Bei der Neugestaltung der Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen werden in der aktuellen Diskussion der herrschenden Parteien auf beiden Seiten zwei große Geschütze aufgefahren. Geht es den einen, insbesondere Teilen der SPD und der Grünen, jedenfalls in der Rhetorik um nicht weniger als die „Wiederherstellung der Verteilungsgerechtigkeit“, sehen andere, große Teile der CDU und der CSU, den deutschen Mittelstand bedroht. Gleichzeitig muss aber etwas geschehen, da das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Verschonungsregelungen beim Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert hat, eine Neuregelung bis zum 30.6.2016 vorzunehmen.
Rückblick und Diskussionsstand
Dies war bereits das zweite Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die tatsächliche Ungleichbehandlung verschiedener Vermögensgegenstände als verfassungswidrig bezeichnet. In seinem ersten Urteil vom November 2006 setzte es sich mit der unterschiedlichen Bewertung der Vermögensgegenstände im alten Erbschaftsteuergesetz auseinander. Nach der damaligen Rechtslage wurden das Betriebsvermögen, das Grundvermögen, aber auch teilweise Anteile an Kapitalgesellschaften steuerlich sehr niedrig bewertet. Sparguthaben, Aktien und Wertpapiere aber wurden mit dem Verkehrswert bzw. Barwert bewertet. Dies führte dazu, dass Immobilien und Betriebe mit einem Wert von weit über der Freigrenze von 203 000 Euro ohne Steuer vererbt werden konnten, während bei einem Geldvermögen in dieser Höhe durchaus Steuer fällig wurde.
Bei der Vermögensteuer wurde die Verfassungswidrigkeit der ungleichen Bewertung dazu genutzt, diese Steuer ganz abzuschaffen. Teile der Union, insbesondere große Teile der CSU befürworten bis heute auch bei der Erbschaftsteuer diese Lösung.
Dennoch wurde aber mit dem ab Januar 2009 geltenden Erbschaftsteuergesetz versucht, bestimmte Vermögensgegenstände von der Steuer weitgehend zu befreien und dennoch eine einheitliche Bewertung mit dem Verkehrswert zu erreichen. Dafür wurden Verschonungsregeln für Grund- und Betriebsvermögen geschaffen. Begründet werden diese Regelungen beim Grundvermögen mit dem Erhalt von Wohnraum und der Privilegierung der selbstgenutzten Wohnung. Bei dem Betriebsvermögen wird als Argument der notwendige Erhalt von Arbeitsplätzen angeführt.
Im Resultat hat dieses neue Erbschaftsteuergesetz das selbstgesetzte Ziel erreicht, insbesondere Betriebsvermögen weitgehend von der Steuer zu befreien und Geldvermögen weiterhin schneller und höher zu besteuern. Verschärft wird die Diskrepanz bei der Besteuerung dadurch, dass sich vermögende Steuerpflichtige und ihre entsprechenden Berater die komplexen Regelungen zunutze machten und Privatvermögen (Geldguthaben, Immobilien etc.) in Betriebsvermögen verwandelten, um es in der Folge steuerfrei vererben oder verschenken zu können. Spielverderber ist aber auch diesmal – wie bereits bei der Verabschiedung erwartet – das Bundesverfassungsgericht: „Die Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens (…) ist angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar“.
Neuregelung und Vermeidungsstrategien
Die Koalitionsmehrheit, die dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugestimmt hat, will an den bestehenden Verschonungsregelungen nichts Wesentliches ändern. Ihr geht es lediglich darum, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts möglichst „minimalinvasiv“ gerecht zu werden und Betriebsvermögen weiterhin von der Erbschaftsteuer zu verschonen. Aber auch der Bundesrat, der am 8. Juli 2016 den Vermittlungsausschuss angerufen hat, scheint kein prinzipiell anderes Vorgehen zu befürworten, sondern die Voraussetzung für eine Begünstigung lediglich an einigen Punkten verschärfen zu wollen. Insgesamt ist also damit zu rechnen, dass es zwar in einzelnen Fällen zu einer Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer kommen wird, große Familienunternehmen wie Stihl, Merck, Henkel und andere aber mit Hilfe ihrer Berater Strategien zur Senkung und Vermeidung entwickeln. Aber selbst ohne diese Strategien steigt die gesamt Belastung für alle betroffenen Unternehmen nach Meinung der Stiftung Familienunternehmen voraussichtlich lediglich um 16,2 Millionen Euro. Das ist ein lächerlich geringer Beitrag, verglichen etwa mit Mehreinnahmen von geschätzt 7,5 Mrd. Euro pro Jahr, die eine Umsatzsteuererhöhung um einen Prozentpunkt bringt.
Zwar will die Finanzverwaltung auch nach dieser Änderung zumindest den Eindruck erwecken, dass das Gesetz in dieser Form auch durchgesetzt werden kann, um den Strategien zur Steuergestaltung und –vermeidung entgegenzuwirken, doch ist bereits heute absehbar, dass die Kosten für die Erhebung von Erbschaft- und Schenkungsteuer weiter steigen. Somit wird das in der Unternehmerpropaganda angeblich bereits heute bestehende Missverhältnis von Aufwand und Ertrag bei der Erbschaftsteuer weiter vertieft und dann als weiteres Argument zur Abschaffung der Erbschaftsteuer genutzt. Die Lobbyinstitutionen wie die Stiftung Familienunternehmen hätten dann ihr Ziel erreicht.
Alternativen
Auch bei einer demokratischen Steuerreform wäre es durchaus sinnvoll, Kleinst- und Kleinunternehmen weitgehend zu verschonen. Da deren Firmen- und damit Verkehrswert zu großen Teilen aus nicht oder nur schwer veräußerbaren Vermögensgegenständen (z. B. der Kundenstamm) besteht, könnte die Erbschaftsteuer existenzgefährdend für den mitarbeitenden Erben sein. Bei großen Firmenvermögen ist aber eine Verschonung des Betriebsvermögens nicht notwendig.
Alternativen für eine gerechtere Erbschaftsteuer werden auch in der (bürgerlichen) wissenschaftlichen Literatur diskutiert. Sie basieren auf einfachen pauschalen Bewertungsverfahren für alle Vermögensgegenstände, die zu möglichst realistischen Werten führen. Die zurzeit nach Verwandtschaftsgrad gestaffelten Freibeträge und Steuersätze würden abgeschafft. An ihrer Stelle träten großzügige Freibeträge und relativ niedrige Steuersätze, dafür würden alle Verschonungsregelungen entfallen. Mit einer solchen Steuerreform würden auch die für ihre Erhebung notwendigen Kosten nachhaltig gesenkt. Im Rahmen einer demokratischen Steuerreform hätte dies den zusätzlichen Vorteil, dass das Bewertungs- und Erhebungsverfahren auch für eine Millionärsteuer genutzt werden könnte