100 Jahre Revolution in Deutschland, daran kommt niemand vorbei. Es läuft dazu so einiges an Ausstellungen und Veranstaltungen. Soweit, so gut. Die entscheidende Frage ist aber nicht, ob über diese Zeit berichtet wird, sondern vor allem wie.
Der interessante Artikel in der UZ vom 28.9.18 von Kai Böhme „Seltene Exponate, aber zu wenig Aufklärung“ zeigt viele Parallelen zu einer Ausstellung, die unter anderem auch in zwei Containern quer durch Schleswig-Holstein tingelt. Natürlich kann in Kiel und anderswo niemand sang- und klanglos über das 100. Jahr der revolutionären Ereignisse hinweggehen. Dieser Aufbruch, den man gerne auf einen „Matrosenaufstand“ reduziert hätte, war dafür zu wirkmächtig. Auch wenn leider nicht erfolgreich in dem Sinne, dass diese Kämpfe die „Umwälzung der kapitalistischen Produktionsweise und die schließlich Abschaffung der Klassen …“ (K.Marx) herbeiführen konnte. Hier spätestens stellt sich die entscheidende Frage: Warum? Für den Sieg der Reaktion waren bekanntlich nicht nur die klassischen rechten reaktionären Kräfte maßgebend. Maßgebliche Unterstützung erhielt diese konterrevolutionäre Formierung durch den Eintritt der rechten sozialdemokratischen Führer wie Noske und Konsorten in dieses Lager. Dies zu verschweigen ist wohl die am deutlichsten sichtbare, aber heimliche Dramaturgie der hier angesprochenen Wanderausstellung „Revolution 1918“. Auch wenn dies nicht anders zu erwarten war, muss es angesprochen werden.
Es werden in der Ausstellung viele Bilder und Tafeln gezeigt. Auch viele Namen genannt. Dies erweckt oberflächlich den Eindruck einer geballten und umfangreichen Informationsvermittlung. Doch dann drängen sich dem Betrachter die relevanten – und leider weitgehend unbeantworteten – Fragen auf. Warum hat wer wie gehandelt? Wie kann das Verhältnis von revolutionärem Kampf und konterrevolutionärer Gegengewalt genauer im jeweiligen Interessensgegensatz bestimmt und erklärt werden? Auch kein Hinweis über die Zahl der ermordeten Revolutionäre, die Noske mit seiner „Aufgabe, die Aufstände unter Kontrolle zu bringen“ (Ausstellungszitat) zu verantworten hat. Und keine Namensnennung des/der zwei standhaften SozialistInnen, die sich der kriegsbefürwortenden Mehrheitslinie der Sozialdemokratie im Reichstag vehement entgegenstellten. Auch kein Wort zur herausragenden Aussage Liebknechts gegen den deutschen Militarismus: „Nieder mit den Kriegshetzern. Für einen Frieden im sozialistischen Geist. Der Hauptfeind steht im eigenen Land.“
Und erst recht nichts darüber, dass jener Noske der Liquidierung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknacht den Weg geebnet hat. Weitgehend ausgeblendet auch die Konsequenzen des Verrats der Mehrheitssozialdemokraten, die daraus notwendig gewordene Entstehung des Spartakusbundes sowie der kommunistischen Partei. Statt Lernhinweise, die den Gesamtzusammenhang zwischen faulendem Kaiserreich und aufkommendem Faschismus thematisieren, nur viele Leerstellen. Die Ausstellung bestätigt wieder einmal, dass Legendenbildung auch durch bewusstes Weglassen erzeugt wird.
Die Ausstellung entreißt zwar einige Fakten dem Vergessen. Eine tiefere Durchdringung der Widersprüche wird jedoch ausgeblendet. Es geht um einzelne Erscheinungsformen, die mehr anekdotischen und eklektischen Charakter aufweisen. Das Wesen dieses großartigen Vorhabens bleibt weitgehend unterbelichtet. Mag sein, dass dies den aus- und unausgesprochenen Anforderungen der Geldgeber geschuldet ist. Und dass der Versuch einer revolutionären Umgestaltung nicht zu offensiv in Erscheinung treten darf, zeigt die seit Jahren stattfindende Provinzposse über die Sanierung des am Kieler Ostufer gelegenen „Iltisbunker“ mit dem Fassadengemälde „Revolution und Krieg“, das 1987 zum 70jährigen Jahrestages entstand und nun übertüncht werden soll.Eine gelungene Erinnerungskultur soll gerade jetzt der Entsorgung anheimfallen. Noch ist es nicht soweit. Eine Initiative kämpft um den Erhalt des Werkes.
Hier zeigt sich die Ambivalenz der bürgerlichen, systemimmanenten Kräfte, die, je nach Kalkül, zwischen Verschweigen oder gezielter Umdeutung revolutionärer Ereignisse changieren. Unsere Erinnerungskultur ist eine andere.