Abschlusserklärung des 30. Bundesweiten Friedensratschlags am 9. und 10. Dezember 2023 in Kassel

Widerstand gegen Kriegstüchtigkeit

Bundesausschuss Friedensratschlag

Die Abschlusserklärung des 30. Bundesweiten Friedensratschlags fasst den Diskussionsstand des Wochenendes in Kassel zusammen und benennt die dringendsten Aufgaben der Friedensbewegung:

Der 30. bundesweite Friedensratschlag in Kassel fand in einer Zeit statt, in der sich die Weltlage immer bedrohlicher zuspitzt. Der Krieg in der Ukraine tritt in der Berichterstattung hinter der über den Krieg in Gaza zurück, tobt dennoch weiter. Der Krieg in Nahost hat bereits jetzt über 17.000 Tote gefordert, davon sind fast die Hälfte Kinder. Und das sind nur zwei von vielen Kriegen, die die Welt erschüttern.

Die wieder hohe Teilnehmerzahl beim Ratschlag war Ausdruck dafür, der Resignation nicht das Feld zu überlassen und durch eine inhaltliche, sachkundige und diskursive Auseinandersetzung über die Weltlage die Basis für Änderungen zum Besseren zu entwickeln.

Nach der erfolgreichen bundesweiten Friedensdemo in Berlin zwei Wochen zuvor, bei der die gesamte Breite der Friedensbewegung vertreten war, verständigten sich die Anwesenden in Kassel, ihre Arbeit in allen Regionen des Landes zu intensivieren und neue Impulse zu setzen, um die Friedensbewegung zu stärken.

Auf dem Friedensratschlag war man sich einig, dass die alte unipolare, von den USA dominierte Weltordnung dem Ende entgegen geht und eine neue Weltordnung im Entstehen ist. Die USA und ihre Verbündeten versuchen, diese Entwicklung mit allen Mitteln aufzuhalten. Dabei nehmen sie in Kauf, einen Weltbrand zu entfachen, indem sie bestehende Konflikte massiv befeuern, neue Kriege vorbereiten und eine nie gekannte Hochrüstung betreiben. Atomare Drohungen gehören dabei mittlerweile auch wieder ins Repertoire der westlichen Politik und die heimlich vorbereitete Stationierung von US-Hyperschallwaffen in Deutschland, die sich tatsächlich zu einem Enthauptungsschlag gegen Russland eignen, steht für 2025 in Aussicht. Eine unermessliche Eskalation infolge des Wegfalls der Vorwarnzeit droht in Europa wie einst durch Pershing II, wenn die Stationierung dieser Waffen nicht verhindert wird.

Die Politik der Bundesregierung ist gekennzeichnet durch eine umfassende Militarisierung, statt die globalen Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen. Sie bedient dabei die Profitinteressen der Rüstungsindustrie und stützt die Vormachtstellung der USA. Das zeigt sich gerade beim Ukraine- und Gaza-Krieg. Dort setzt sie sich am erbarmungslosesten für eine Fortsetzung der Kriege ein und lehnt ungeachtet der horrenden Zahl von Opfern Waffenstillstände und Verhandlungen ab. Damit hat sie sich international zunehmend isoliert.

Die Friedensbewegung verlangt unabhängig von Vorgeschichte und Hintergrund der zahlreichen weltweiten Kriege und bewaffneten Konflikte einen Stopp aller Waffenlieferungen und setzt sich für die Einstellung aller Kriegshandlungen zugunsten diplomatischer Lösungen ein.

Weil sich die Friedensbewegung weiterhin widerständig gibt, ist sie mehr denn je heftigen Diffamierungen ausgesetzt. War es im letzten Jahr noch der Vorwurf als „Putinversteher“, so wird jetzt der bereits in den letzten Jahren immer häufiger erhobene Vorwurf des Antisemitismus gegen die Kritiker der israelischen Besatzungs-, Siedlungs- und Kriegspolitik hervorgeholt. Die Aushöhlung demokratischer Grundrechte bis hin zu Demonstrations- und Raumverboten gegen die Friedensbewegung nimmt angesichts der mangelnden Unterstützung für den Hochrüstungs- und Kriegskurs der Regierung deutlich zu.

Neben der aktuellen direkten Kriegsgefahr führt der haushaltspolitische Kahlschlag zu einem sozialen Krieg. Zwei Jahre nach der am 27. Februar 2022 von Olaf Scholz verkündeten „Zeitenwende“ mit dem „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr werden die sozialen Folgen spürbar. Die dramatischen Haushaltslöcher gäbe es ohne das gigantische Aufrüstungsprogramm und die kontraproduktiven Folgen des Wirtschaftskrieges nicht. Statt Rüstungskonzerne reich zu machen, hätte die Verbesserung der maroden zivilen Infrastruktur in Angriff genommen werden können. Man hätte Geld gehabt, um Kinderarmut zu verhindern, den Wohnungsbau voranzutreiben, das Bildungs- und Gesundheitssystem zu erneuern und die Sozialausgaben insgesamt zu erhöhen. Statt das 2-Prozent-Ziel der NATO durchzusetzen, fordern wir, diese Mittel für das Pariser Klimaabkommen einzusetzen.

Die Friedensinitiativen werden ihre Aufgabe im kommenden Jahr verstärkt darin sehen, ihre Aufklärungsarbeit in die soziale und Umweltbewegung zu tragen, um gemeinsam gegen den Sozialabbau und die Militarisierung im Lande zu streiten. Das wird bei den friedenspolitischen Aktionen des nächsten Jahres wie bei den Ostermärschen im Vordergrund stehen.

Der Versuch, auch die EU zunehmend „kriegstüchtig“ auszurichten, erfordert ebenfalls unseren Protest. Durch die internationale Kooperation der Friedensbewegung muss eine Alternative zur aktuellen europäischen Politik entwickelt werden. Kooperation, Zusammenarbeit und Entmilitarisierung in Europa ist unsere Aufgabe. Wir haben die Vision eines grenzenlosen friedlichen Europas von Lissabon bis Wladiwostok nicht aufgegeben.

Das erste Halbjahr 2024 steht im Zeichen der Wahlen zum EU-Parlament. Das erfordert eine kritische Auseinandersetzung der Friedensbewegung mit der NATO-konformen Politik der EU-Kommission, die auch bei immer mehr EU-Ländern auf Widerspruch stößt und die bereits vorhandene Spaltung der EU in vielen anderen Fragen eskaliert. Wir werden deshalb eine enge internationale Zusammenarbeit suchen, um den Protest gegen EU und NATO nach Brüssel zu tragen.

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