Warum gehört das größte deutsche Unternehmen, der Volkswagen-Konzern, den Familien Porsche und Piëch? Der Clan kontrolliert die Volkswagen AG, er hält über die Porsche Automobil Holding über 52 Prozent der Stimmrechte am größten Autobauer der Welt. Er bestellt und entlässt nach seinen Wünschen die Vorstände und die der Tochterunternehmen, wie zuletzt bei Audi. Das alles ist bekannt und müsste nicht erwähnt werden, wenn über diese eindeutigen Eigentumsverhältnisse nicht so sonderbar hinweggehuscht würde. Gerade Linke „vergessen“ gern, dass den Porsche/Piëchs das Unternehmen Volkswagen praktisch gehört und dass der Familienclan die Macht bei Volkswagen erst in diesem Jahrhundert im Stil einer „Heuschrecke“ erobert hat. So findet sich in einem ansonsten durchaus lesenswerten Artikel der Autoren U. Fritsch, J. Köther, und M. Seeger „Mitbestimmung und Globalisierung – das Beispiel Volkswagen“ (in Marxistische Blätter 6/2017) im Zusammenhang mit dem Anteil des Landes Niedersachsen von 20 Prozent an Volkswagen (auf S. 69) der bemerkenswerte Satz: „Nicht zuletzt an dieser Konstellation scheiterte die beabsichtigte Übernahme Volkswagens durch die Porsche AG im Jahre 2009/10.“ Um zu zeigen, dass dieser Satz leider falsch ist, sollte man einen Blick auf das historische Verhältnis der heutigen Eigentümerfamilien zum Volkswagenkonzern werfen.
Der erste Schritt der Macht- und Eigentumsergreifung war ein Werk der Nazis. Das Volkswagenwerk wurde in ihrem Auftrag nach der Zerschlagung des ADGB mit der enteigneten Gewerkschaftskasse gebaut. Dazu durften die Arbeiter, nun Zwangsmitglieder der Naziorganisation „Kraft durch Freude“, gespartes Geld für den KdF-Wagen liefern, den Ferdinand Porsche entworfen hatte. Gebaut wurden im Werk aber Kübelwagen und anderes Kriegsgerät. Anton Piëch, Nazi der ersten Stunde, hatte 1928 Porsches Tochter geheiratet und leitete von 1941 bis 1945 das Stammwerk mit angegliedertem KZ. Am 10. April 1945 flieht der Betriebsführer und Volkssturmkommandeur mit der Kasse nach Zell am See aufs „Schüttgut“ der Porsches, wo sich auch heute noch die Erben treffen, um die Marschroute abzusprechen.
1950 wurde VW an den Staat Bundesrepublik und nicht etwa an den DGB „rück“übereignet. 1961 wurden auf Betreiben Ludwig Erhards 60 Prozent der VW-Anteile an „kleine Leute“ verkauft; Niedersachsen übernahm 20 Prozent, die das Land heute noch hat. Die Porsche/Piëchs sicherten sich über die Porsche Automobil AG in Salzburg den Vertrieb für Österreich. Das wirkliche Geld aber brachten ihnen die Lizenzeinnahmen für den gut laufenden Käfer. Wann haben sonst schon die Ingenieure Zugriff auf Lizenzeinnahmen des von ihnen konstruierten Autos? Die Porsches hatten ihn und zusammen mit ihrem Unternehmen, dem Sportwagenhersteller Porsche in Stuttgart, den zweiten Schritt getan zur Mehrheit.
Der dritte Schritt zum Eigentum war jene Finanzschlacht, die 2005 begann, als der Vorstandsvorsitzende von Porsche, ein gewisser Wendelin Wiedeking, sich mit Billigung der beiden Familien anschickte, den 15-fach so großen Konzern Volkswagen zu übernehmen. Die Finanztechnik war einfach und von Heuschrecken erprobt: Erst VW-Aktien oder vor allem Optionsscheine auf VW-Aktien kaufen. Wenn dann die Kurse steigen, die Dinger teuer verkaufen und bei der nächsten Delle wieder zurückkaufen. Ganz ohne Einsatz geht das nicht. Das dazu benötigte Geld stellten die Banken mit der Sicherheit der Produktionsfirma Porsche, deren Stammaktien sämtlich dem Familienclan gehörten, gern zur Verfügung. Auf dem Höhepunkt der von Wiedeking angetriebenen Spekulationswelle im Oktober 2008 war Volkswagen an der Börse 294 Mrd. Euro wert. Porsche allerdings hatte schnell fällige Schulden von 9 Mrd. Euro. Die Banken wollten auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ihr Geld zurück, jedenfalls kein neues nachschießen, das Wiedeking/Porsche in die Lage versetzt hätte, 75 Prozent an Volkswagen und damit Zugriff auf die gefüllte Kasse des Konzerns zu erreichen. So kam es zum Kompromiss. Aus der gefüllten Kasse kaufte Volkswagen Porsche, das damit vor der Pleite gerettet wurde. Der Spekulantenclan Porsche/Piëch zahlte mit diesem Geld die Schulden an die Banken zurück und konnte sich so zwar nicht 75 Prozent, wohl aber die Aktienmehrheit an Volkswagen sichern.