Arnold Schölzel erinnert an Rosa Luxemburgs Briefe und Schriften im Ersten Weltkrieg

… wie geschliffener Stahl

1984 brachte der Dietz-Verlag in der DDR „Gesammelte Briefe“ Rosa Luxemburgs heraus, darunter die von 1914 bis 1919, zumeist aus der Haft. In der Zeit des Ersten Weltkriegs war sie insgesamt drei Jahre und vier Monate im Gefängnis. Oft war sie es, die von dort aus Verzagte, Resignierte, Verzweifelte ermunterte, aufrichtete und anspornte.

Politik musste sie weitgehend weglassen, dennoch vermitteln die Gefängnisbriefe zusammen mit der „Junius“-Broschüre, die sie 1915 im Berliner Frauengefängnis schrieb, und den aus den Haftanstalten Wronke und Breslau geschmuggelten Artikeln für die „Spartakusbriefe“ ein Bild davon, was der Zusammenbruch der Sozialistischen Internationale für sie bedeutete: Kein Zufall, sondern Ergebnis der Vorkriegspolitik. Sie formte gemeinsam mit Karl Liebknecht die Gruppe der revolutionären Kriegsgegner, die entscheidende Voraussetzung für die Gründung der KPD.

Bereits im Oktober 1914 kündigte sie brieflich eine „Arbeit über den Krieg“ an. Es solle ein Buch „über das, was vorgeht“ werden, etwas, was „weder Mann noch Weib gelesen, auch nicht die ältesten Leute, ein Buch, das mit Keulenschlägen auf diese Herde einschlüge“. Ihre Haltung gegenüber der SPD-Führung war entsprechend unversöhnlich. Das Flugblatt, das sie im Mai 1916 unter dem Titel „Hundepolitik“ geschrieben hatte, zeigt sie als eine brillante Autorin. Die Reichstagsfraktion hatte stillschweigend die Verhaftung Karl Liebknechts bei einer Antikriegskundgebung in Berlin hingenommen. Rosa Luxemburg: „Ein Hund ist, wer den Stiefel der Herrschenden leckt, der ihn jahrzehntelang mit Tritten bedachte.“ Nicht weniger empörte sie sich über die Haltung der Zentristen in der Partei zum Krieg, ihr Weder-pro-noch-kontra. In einem Brief vom 28. Dezember 1916 an die spätere USPD-Politikerin Mathilde Wurm brach es aus ihr heraus. Deren Weihnachtsgruß habe sie „fuchsteufelswild“ gemacht: „Ihr seid mir ‚zu wenig draufgängerisch’, meinst Du melancholisch. ‚Zu wenig’ ist gut! Ihr seid überhaupt nicht ‚geherisch’, sondern ‚kriecherisch’.“ Es sei ein Glück, „dass die bisherige Weltgeschichte nicht von Euresgleichen gemacht war, sonst hätten wir keine Reformation und säßen wohl noch im Ancien régime. Was mich anbetrifft, so bin ich in der letzten Zeit, wenn ich schon nie weich war, hart geworden wie geschliffener Stahl und werde nunmehr weder politisch noch im persönlichen Umgang auch die geringste Konzession machen.“

Dabei war sie selbst nicht frei von gedrückter Stimmung. Wie ein „Lebenselixier“ wirkten auf sie jedoch die beiden russischen Revolutionen des Jahres 1917. Sie sei „felsenfest überzeugt“, schrieb sie im April, dass „eine neue Epoche jetzt beginnt und dass der Krieg nicht mehr lange dauern kann“. Nach der Oktoberrevolution quälten sie tiefe Zweifel, ob die Bolschewiki der Konterrevolution würden standhalten könne. Wenn nicht, schrieb sie am 24. November 1917, dann „weil die Sozialdemokratie in dem hochentwickelten Westen aus hundsjämmerlichen Feiglingen besteht und die Russen, ruhig zusehend, sich werden verbluten lassen“. Die „wirkliche Dialektik der Revolutionen“ stelle aber die „parlamentarische Maulwurfsweisheit auf den Kopf: Nicht durch Mehrheit zur revolutionären Taktik, sondern durch revolutionäre Taktik zur Mehrheit geht der Weg. Nur eine Partei, die zu führen, d. h. vorwärtszutreiben versteht, erwirbt sich im Sturm die Anhängerschaft.“ Das blieb ihr Leitfaden in der Novemberrevolution. Es ist symbolisch: Der letzte in den Bänden veröffentlichte Brief an Clara Zetkin vom 11. Januar 1919 handelt von der Gründung der KPD.

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"… wie geschliffener Stahl", UZ vom 8. Januar 2021



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