Wer am Donnerstag letzter Woche zum Frühstück den Deutschlandfunk gehört hat, hatte endlich mal wieder was zu Lachen. Der Polizei ist, wie es so schön heißt, „ein schwerer Schlag“ gegen die ’Ndrangheta gelungen, es gab Razzien, Leute wurden verhaftet. So weit, so unspektakulär.
Zum morgendlichen DLF-Interview dann Tobias Armbrüster, sonst immer bekannt für sein strenges „Wir müssen hier auf die Fakten achten“ wenn jemand es wagt, auch nur ein Millimeterchen vom NATO-Narrativ abzuweichen, interviewt den NRW- Innenminister Herbert Reul (CDU): „Herr Reul, warum ist Deutschland so etwas geworden wie das bequeme Wohnzimmer der Mafia in Europa?“ fragt Armbrüster zum Einstieg. Und Reul geht gleich in die Vollen: „Weil es seit Jahrzehnten sich so entwickelt hat, weil Deutschland ein großer Wirtschaftsraum ist, wo Geld investieren sich lohnt, weil hier eine florierende Wirtschaft ist. Zweitens, weil hier, gerade was Rauschgift angeht, wunderbare Verkehrswege nach den Niederlanden und Belgien sind, und deswegen ist das ein interessanter Raum. Vielleicht auch eine Verdrängung durch die italienischen Maßnahmen, das kann man gar nicht ausschließen.“ Da deutet sich schon das erste Schmunzeln an, genau, die Geographie ist schuld und die Italiener mit ihrer Polizeiarbeit. Aber Reul findet noch lustigere Erklärungen, warum hierzulande viel von Clans, aber nie von der Mafia die Rede ist. An den Ermittlungsbehörden liegt es auf keinen Fall; „Die Sicherheitsbehörden haben die italienische Mafia seit ewigen Zeiten im Blick, mal mehr, mal weniger, und das hängt damit zusammen, wie intensiv man Polizeiarbeit unterstützt und ausbaut.“ Da kommen wir der Sache schon näher, aber das ist ja alles ganz schön schwierig, meint der gute Reul: „Die Clan-Kriminalität wird öffentlich zur Schau getragen. Also kann ich auch öffentlich dagegen vorgehen, muss ich sogar öffentlich vorgehen. Also muss ich Razzien machen in dieser Art, muss ich sie permanent in ihren Geschäften stören, während das bei der Mafia komplizierter und anders ist, denn man muss ganz mühsam ermitteln.“
Vielleicht hätte Reul sich mal kurz bei seinen Parteifreunden in Baden-Württemberg umhören können, wie das so läuft. Wie war das doch noch gleich mit Günther Öttinger, dem 2019 unauffällig als EU-Kommisar entsorgten früheren Landesvater von BaWü, und seiner engen Freundschaft zu einem italienischen Gastronomen inklusive Reisen in dessen kalabrische Heimat? Und der fehlenden Strafverfolgung für eben diesen Gastronomen, für gekaufte und alle mit dem gleichen Kuli in Fellbach ausgefüllten Wahlzetteln für die italienische Parlamentswahl (Nutznießer: Berlusconi) und dem kaltgestellten Ermittler gegen die ’Ndrangheta?
Wer vergessen hat, wie die Einzelheiten des ganzen Skandals liefen, der kann sich beim SWR den achtteiligen Podcast „Mafialand – Die unglaubliche Geschichte des schwäbischen Pizzawirts Mario L.“ anhören – inklusive eines empörten Öttinger, der findet, dass die beiden Podcast-Macherinnen „forsch“ seien, wenn sie es wagen, ihn nach seiner Beziehung zu Mario L. zu fragen. Zugegebenermaßen ist der Podcast ein bisschen anstrengend, es hätte ihm gut getan, wenn die beiden Moderatorinnen nicht ständig auf naiv machen, über Geldbeträge staunen und in nachgeäfftem italienischen Akzent Zitate aus dem „Paten“ bringen würden. Was die Verstrickung der CDU mit der ’Ndrangheta angeht, ist der Podcast aber überaus interessant. Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der Stuttgarter Stadtteil Weilimdorf ein Hort des Verbrechens ist?
Mafialand – Die unglaubliche Geschichte des schwäbischen Pizzawirts Mario L.
SWR-Podcast
8 Folgen à ca. 40 Minuten