Stellungnahme der SDAJ zu den Bestrebungen der Bundesregierung, die Jugend zu militarisieren

Wie die Jugend kriegstüchtig gemacht werden soll

SDAJ

„Wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und Gesellschaft dafür aufstellen“, verkündet Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ganz im Geiste der Zeitenwende.

Was es bedeutet, wenn die ganze Gesellschaft für den Krieg aufgestellt werden soll, erleben wir in Ansätzen bereits jetzt. Immer öfter steht uns im Unterricht keine Lehrkraft mehr gegenüber, sondern Soldaten der Bundeswehr. „Politische Bildung“ heißt das dann offiziell, aber selbst bürgerliche Medien wie die „Süddeutsche Zeitung“ oder der „Spiegel“ benennen klar die wahren Intentionen hinter den Bundeswehrauftritten an Schulen und titeln beispielsweise: „Nachwuchsgewinnung an Schulen – Wie oft die Bundeswehr in Klassenzimmern wirbt“. Dieses Werben im Klassenzimmer wird zurecht seit Jahren vom UN-Fachausschuss für die Rechte des Kindes kritisiert und die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention inklusive des Verbots der Rekrutierung Minderjähriger von Deutschland eingefordert. Aber in der Strategie des deutschen Imperialismus haben Kinderrechte keinen Platz. Der deutsche Imperialismus strebt an, als europäischer Führungsstaat der NATO an der Seite der USA zur Weltmacht zu werden und als unmittelbaren nächsten Schritt den relativen Abstieg der westlichen imperialistischen Staaten gegenüber den BRICS (insbesondere China) zu verhindern.

Genau das ist es, wofür die Gesellschaft aufgestellt werden muss, wenn es nach der Bundesregierung geht. Dafür stehen Bundeswehrsoldaten in den Klassenzimmern, YouTube-Serien, auf Berufsmessen, Social Media, in Pizza-Kartons und personalisierten Postkarten, und ab nächstes Jahr soll der 15. Juli zum „Veteranentag“ werden und damit die Bundeswehr „in die Mitte der Gesellschaft“ gerückt und der Beruf des Soldaten normalisiert werden, kurz, überall dort, wo Jugendliche sind, ist auch die Bundeswehr mit ihrer Werbung. Aber all diese Maßnahmen haben nicht zu ausreichend Nachwuchs bei der Bundeswehr geführt, deshalb sollen wir jetzt gezwungen werden.

Die Vorschläge zur Wiedereinführung des Kriegsdienstes sind dabei eine neue Zuspitzung. Bereits der erste Vorstoß, bei dem jeder Volljährige einen Fragebogen ausfüllen muss, ist eine massive Werbemaßnahme für die Bundeswehr, und es ist damit zu rechnen, dass weitere Verpflichtungen auf uns als Jugendliche zukommen.

Wer ist hier Aggressor?

Aber mit Weltmachtambitionen, dem Willen, andere Länder zu unterjochen und dafür Kriege in aller Welt zu führen, lassen sich nur wenige Jugendliche für die Bundeswehr und die Kriegspolitik der Regierung begeistern. Deshalb werden uns alte Märchen in neuem Gewand aufgetischt. Mal wieder ist es die Bedrohung aus dem Osten (genauer die „unzivilisierten“ Russen), gegen die wir uns angeblich verteidigen müssen. Die Hochrüstung und Militarisierung damit zu rechtfertigen, ist selbst dann schwachsinnig, wenn man davon ausgeht, dass die russische Regierung wirklich vor hat, einen NATO-Staat zu überfallen.

„Um sich militärisch durchsetzen zu können, gilt die Faustregel, wonach der Angreifer eine dreifache Überlegenheit im Feld und in urbaner Umgebung das Fünf- bis Achtfache dessen aufbieten muss, was der Verteidiger hat. Betrachten wir das Kräfteverhältnis der Hauptwaffensysteme Russlands mit der NATO: Der ‚Spiegel‘ brachte im Februar eine Gegenüberstellung. Er berief sich auf aktuelle Daten des renommierten Jahrbuchs ‚The Military Balance‘, das vom NATO-nahen International Institute for Strategic Studies (IISS) herausgegeben wird (‚Der Spiegel‘, 17. Februar 2024). Demnach stehen 3,2 Millionen Soldaten der NATO-Staaten 1,1 Millionen Soldaten Russlands gegenüber. Die NATO verfügt über 6.030 Kampfflugzeuge, Russland hat 1.377. Die NATO zählt 8.901 Kampfpanzer, Russland 2.000. Bei der Artillerie ist das Verhältnis 21.879 zu 5.485 zugunsten der NATO, bei U-Booten 143 zu 50 und bei großen Kriegsschiffen 274 zu 33. Diese Zahlen demonstrieren komplett das Gegenteil dessen, was uns tagtäglich suggeriert wird. In Wirklichkeit muss sich Russland von der NATO bedroht fühlen. Und das ist nicht erst seit Beginn des Ukraine-Krieges so, sondern schon seit Jahrzehnten.“ (Lühr Henken: „Kriegstüchtig werden“, in „junge Welt“ vom 26. Juni 2024)

NATO-Osterweiterung, Bruch des Minsk-2-Abkommens, Kriegsmanöver an der russischen Grenze und zuletzt deutsche Waffen gegen Ziele in Russland: nur einige der Beispiele, in denen die NATO und Deutschland sich nicht verteidigt oder geschützt haben, sondern die Eskalation vorangetrieben haben. Und auch die Aufrüstung dient nicht der Verteidigung, sondern ist Teil der Eskalationsspirale. Sogar eine einseitige Abrüstung der NATO-Staaten wäre möglich, ohne die Sorge haben zu müssen, sich nicht mehr gegen mögliche Angriffe verteidigen zu können. Mit der aktuellen Hochrüstung und Militarisierung wird der Kurs fortgesetzt, die Gesellschaft militarisiert und ein großer Krieg vorbereitet, anstatt sich für Friedensverhandlungen und Abrüstung einzusetzen.

Rüstung rauf – Soziales runter?

Für diese Kriegsvorbereitungen braucht es aber nicht nur Menschen, sondern auch Geld, um neue Militärprojekte zu finanzieren, die ermöglichen sollen, Deutschland in eine europäische Führungsrolle zu bringen, sei es kurz- und mittelfristig in der NATO oder langfristig in einer autonomen EU. Wer sich fragt, woher dieses Geld wohl kommen wird, stellt die richtige Frage.

„Für dieses Jahr gab die NATO am 17. Juni die von der Bundesregierung angegebene Schätzung heraus: 90,6 Milliarden Euro. Das entspreche 2,12 Prozent des erwarteten BIP. Und es bedeutet ein Plus von 23 Milliarden Euro gegenüber dem vergangenen Jahr. Inflationsbereinigt ist das ein Anstieg um 29,4 Prozent und das 2,6-fache gegenüber 2014.

Die 90,6 Milliarden Euro setzen sich zusammen aus knapp 52 Milliarden Euro des ‚Einzelplans 14‘, also dem Verteidigungshaushalt, knapp 19 Milliarden Euro hat die Regierung als verteidigungsrelevant in anderen Ressorts gefunden, ohne darüber näher Auskunft zu geben. Das heißt, insgesamt 70,8 Milliarden Euro kommen aus dem Bundeshaushalt, 19,8 Milliarden werden dem sogenannten Sondervermögen entnommen. Scholz hat deutlich gemacht, dass die ‚mindestens zwei Prozent‘ auch ausgegeben werden sollen, wenn der Topf mit den 100 Milliarden Euro leer ist. Das wird spätestens Ende 2027 der Fall sein.

Im Bundestag sagte er: ‚Wir garantieren der Bundeswehr 2 Prozent NATO-Quote auch 2028, 2029 und 2030, in den ganzen 30er Jahren.‘ Das bedeutet, spätestens ab 2028 werden sämtliche Militärausgaben direkt aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden müssen. Das bestätigte Scholz im Bundestag: ‚Und ja, schon jetzt, schon heute, ist klar, dass wir allerspätestens ab 2028 zusätzliche 25 Milliarden, vielleicht auch fast 30 Milliarden Euro für die Bundeswehr aus dem Bundeshaushalt direkt finanzieren müssen.‘ Das hat zur Folge, dass bereits im Haushalt 2028 die erhöhten Bundeswehr-Ausgaben von etwa 95 Milliarden Euro stehen. Konkret wird sich zeigen, wie sich diese Mehrausgaben in Höhe von fast 25 Milliarden im Vergleich zu diesem Jahr in anderen Ressorts niederschlagen.

Pistorius weitete im Februar schon mal den Horizont für weitere Ausgabensteigerungen. Er sagte, ‚es könnte sein, dass wir 3 oder 3,5 Prozent erreichen. Das hängt davon ab, was in der Welt passiert‘ (Tagesschau.de, 18. Februar 2024). Was würde das finanziell bedeuten? Auf der Basis des BIP-Wertes von diesem Jahr würde das statt 71 horrende 125 bzw. 150 Milliarden Euro für die Bundeswehr pro Jahr ergeben. Also etwa 55 bzw. 80 Milliarden Euro mehr als zur Zeit. Wenn keine neuen Schulden dafür aufgenommen werden würden, müsste das zusätzliche Geld aus dem Haushalt kommen. Woher nehmen? Schauen wir uns den ‚Worst Case‘ an. Das wäre die Entnahme aus dem Etat des Arbeitsministeriums. Er umfasst 175 Milliarden Euro. Nach heutigen Maßstäben würde das bedeuten, dass bis zur Hälfte der Sozialausgaben gekürzt werden müssten. Die Folge: Halbierung des Bürgergeldes, Halbierung der Grundsicherung, Halbierung der Arbeitsförderung und auch der Rentenzuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Letzteres hieße Kürzung der Renten um bis zu 20 Prozent.“ (ebd.)

Wer nicht mitmacht, wird gezwungen

Um das durchsetzen zu können, wird bereits jetzt die rechtliche Grundlage geschaffen, um jeglichen Widerstand zerschlagen zu können. Seit Monaten werden pro-palästinensische Proteste von der Polizei angegriffen, der Palästina-Kongress in Berlin wurde gewaltsam geräumt, genauso wie einige der Protestcamps, die sich an den Unis gebildet hatten. In Berlin sollten Dozierenden, die sich gegen die Räumung ausgesprochen hatten, sogar die Forschungsgelder gekürzt werden, und in den Schulen wurden teilweise auf Initiative des Bildungsministeriums Lehrkräfte und Schüler, die sich pro-palästinensisch geäußert haben, suspendiert. In Bayern sollen Universitäten und Schulen jetzt zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr gezwungen und Zivilklauseln verboten werden. Mit neuen Gesetzesverstößen soll in Zukunft schon „ein einzelner Kommentar, der eine terroristische Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt, zu einer Ausweisung führen können. Eine gerichtliche Verurteilung soll dafür nicht nötig sein.“ In eine ähnliche Richtung gehen auch die Verschärfungen des Volksverhetzungsparagraphen 130, unter dem ein Absatz ergänzt werden soll, der das „Verunglimpfen verbündeter Staaten“ unter Strafe stellt.

All diese Entwicklungen zielen darauf ab, mögliche Proteste im Keim ersticken zu können, sollten diese eine Gefahr für die Durchsetzung der Interessen der großen Banken und Konzerne darstellen. Die Gesetzesvorstöße sind damit nicht nur ein Problem für Linke, sondern für alle demokratischen Kräfte in Deutschland, die kein Interesse an weiterer Eskalation und Krieg haben. Teilweise beschneiden die Gesetzesvorschläge sogar das Grundgesetz, wie zum Beispiel das Bundeswehrgesetz in Bayern, das die in Artikel 5 Grundgesetz festgeschriebene Wissenschaftsfreiheit angreift.
Gegen diesen Abbau demokratischer Rechte, die Kriegspolitik der Bundesregierung, Hochrüstung und Waffenlieferungen gilt es zu kämpfen.

Deshalb sagen wir: Eure Kriege – ohne uns!

  • Nein zur Aufrüstung und zum NATO-Zwei-Prozent-Ziel! Geld für Bildung, Gesundheit, Klimaschutz und Soziales statt Krieg!
  • Stopp aller Rüstungsexporte! Stopp aller Auslandseinsätze der Bundeswehr! Enteignung der Rüstungsindustrie – Umwandlung in zivile Produktion!
  • Deutschland raus aus NATO und EU! NATO raus aus Deutschland! Nein zur EU-Armee!
  • Bundeswehr raus aus Schulen, Hochschulen, Arbeitsagenturen und Öffentlichkeit! Auflösung aller bisherigen Kooperationsvereinbarungen zwischen Bundeswehr und Landesregierungen!
  • Uneingeschränktes Demonstrationsrecht!
  • Keine Kriminalisierung von fortschrittlichem Widerstand!
  • Stoppt den Demokratieabbau – Rücknahme der Verschärfungen der Polizei-, Versammlungs- und Geheimdienstgesetze!

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