Der 24. Parteitag der DKP

Widerstand organisieren: Für eine Welt frei von Ausbeutung und Krieg

Am 22. Mai fand der 24. Parteitag der DKP eintägig als Onlinekonferenz statt. Im Mittelpunkt der Antragsdebatte standen der Krieg in der Ukraine und die Einschätzung der Kommunistinnen und Kommunisten dazu. Wir dokumentieren Auszüge aus dem Referat von Patrik Köbele. Das vollständige Referat kann online abgerufen werden: kurzelinks.de/24-Parteitag

Dieser Krieg hat die politische Landschaft in diesem Land völlig verändert. Die Ampelregierung formuliert, unter Führung der SPD, den neuen deutschen Großmachtanspruch. Wieder ist es eine SPD-geführte Regierung, die diesem Land eine Zeitenwende zum Schlimmen beschert. Die Grünen betätigen sich zum zweiten Mal öffentlich als die größten Kriegstreiber, diesmal allerdings ohne nennenswerten Widerstand in der Partei. Da wird in der Frage der Energieversorgung selbst jeder ökologische Anspruch über Bord geschmissen. Die CDU unterstützt das Ganze und betätigt sich als ideologischer Einpeitscher, und die Linkspartei zerlegt sich an der Friedensfrage und an vom „Spiegel“ hineingetragenen „Enthüllungen“. Sie findet weder im Friedenskampf noch im sozialen Abwehrkampf ein Profil. Damit kann die AfD Opposition simulieren und zerstreitet sich daran ebenfalls.

In den letzten Wochen wurde von Seiten der NATO alles getan, um diesen Krieg zu eskalieren. Lief die Hochrüstung der Ukraine durch die NATO in den vergangenen Jahren relativ verdeckt ab, war also vor dem russischen Angriff die Ukraine eine Art verdeckter Stellvertreter der NATO, so ist die NATO heute zu einer völlig offenen Mitführung dieses Krieges übergegangen. Als sich der russische und der ukrainische Außen­minister in Antalya trafen, hatte es noch so ausgesehen, als ob eine Verständigung möglich sei. Damals wurde signalisiert, dass die Ukraine bereit wäre, den Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft und die Neutralität zu erklären. Heute sprechen NATO und Ukraine vom Siegfrieden, nutzt die NATO die Situation, um mit der Mitgliedschaft von Schweden und Finnland eine sechste Runde der Osterweiterung zu fahren, hat die Ukraine die Verhandlungen mit Russland abgebrochen. Dabei gibt es verteilte Rollen, bei denen schwer zu sagen ist, ob es sich um abgestimmte Taktik oder tatsächliche Unterschiede handelt. Als Einpeitscher, in enger Abstimmung mit den USA, betätigt sich immer wieder Britannien. Das Ziel der früheren Einkreisungspolitik der NATO gegenüber Russland liegt aus meiner Sicht heute deutlicher auf dem Tisch. Und die NATO sieht im Krieg offensichtlich die Chance, es schneller zu erreichen. Das Ziel war und ist es wohl, Russland zu einem Vasallenstaat, zu einer Halbkolonie zu machen und damit den Weg Richtung China freizumachen und die Volksrepublik gleichzeitig zu isolieren. Aus meiner Sicht verbirgt sich das hinter Aussagen, dass es darum gehe, „Russland zu ruinieren“ oder dass Russland besiegt werden müsse. Aus meiner Sicht verbirgt sich das hinter einem völligen Zerschlagen jeglicher Diplomatie und sportlicher sowie kultureller Kontakte, aus meiner Sicht verbirgt sich das hinter der massiven Sanktionspolitik.

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Die Antragskommission berät sich während eines Redebeitrags der stellvertretenden Parteivorsitzenden Wera Richter. (Foto: UZ)

Das deutsche Monopolkapital

Nun muss man sich in diesem Zusammenhang natürlich fragen, ob der deutsche Imperialismus seine eigenen – auch die in Konkurrenz zum US-Imperialismus stehenden – Interessen plötzlich vergessen hat. Dies wäre als Antwort zu einfach. Wir müssen beachten, dass es auch im Monopolkapital unterschiedliche Fraktionen mit unterschiedlichen Interessen gibt. Für die chemische Industrie, die meisten Energieversorger und energieintensive Industrien wie die Automobilindustrie ist ein Gas-Embargo ein Problem. Die Rüstungsindustrie frohlockt über jede, auch jede ökonomische Zuspitzung. Und es gibt übergeordnete Interessen. Sicherlich ist den Regierenden und dem Monopolkapital klar, dass der Ersatz von Erdöl und Erdgas aus Russland durch Fracking-Gas aus den USA in die direkte Abhängigkeit mit einem Konkurrenten führt. Möglicherweise ist aber die Stoßrichtung über Russland gegen die VR China das dominierende gemeinsame Interesse der Imperialisten, das dann vom Staat als ideellem Gesamtkapitalisten auch gegen Widerstand von Kapitalfraktionen durchgesetzt werden muss. Oder man hat die Hoffnung, dass, wenn es gelingt, Russland zu einem Vasallenstaat zu machen, die Chancen auf imperialistische Extraprofite für eine EU unter deutscher Führung besser sind als für den konkurrierenden US-Imperialismus. Wir müssen das weiter analysieren und diskutieren. Wir müssen vor allem auch untersuchen, ob die jetzt offen geäußerten Großmachtambitionen Deutschlands darin begründet sind, dass es möglicherweise im Monopolkapital eine Verschiebung der Hegemonie zu einer aggressiveren Kapitalfraktion gegeben hat. Wenn ja, wie setzt sich diese zusammen?

Die Zeitenwende …

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar verkündete Zeitenwende besteht aus einem unverhüllten Großmachtanspruch, dem größten Hochrüstungspaket in der Geschichte der Bundesrepublik, dem Tabubruch, Waffen – nun auch schwere – in Krisengebiete zu liefern, der Ankündigung, dass die Werktätigen das zu bezahlen haben und einer ideologischen Komponente, die Merz von der CDU verkünden durfte. Sinngemäß führte er aus, dass nun klar sein müsse, dass – wer sich gegen NATO und Hochrüstung wende – „Putin-Freund“ beziehungsweise Teil russischer Netzwerke sei. Was das bedeutet, erlebten wir am 8. und 9. Mai, also am Tag der Befreiung und am Tag des Sieges in Berlin. Kurzfristig hatte die Polizei mit einer Ordnungsverfügung an den Gedenkstätten der Befreiung nicht nur die ukrainischen und russischen Fahnen, sondern auch die Fahnen der Sowjetunion und der Roten Armee sowie weitere Symbole verboten. Der Umgang war dann erwartbar – die ukrainische Fahne wurde eigentlich erst ab einer Größe von mehr als zehn Metern verfolgt.

… sollen die Werktätigen zahlen

Die von Deutschland geführte EU will laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bis zu 300 Milliarden Euro mobilisieren, um die Energiewirtschaft von russischen Rohstoffen unabhängig zu machen. 100 Milliarden Sondervermögen für Aufrüstung, Erhöhung des Rüstungshaushalts um Dutzende Milliarden sofort, Waffen für die Ukraine – all das sollen die Werktätigen zahlen, all das zahlen sie bereits mit einer galoppierenden Inflation, mit explodierenden Kosten für Energie, Lebensmittel und Mieten.

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Mit zwei Kameras im Raum bekommt das Wort „Parteitagsregie“ eine ganz neue Bedeutung. (Foto: UZ)

Die Arbeiterklasse und alle nichtmonopolistischen Teile – also auch Mittelschichten, Intelligenz, große Teile der Bauern – bezahlen die Zeitenwende hin zum deutschen Großmachtanspruch. Zum Teil auch durch direkten Verlust des Arbeitsplatzes, wie die Kolleginnen und Kollegen bei Vallourec. Standen die Röhren aus diesem ehemaligen Mannesmann-Werk früher für Entspannung mit der Sowjetunion und der DDR, so steht die angedrohte Schließung heute in direktem Zusammenhang mit Sanktionen und dem erreichten Ziel der USA, dem Stopp von Nord Stream 2.

„Hungern oder Frieren“ ist für viele Realität. „Frieren gegen Putin“ soll das ideologisch absichern. Der Druck in Richtung Privatisierung im Gesundheitswesen, beim Wohnen, bei der Energieversorgung, im Verkehr wird zunehmen. Das geht nur, wenn es gelingt, die Arbeiterklasse und die nichtmonopolistischen Schichten eng einzubinden. Bisher gelingt das mit einer Kombination aus medialer Gleichschaltung, aus Propaganda, Russenhass, Zensur und Repression. Vor allem die sozialen Folgen, die heute schon dramatisch sind und deren Zuspitzung noch gar nicht absehbar ist, werden diesen Konsens aber immer wieder gefährden.

Deswegen ist es für die herrschende Klasse und ihre Politik entscheidend, möglichst auch die Organisationen der Arbeiterbewegung, vor allem die Gewerkschaften, in ihren Kurs einzubinden. Leider gelingt dies bislang recht gut. Das zeigt auch der vor wenigen Tagen zu Ende gegangene Bundeskongress des DGB, bei dem positive Dinge die Ausnahme blieben.

Die neu gewählte DGB-Vorsitzende Fahimi sprach sich für Waffenlieferungen an die Ukraine aus und äußerte sich froh über die NATO-Mitgliedschaft der BRD. Das sind Schattenseiten, wie auch die geschichtslose Analyse der Ursachen des Ukrainekrieges, die nicht über eine einseitige Schuldzuweisung an Russland und Putin hinauskommt. Es gibt leise Kritik an den 100 Milliarden und der DGB bleibt bei der Ablehnung des Zwei-Prozent-Ziels beim Militärhaushalt. Immerhin ist es auf dem Kongress gelungen, eine Absage an die nukleare Teilhabe und Atomwaffen auf deutschem Boden zu erringen.
Hier liegt viel Arbeit vor der Friedensbewegung, vor Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, wenn Fahimi darauf orientiert: „In den nächsten Monaten eine Debatte im DGB zu führen – mit euch, mit unseren Mitgliedern und den Beschäftigten, mit Experten der Friedensbewegung und internationalen Politik. Eine Debatte zu den schwierigen Abwägungsprozessen, vor denen wir alle in Deutschland stehen.“ Wenig Mut macht ihre Äußerung: „Wir haben Respekt vor den Entscheidungen, die die Politik und die Bundesregierung in diesen Tagen zu treffen haben.“

Wir Kommunistinnen und Kommunisten sagen: Wir bekämpfen den deutschen Großmachtanspruch, wir kämpfen gegen Aufrüstung im Grundgesetz, gegen die zwei Prozent, gegen Waffenlieferungen – was wir brauchen, ist Klassenkampf, was wir brauchen, ist Friedenskampf.

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"Widerstand organisieren: Für eine Welt frei von Ausbeutung und Krieg", UZ vom 3. Juni 2022



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