Linkspartei: Erklärung des Bundeskoordinierungsrates der KPF

Wider die NATO – Das ist der mögliche und notwendige gemeinsame Nenner!

Nach der 1. Tagung des 8. Parteitages der Partei „Die Linke“ geht die Diskussion, um die Zukunft der Partei weiter. Kritisch äußerte sich Ralf Krämer, Bundessprecher der innerparteilichen Stömmung „Sozialistische Linke“ im UZ-Interview (UZ vom 8. Juli 2022). Auch die „Kommunistische Plattform“ (KPF) beriet sich, wie es weiter gehen kann nach dem Bekenntnis der Partei zur NATO und veröffentlichte folgende Erklärung, die wir an dieser Stelle dokumentieren.

Vom 24. bis 26. Juni 2022 fand in Erfurt die 1. Tagung des 8. Parteitages der LINKEN statt. Seit dessen Beendigung läuft die Debatte, wie er zu bewerten sei. Auch innerhalb der Kommunistischen Plattform findet diese Diskussion statt. Es geht dabei nicht um Selbstbeschäftigung. Wir sind uns dessen bewusst, dass der Weltfrieden gefährdet ist wie vermutlich nie zuvor nach dem 8. Mai 1945. Wir sind uns dessen ebenso bewusst, dass aus dem tobenden Wirtschaftskrieg und dem Rüstungswahn auch hierzulande soziale Verwerfungen ungekannten Ausmaßes resultieren werden und dass sich gerade hieraus eine objektiv wachsende Verantwortung unserer Partei ergibt. Nicht zuletzt in diesem Kontext ist eine Bewertung des Erfurter Parteitages vorzunehmen.

Ein Teil der Genossinnen und Genossen meint, dieser Parteitag sei vor allem ein Erfolg derer, die die friedenspolitischen Grundsätze der Partei immer weiter in Frage stellen wollen, um sie in letzter Konsequenz völlig abschaffen zu können. Dies sei gelungen, was sich explizit an der Annahme des Leitantrages L03 »Keine Aufrüstung, kein Krieg. Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität« gezeigt habe, in welchem, so schreibt auch DPA, eine klare Abgrenzung gegen Russland erfolge. Dieser Beschluss impliziere daher die Negation des den Ukraine-Krieg betreffenden geopolitischen und historischen Kontextes. Somit suggeriere er, Russland sei der Alleinschuldige an diesem Krieg, was einer dezidierten NATO-Verharmlosung gleichkäme. Zudem sei es gelungen, durch die Tagesordnung des Parteitages eine ausführliche Debatte über inhaltliche Kernfragen der innerparteilichen Auseinandersetzung zu verhindern; die allgemeine Generaldebatte habe gerade einmal zwei Stunden gedauert und es seien nur 21 Delegierte und Gäste zu Wort gekommen, bestenfalls also ein Drittel derer, die eine Wortmeldung abgegeben hatten. Durch die Redebeiträge einer – nach Einschätzung der alten Parteiführung – russischen und einer ukrainischen Linken, sei die Stimmung unter den Delegierten massiv tendenziös beeinflusst worden. Die Partei sei nicht mehr zu retten. Der neugewählte Parteivorstand stünde nicht für einen Neuanfang. Davon zeuge auch der dreiste Vorstoß der Stellvertretenden Parteivorsitzenden Katina Schubert, sich noch während des Parteitages – entgegen der gerade fixierten Beschlusslage – in den Medien für Waffenlieferungen an die Ukraine auszusprechen.

Auch auf der am 29. Juni 2022 stattgefundenen Berliner KPF-Aktivberatung, an der 59 Genossinnen und Genossen teilnahmen, von denen sich 17 an der Diskussion beteiligten, vertraten mehrere Diskussionsredner Positionen, die in diese Richtung gingen – meist von verständlicher Enttäuschung über diese den Parteitag weitgehend bestimmenden Tendenzen getragen.

Wenn allerdings ein nicht der KPF angehörender Beratungsteilnehmer, der zudem seit vielen Jahren auch nicht mehr Mitglied der Partei ist und erstmalig an einer Berliner KPF-Zusammenkunft teilnimmt, faktisch zur Spaltung der Partei aufruft, so ist das zumindest merkwürdig.

Auf der Berliner KPF-Aktivberatung überwog letztlich die Position derer, für die auch der Erfurter Parteitag noch Anknüpfungspunkte bietet, den Kampf in der LINKEN gegenwärtig nicht aufzugeben.

Aus dem Referat auf der KPF-Bundeskonferenz

Bevor diese andere, innerhalb der KPF existierende Tendenz der Parteitagseinschätzung skizziert wird, sollen entscheidende Formulierungen aus dem Referat daran erinnern, was die KPF auf ihrer den Parteitag vorbereitenden Bundeskonferenz am 2. April 2022 diskutiert und beschlossen hat.

»Manche Protagonisten der LINKEN riskieren die Existenz der Partei, um sie regierungsfähig zu machen – auf dem Weg der NATO-Verharmlosung. Deshalb sei noch einmal deutlich gesagt: Wie auch immer wer den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine sieht – wir als Kommunistinnen und Kommunisten werden uns niemals an der massenhaft betriebenen Manipulation beteiligen, diesen Krieg aus seinem historischen und geopolitischen Kontext zu lösen und somit Russland die Alleinschuld an der aktuellen Lage zu geben. Denn: Wer Russland die Alleinschuld zuweist, legitimiert die NATO und macht – unbewusst oder bewusst – alles vergessen, was dieses Aggressionsbündnis, vor allem die USA, an unerhörten Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg begangen hat. […] Die NATO-Verharmlosung beziehungsweise Pro-NATO-Positionierung stellt einen Frontalangriff auf unser Parteiprogramm dar, einen Frontalangriff auf unsere Partei. […]

Der kommende Parteitag kann die Partei vor eine Zerreißprobe stellen. Wir wollen das nicht. Andere […] wollen das schon. […] Der KPF-Bundessprecherrat wird in der Phase der unmittelbaren Parteitagsvorbereitungen danach streben, möglichst breite Bündnisse für die Fortexistenz der Partei zu schmieden, nicht zuletzt als Bündnis all derer, für die sich am Charakter der NATO nichts geändert hat. Das ist der mögliche und notwendige gemeinsame Nenner. […]

Wir [die KPF] sagen seit der Vorbereitung des Münsteraner Parteitags – also seit 22 Jahren: Wenn die friedenspolitischen Grundsätze der Partei entsorgt werden, ist das für uns das Ende der Fahnenstange. Und möglicherweise wird auf dem Juni-Parteitag ein entscheidender Schritt auf dem Weg der Entsorgung dieser Grundsätze getan. Das ist die eine Seite des Widerspruchs.

Die andere Seite: Wir sollen gehen. Die wollen es: Die Höhns, die Gallerts, die Lederers, die Hennig-Wellsows, die Hoffs, die Ramelows, die Breitenbachs, die Lays und genügend andere. Dieses Widerspruchsverhältnis bedeutet: Aus der gegenwärtigen Lage gibt es für uns keine nur richtige oder nur falsche Entscheidung. […] Vielleicht können wir bleiben. Vielleicht auch nicht. […] Wir müssen wissen: Wir befinden uns in einer sehr schwierigen Situation. Was wir auch tun werden; es wird Gründe genug geben, unser Verhalten zu hinterfragen. Umso gründlicher und mutiger müssen wir abwägen, was wir tun: NACH DEM PARTEITAG!«

Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen

Zunächst sei kurz skizziert, wie wir das auf der Bundeskonferenz Beschlossene umgesetzt haben.

  1. Wir haben uns öffentlich und unmissverständlich – sowohl vor als auch auf dem Parteitag – gegen die massenhaft betriebene Manipulation gestellt, diesen Krieg aus seinem historischen und geopolitischen Kontext zu lösen. Diese Position ist – trotz teilweise schwer zu ertragender Instrumentalisierung von Emotionen – etwa von einem Drittel der Delegierten mehr oder weniger geteilt worden.
  2. Wir haben in der Phase der unmittelbaren Parteitagsvorbereitungen und während des Parteitages maßgeblich dazu beigetragen, ein möglichst breites Bündnis all derer zu schmieden, für die sich am Charakter der NATO nichts geändert hat. Das war und bleibt der mögliche und notwendige gemeinsame Nenner. Das äußerte sich im konstruktiven, solidarisch verlaufenden Treffen von Delegierten, die diese Position einnehmen, unmittelbar vor der Parteitagseröffnung. Das zeigte sich in den von uns initiierten und auch von Sahra mitgezeichneten drei Änderungsanträgen zum Leitantrag 03. Das zeigte sich in dem geduldig-aufwändig erzielten Kompromiss, dass einvernehmlich von drei Ersetzungsanträgen, die anstelle des Leitantrages 03 behandelt werden sollten, zwei zurückgezogen wurden, sodass keine Konkurrenzsituation untereinander entstand, sondern der Leitantrag 03 und der präferierte Ersetzungsantrag alternativ abgestimmt wurden. Der Ersetzungsantrag erhielt 42 Prozent der Stimmen.
  3. Dass in Erfurt der Frontalangriff auf unser Parteiprogramm, der einem Frontalangriff auf unsere Partei gleichgekommen wäre, noch nicht stattfand, hatte auch damit zu tun, dass die KPF zu jenen gehörte, die diese Absicht seit Jahr und Tag auch unmittelbar vor dem Parteitag wieder und wieder entlarven. Wir sind uns dessen bewusst, dass unter der Überschrift »Programmatische Weiterentwicklung« in Vorbereitung der Bundestagswahlen 2025 durch die Regierungssozialisten alles getan werden wird, um die friedenspolitischen Grundsätze unserer Partei zu schleifen.

Die zweite Tendenz

Manche Genossinnen und Genossen schätzen diese Ergebnisse gering. Das sei unerheblich im Vergleich zu dem, was den NATO-Verharmlosern auf diesem Parteitag gelungen sei. Das wiederum sieht ein Teil der KPF-Mitglieder wesentlich differenzierter – die zweite innerhalb der Plattform existierende Tendenz. Auf welche Tatsachen berufen sie sich?

Zum einen darauf, dass der Frontalangriff auf das Parteiprogramm zunächst ausblieb. Das zeigte sich in verbalen Bekenntnissen von Protagonisten der Linken zum Parteiprogramm. Das zeigte sich in nicht wenigen Diskussionsbeiträgen. Das zeigte sich auch in den Vorverhandlungen zu den den friedenspolitischen Leitantrag 03 betreffenden Änderungsanträgen. Von den im Wesentlichen immer gleichen zwei Gruppierungen von Antragstellern, die den Leitantrag 03 noch weiter in Richtung NATO-Verharmlosung treiben wollten, wurden die meisten Änderungsanträge im Rahmen dieser Vorverhandlungen übernommen oder einvernehmlich teilübernommen. Durch den alten Parteivorstand wurden aber auch einige wenige Änderungsanträge im Vorfeld abgelehnt, die offen gegen das geltende Programm verstießen, so das Einräumen der Möglichkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und des Waffenexportes. Offenkundig war man der Auffassung, dass die offene Revision des Parteiprogramms der Partei noch nicht zuzumuten ist. Die Antragsteller erhielten diese Anträge aufrecht und bekamen dafür auf dem Parteitag keine Mehrheit.

Ein wichtiges Ergebnis des Parteitages war die Nichtwahl von Wulf Gallert als stellvertretender Parteivorsitzender. Die Bedeutung dieser Nichtwahl ist vergleichbar mit der Nichtwahl von Matthias Höhn auf der 1. Tagung des 7. Parteitag im Februar 2021. Es war und ist ein Signal, dass NATO-Verharmlosung oder gar -Freundlichkeit in der Linken weiterhin nicht mehrheitsfähig ist.

Nicht zu unterschätzen ist, dass der Parteitag erzwang – trotz sehr kritikwürdigen Agierens des Arbeitspräsidiums in diesem Punkt und einer manipulativen Gegenrede –, dass der Dringlichkeitsantrag D2 zur Unterstützung der bundesweiten Friedensdemonstration am 2. Juli 2022 überhaupt auf dem Parteitag behandelt und dann auch beschlossen wurde.

Auf dem Parteitag stand die Beschlussfassung zu Satzungsanträgen auf der Tagesordnung. Es kamen 14 Anträge des Parteivorstands zu Satzungsänderungen zur Behandlung, die im Wesentlichen bereits in der Satzungskommission Konsens gefunden hatten. Es ist bemerkenswert, welche Satzungsanträge keine satzungsändernde Mehrheit fanden. Das betrifft S02, der höhere Hürden für die Behandlung von Anträgen für kleine Orts- und Kreisverbände vorgesehen hatte, S05, der nur noch dem Präsidium des Bundesausschusses die Teilnahme am Parteitag mit beratender Stimme ermöglichen wollte, und S14, mit dem erstmals, sozusagen schon auf bloßen Verdacht hin, in der Partei Ordnungsmaßnahmen unterhalb des Parteiausschlusses eingeführt werden sollten.

Ein Lichtblick auf dem Parteitag war das koordinierte und solidarische Zusammenwirken von sich im linken Flügel der Partei verortenden Genossinnen und Genossen verschiedener Couleur. Nach der Nichtwahl von Sören Pellmann zogen allerdings fast alle von der SL präferierten Genossinnen und Genossen ihre Kandidaturen für den Stellvertretenden Parteivorsitz sowie den Parteivorstand zurück. Die der KPF angehörenden Delegierten waren auf Bitten der SL darauf eingestellt, die SL-Kandidaturen zu unterstützen. Wir wurden von der Rücknahme der Kandidaturen überrascht. Sonst hätten wir darum gebeten, dieses Vorgehen noch einmal zu überdenken. Wir werden auch nach dem Parteitag alles tun, damit Zusammenschlüsse sowie Genossinnen und Genossen, die zumindest punktuell seit langem zusammenarbeiten, ihr gemeinsames Wirken weiter vertiefen.

Die KPF wird zu diesem frühen Zeitpunkt keine Bewertung des neugewählten Vorstandes vornehmen. Das wird sicher auf der Bundeskonferenz im November oder Dezember 2022 schon möglich sein, und spätestens zu diesem Zeitpunkt werden wir uns sicher auch noch einmal darüber verständigen, welche weiteren Konsequenzen sich aus den Entwicklungen der LINKEN nach dem Erfurter Parteitag für die KPF ergeben.

Eine Festlegung hier und heute scheint uns verfrüht

Der Parteitag war alles andere als ein Erfolg der Anti-NATO-Kräfte in der LINKEN; aber er war auch nicht der von den NATO-Verharmlosern angestrebte Richtungswechsel. Es wäre eine positive Übertreibung, zu behaupten, die Situation sei offen. Aber der Parteitagsverlauf berechtigt auch nicht zu der Aussage, das Ende der Fahnenstange sei nun erreicht. Noch sind die friedenspolitischen Grundsätze unserer Partei nicht entsorgt. Noch kann und muss gekämpft werden – gerade in Anbetracht des den Weltfrieden zunehmend gefährdenden, äußerst aggressiven neuen strategischen NATO-Konzepts.

Und auf dem Parteitag wurde gekämpft, durch zahlreiche Genossinnen und Genossen; darunter auch wir. Vor Erfurt waren sich viele in der KPF einig: Gibt es auf dem Parteitag spürbaren Widerstand gegen die NATO-Verharmlosungspolitik, so lohnt es sich, in der LINKEN weiterzukämpfen. Gibt es einen Richtungswechsel ohne nennenswerte Gegenwehr, so lohnt es wohl kaum.

In den kommenden Monaten werden wir sehr genau hinschauen, wie der Parteivorstand politisch agiert, werden den uns selbst auferlegten Pflichten als Kommunistinnen und Kommunisten in der LINKEN weiterhin kulturvoll nachkommen und werden in Vorbereitung der kommenden KPF-Bundeskonferenz eine Analyse über den inneren Zustand der Partei erarbeiten, die uns die Möglichkeit gibt, die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Quelle: KPF

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