarife für kommunale Dienste liegen unter denen der Ukraine, Renten und Sozialunterstützung werden, wenn auch auf niedrigem Niveau, stabil ausgezahlt. Das Bildungssystem funktioniert und ist in seiner Qualität dem russischen angepasst worden, so dass den Absolventen ein Studium in der Russischen Föderation möglich ist. Großer Wert wird auf die umfassende Versorgung und Förderung von Kindern und Jugendlichen gelegt. Das Schulessen wird konsequent subventioniert. Das Gesundheitswesen ist genauso wie der Wiederaufbau der Infrastruktur noch stark auf russische humanitäre Hilfe angewiesen.
Gesellschaftliche Organisationen bündeln das Engagement der Bürger und kümmern sich um verschiedene Aspekte des sozialen Lebens, überwachen die Preisgestaltung, unterstützen die Bildungs- und Erziehungsarbeit.
Perspektiven
Die ukrainische Aggression und die Verweigerung des in „Minsk-2“ vorgesehenen Dialogs mit den Volksrepubliken machen einen Erfolg der Minsker Verhandlungen immer unwahrscheinlicher. Ob sich daran bei einem Scheitern der derzeitigen ukrainischen Regierung etwas ändern kann, ob es eine Änderung der US-Politik in diesem Bereich geben wird – all dies ist derzeit nicht vorhersehbar.
Die Russische Föderation, die an den Minsker Verhandlungen als Garantiestaat unmittelbar beteiligt ist, hält an „Minsk-2“ fest, macht dabei aber deutlich, dass es an diesem Abkommen keine Änderungen im Sinne der ukrainischen Regierung geben kann.
Dies führt von Seiten der Russischen Föderation allerdings auch dazu, dass eine offizielle Anerkennung der Volksrepubliken bisher nicht erfolgt ist. Angesichts der sich weiter zuspitzenden Situation wäre das aber ein dringend notwendiger Schritt, der von den russischen Kommunisten von der KPRF schon seit den Referenden im Mai 2014 gefordert wurde und jetzt verstärkt auf die politische Tagesordnung gesetzt wird.
In der Donezker Volksrepublik wurde von der Kommunistischen Partei der DVR mit dieser Forderung Anfang Dezember eine Unterschriftensammlung für einen Aufruf an die russische Staatsduma gestartet. Bisher konnten 10 000 Unterschriften gesammelt werden. Auch durch die Führungen von DVR und LVR wird diese Frage inzwischen deutlich thematisiert.
Die Volksrepubliken haben von Anfang an klar gemacht, dass das Minsker Abkommen nicht zu einer politischen Reintegration in die Ukraine, wie sie heute ist, führen kann. Tatsächlich sehen die Vereinbarungen eine sehr weitgehende Autonomie mit eigenen bewaffneten Kräften des Donbass vor. Die Volksrepubliken fordern, dass dies für die gesamten Gebiete der ehemaligen Oblaste Donezk und Lugansk gelten muss, auch für die Teile, die derzeit von den ukrainischen Streitkräften besetzt sind.
Dies jedoch ist für die ukrainische Seite im Grunde genommen unannehmbar.