In Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, finden am 26. September vorgezogene Kommunalwahlen statt. Glaubt man den Umfragen, dann liegen die ÖVP und ihr Bürgermeister Siegfried Nagl auf Platz eins, gefolgt von der KPÖ Graz. Auch bei den letzten Kommunalwahlen wurde die KPÖ in der Landeshauptstadt der Steiermark zweitstärkste Kraft, mit 20,3 Prozent.
Zu ihrem Erfolgsrezept gehört, dass die Partei ihren Schwerpunkt auf soziale Themen gelegt hat, vor allem die Wohnungsfrage. Sie richtete 1992 ein Notruftelefon für Mieter ein, bietet Beratung und Rechtsbeistand. Auch einen Sozialfonds hat die KPÖ Steiermark eingerichtet. Dieser wird gespeist aus den Gehältern der KPÖ-Abgeordneten, die nur ein Drittel ihrer Politikerbezüge behalten – das sind 1.950 Euro. Knapp 4.000 Euro im Monat gehen in den Sozialfonds.
Wer profitiert davon? Es seien Menschen mit ganz geringem Einkommen, die bei ihnen Hilfe suchen, sagt Robert Krotzer gegenüber UZ. Er ist Gesundheitsstadtrat und neben Parteiobfrau Elke Kahr das zweite prominente Gesicht der KPÖ Graz.
Krotzer ist unter anderem zuständig für das städtische Gesundheitsamt. Mit Beginn der Pandemie mussten Kontakte nachvollzogen und Menschen in Quarantäne geschickt werden. War das Gesundheitsamt für solche Aufgaben ausgestattet? „In keinster Weise“, sagt Krotzer, zudem habe die türkis-grüne Bundesregierung die lokalen Gesundheitsämter im Stich gelassen.
Auch die Beschäftigten in den Landesspitälern seien alleingelassen worden. In der von der KPÖ Steiermark herausgegebenen Zeitung „Pflege in Bewegung“ schildert ein Beschäftigter die Situation auf der Intensivstation eines Grazer Krankenhauses: 60 bis 70 Stunden Arbeitszeit pro Woche seien keine Ausnahme gewesen, die Arbeitsläufe schlecht koordiniert. Lange Zeit sei nicht einmal getestet worden und das Management habe sich impfen lassen, bevor das Intensivpersonal an die Reihe gekommen sei. Krotzers Fazit: Es brauche eine Aufwertung der Pflegeberufe – vor allem auch finanziell –, mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen.
Von Bundes- und Landesregierung allein gelassen, habe man zumindest lokal etwas bewegen können, so Krotzer. Mit dem Einsatz zusätzlichen Personals sei die Kontaktverfolgung mit etwa 3.000 bis 4.000 Telefonaten pro Woche bewältigt worden. Besuchsboxen für Pflegeheime wurden gefördert, Pflegeeinrichtungen mit FFP2-Masken und Antigentests versorgt. Zudem habe man mit einer „Schnupfenbox“ ein wichtiges wohnortnahes Testangebot für Menschen mit Symptomen geschaffen und die Schließung der Impfstelle verhindert. Stolz ist Krotzer auch auf das „Zuzahlungsmodell“, das allen Grazerinnen und Grazern, die zuhause mobile Pflegedienste in Anspruch nehmen, mindestens 949 Euro zum Leben sichert. Ziel ist es, ihnen im Alter möglichst lang ein Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.
Im Rahmen ihres Beratungsangebots stellte die KPÖ Graz fest, dass sich der Personenkreis, der finanzielle Hilfe braucht, in den letzten eineinhalb Jahren noch einmal erweitert hat. Deshalb ist die Partei mit dem Slogan „Soziales darf nicht untergehen“ in den Wahlkampf gezogen. Statt bei den Sozialleistungen zu kürzen, bedürfe es einer Anhebung des Arbeitslosengeldes. Zudem müssten Wohnunterstützung und Sozialhilfe verbessert werden.
Lohneinbußen durch Kurzarbeit oder sogar Jobverlust sind auch in Graz weit verbreitet. Treten unerwartet Kosten auf, dann sind dafür keine finanziellen Reserven vorhanden. Der KPÖ-Sozialfonds hilft zwar sofort und unbürokratisch mit bis zu 200 Euro, doch in der Regel komme niemand zur KPÖ, „weil er einen Rückstand von 120 Euro hat“. Meist gehe es um 700, 1.000, 1.500 Euro, so Krotzer. „Die 150 oder 200 Euro federn dann schon ein bisschen was ab, auch weil wir sehr unbürokratisch helfen können. Es geht oftmals darum, dass die Menschen aus der ärgsten Bedrängnis rauskommen.“ In der Beratung werde dann geschaut, welche rechtlichen Ansprüche bestehen – von Wohnunterstützung angefangen bis zur Mindestsicherung – oder auch, welche anderen Hilfsfonds es gibt. In vielen Fällen verhindere dies sogar, dass aufgrund von Mietrückständen ein Räumungstermin angesetzt werde.
Dieser „Gebrauchswert“ der Partei ist eine wesentliche Ursache dafür, dass die KPÖ Graz bei Wahlen so erfolgreich ist. Die etwa 5.000 Beratungen pro Jahr machen sich in einer Stadt mit knapp 300.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bemerkbar.
Also wird die KPÖ Steiermark gewählt, obwohl sie für den Sozialismus ist? „Vielleicht nicht nur, weil wir für den Sozialismus sind, aber auch deshalb“, antwortet Krotzer. Weil ÖVP, Neos und FPÖ, aber auch SPÖ und Grüne in sozialen Fragen nichts zu bieten haben, versuchen sie immer wieder, von den realen Problemen der Menschen abzulenken. Zuletzt versuchten ÖVP und Neos mithilfe der Medien, eine Würdigung des Kosmonauten Juri Gagarin durch die KPÖ Steiermark zu skandalisieren. Die ÖVP forderte sogar eine Distanzierung vom „Sowjet-Kommunismus“, worauf sich die KPÖ allerdings nicht einließ. Der Versuch, die Genossinnen und Genossen der KPÖ Steiermark als Kommunisten zu „enttarnen“, hat den Umfragewerten der Partei nicht geschadet – die Grazerinnen und Grazer wussten offenbar bereits, wofür das „K“ im Namen steht.