Täter stellte Waffen selbst her und streamte seine Tat

Wieder Nazi-Terror in Deutschland

Von Markus Bernhardt

Am 9. Oktober ist es in Halle (Saale) erneut zu einem Terrorakt durch einen Faschisten gekommen. Der überzeugte Antisemit Stephan Balliet versuchte sich Zutritt zur Synagoge der Stadt zu verschaffen, in der zu diesem Zeitpunkt 51 Personen an Feierlichkeiten anlässlich des höchsten jüdischen Feiertags, Jom Kippur, teilnahmen.

Der 27-Jährige, der bis an die Zähne bewaffnet war, versuchte, mithilfe von Schusswaffen und Sprengstoff die verschlossene schwere Eingangstür zur Synagoge zu öffnen. Dieser Versuch scheiterte. Wohl einzig aus diesem Grund blieben die Besucherinnen und Besucher der Synagoge unverletzt. Balliet attackierte daraufhin Gäste eines nahegelegenen Döner-Imbisses und zufällig auf der Straße zugegene Passanten und erschoss zwei Menschen. Der Polizei gelang es erst nach einer längeren Verfolgungsjagd und mehreren Schusswechseln, den Faschisten dingfest zu machen. Ihm wird nun seitens der Generalbundesanwaltschaft zweifacher Mord sowie versuchter Mord in mehreren Fällen vorgeworfen.

„Wenn der Generalbundesanwalt jetzt klar von Terror spricht, dann ist das gut, viel zu oft wurden die terroristischen Gewalttaten von Faschisten in diesem Land als Amokläufe verwirrter Einzeltäter abgetan“, stellte Pa­trik Köbele, Vorsitzender der DKP, in einer ersten Stellungnahme nach der mörderischen Tat klar. Spätestens seit dem Auffliegen des NSU wisse man jedoch, „dass in Deutschland rechtsradikale Terrorbanden ungehindert ihr Unwesen treiben können, dass sie unterstützt werden vom sogenannten Verfassungsschutz und dass Ermittlungen gegen sie nicht geführt werden, bis es sich nicht mehr vermeiden lässt“, kommentierte Köbele.

Tatsächlich wiederholte sich auch dieses Mal „das mittlerweile übliche Ritual an öffentlichen Äußerungen der verantwortlichen Politiker und Sicherheitsbehörden: Es handele sich um einen Einzeltäter. Die Tat müsse lückenlos aufgeklärt werden. Jetzt werde man aber wirklich Konsequenzen ziehen. Und außerdem müsse es nun zu einer Aufstockung der Mittel bei den Inlandsgeheimdiensten kommen“, kritisierte die Bundestagsabgeordnete Sylvia Gabelmann.

Die Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion erinnerte zudem daran, dass zwar das internationale Nazi-Netzwerk „Blood & Honour“ im Jahr 2000 in Deutschland verboten worden war, nicht jedoch dessen militanter Arm „Combat 18“. „Das von ‚Combat 18‘ vertretene Konzept des ‚führerlosen Widerstands‘ sieht vor, dass terroristische Zellen unabhängig voneinander Anschläge und Morde verüben. Größtenteils auch ganz bewusst ohne das Verfassen von Bekennerschreiben. Das alles ist den Behörden mittlerweile seit Jahrzehnten bekannt. Insofern ist es alles andere als glaubwürdig, wenn nach einer Reihe an von Nazis begangenen Morden und Mordversuchen noch immer behauptet wird, es handele sich um ‚Einzeltäter‘“, kritisierte die Abgeordnete.

Das von dem Nazi begangene Verbrechen wirft jedoch auch neue Fragen auf. So hatte der Mörder seine Waffen mit Hilfe eines sogenannten 3D-Druckers selbst hergestellt und seinen Terrorakt live im Internet gestreamt. Offen blieb bisher auch die Frage, ob Balliet, der sich in der sogenannten Gamerszene bewegte, seine Tat alleine geplant hat oder ob er Mitwisser hatte.

Kritisiert wird das Vorgehen der Polizei, die – so der Vorwurf – den Täter nicht schnell genug kampfunfähig gemacht und festgenommen habe. Am Montagabend berichtete außerdem „Spiegel TV“, dass das Zimmer des Nazis in der von ihm und seiner Mutter, einer Grundschullehrerin, angemieteten Wohnung auch Stunden nach der blutigen Tat nicht von den Einsatzkräften durchsucht worden sei.

Die Aufklärung des jüngsten von einem Faschisten begangenen Terrorakts dürfte in jedem Fall noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Dass sie unter Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU), der selbst als rechter Hardliner gilt und dem Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt nachgesagt werden, überhaupt stattfinden wird, ist beileibe nicht ausgemacht.

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"Wieder Nazi-Terror in Deutschland", UZ vom 18. Oktober 2019



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