Der spanische Ministerpräsident hat keine Mehrheit, regiert aber munter weiter

Wieder gescheitert

Von Carmela Negrete

Mariano Rajoy, amtierender Präsident Spaniens, hat schon seit langer Zeit keine Mehrheit mehr im Parlament. Am Freitag letzter Woche stellte er zum wiederholten Male die Vertrauensfrage und erhielt dabei abermals nicht die nötige Mehrheit. Neuwahlen um Weihnachten herum sind wahrscheinlich.

Das Parlament stimmte zum zweiten Mal in der Woche ab, das Ergebnis blieb das gleiche wie schon am Mittwoch: 170 Abgeordneten von der Volkspartei (PP) sowie der rechten Ciudadanos stimmten für ihn, 180 Stimmen gegen Rajoy. Alle anderen Parteien – mit Ausnahme einer einzigen Abgeordneten der „Coalición Canaria“ – lehnen Mariano Rajoy für das Amt des Ministerpräsidenten weiterhin ab.

Die Sozialdemokraten der PSOE – oder zumindest der Teil der PSOE, der den Vorsitzenden Pedro Sánchez unterstützt – wollen sich auf keinen Fall an einer großen Koalition mit den Rechten der Partido Popular (PP) unter Rajoy beteiligen. Mit den neuen Rechten von Ciudadanos hätten sie weniger Probleme, das zeigte sich während der Verhandlungen zur jetzigen Abstimmung und auch schon nach den ersten Wahlen im Dezember 2015. Seitdem ist Spanien ohne gewählte Regierung.

Auf der anderen Seite gibt es große Differenzen mit der Wahlkoalition von Unidos Podemos, in der die Vereinigte Linke (IU) sowie die Bewegungspartei Podemos vertreten sind. Aber vor allem scheint ein Bündnis mit den kleinen regionalen Parteien, ohne deren Stimmen eine Regierung unter der Führung von Pedro Sánchez nicht möglich ist, ausgeschlossen. Während „Unidos Podemos“ bspw. für ein Referendum über die Unabhängigkeit in Katalonien ist, hält die PSOE daran fest, dieser Forderung nicht nachgeben zu wollen. Autonomie ist jedoch das zentrale Thema der Regionalparteien.

Das wurde während der Debatte vor der Abstimmung am Freitag noch einmal deutlich. Der Sprecher der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), Gabriel Rufián, fragte den Kandidaten der Sozialdemokraten: „Wie lange werden Sie die Regierbarkeit in ihrem Land ablehnen, nur um uns in unseren Land keine Stimme zu geben?“

Nun, nachdem es eine Abstimmung gegen Rajoy gegeben hat – deren Ergebnis aber schon seit Wochen mehr oder weniger fest stand –, scheint Pedro Sánchez auf einmal doch wieder Interesse daran zu haben, eine Koalition mit den „Kräften des Wandels“, also den Linken, versuchen zu wollen.

Unidos Podemos zeigte dafür wenig Begeisterung: „Wenn das ernst gemeint wäre, wäre es konkreter gewesen“, zititert eldiario.es zwei Abgeordnete. Pablo Iglesias von Podemos bestätigte dagegen, dass es ein Treffen mit der PSOE geben wird, um zu prüfen, ob man die anstehenden Neuwahlen im Dezember noch verhindern kann.

Die PSOE kriegte bei den Wahlen Ende Juni zu spüren, was es heißt, wenn sie keine linke Koalition bilden und gleichzeitig nicht mit der PP regieren will. Denn die PP erhielt fast eine Million Stimmen mehr in den Wahlen nach den gescheiterten Koalitionsgesprächen der PSOE. Wenn es tatsächlich zur dritten Wahl in Folge kommt, könnte es sein, dass die PP wieder eine absolute Mehrheit erreicht. Zumindest legen das aktuelle Wahlumfragen nahe.

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"Wieder gescheitert", UZ vom 9. September 2016



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