Buch zum Whistleblower-Preis erschienen. Macher fordern besseren Schutz für mutiges Engagement

Wider die Geheimniskrämerei

Bereits seit 1999 verleihen die beiden Vereine IALANA Deutschland (International Association of Lawyers against Nuclear Arms) und VDW (Vereinigung Deutscher Wissenschaftler) den Whistleblower-Preis, um jenen Menschen, die oftmals ihre Freiheit oder gar ihr Leben riskieren, öffentliche Anerkennung für ihr mutiges Handeln zuteil werden zu lassen. Nun erscheint im Berliner Wissenschaftsverlag das Buch „20 Jahre Whistleblower-Preis. Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?“, welches in Form von Interviews und Porträts die Lebenswege der Ausgezeichneten erzählen will. Darüber hinaus enthält es eine kritische Einordnung der Situation von Whistleblowerinnen und Whistleblowern in Deutschland. Die Herausgeberinnen und Herausgeber stellen die These auf, dass die Gesellschaft auf Whistleblowing angewiesen ist, um geheim gehaltene Missstände zu erkennen und deren Behebung einzufordern.

Geehrt wurden insgesamt 18 Whistleblower, darunter Alexander Nikitin (nukleare Verseuchung des Nordmeers), Margrit Herbst (BSE-Skandal), Daniel Ellsberg (Pentagon-Papiere zum Vietnam-Krieg), Brigitte Heinisch (Altenpflegemängel), Liv Bode (Borna-Virus), Rainer Moormann (Kugelhaufen-Reaktor), Chelsea Manning (US-Kriegsverbrechen), Gilles-Eric Seralini (Gesundheitsgefahr durch Glyphosat), Edward J. Snowden (Prism), Can Dündar (Erdogan unterstützt IS mit Waffen) und Martin Porwoll (Krebsmedikamente ohne Wirkstoff). Das Buch ist auch Dieter Deiseroth gewidmet, dem Initiator und Ideengeber des Preises.

IALANA und VDW verbinden die Nachzeichnung der letzten 20 Jahre mit aktuellen politischen Forderungen. In einer gemeinsamen Stellungnahme zeigen sie präzise auf, warum das Hinweisgeberschutzgesetz novelliert werden muss. Das beginne schon damit, dass das neue Gesetz eben kein Whistleblower-Schutzgesetz sei, sondern den Begriff vermeide und von Hinweisgebern spreche. Whistleblowing werde weiterhin mit Misstrauen begegnet. Das neue Gesetz regele den Umgang mit unternehmensinternen Hinweisen auf strafbare Fehlentwicklungen und suche die Unternehmenskultur zu verbessern.

Whistleblowerinnen und Whistleblower seien jedoch keine unternehmensinternen Kontrollorgane, sondern agierten unter dem Schutz der Meinungsfreiheit im demokratischen Diskussionsprozess, indem sie gravierende Fehlentwicklungen und Missstände in der Gesellschaft aufdeckten. Oft passiere dies im Zusammenwirken mit der investigativen Presse. Dafür schulde die Gesellschaft ihnen Unterstützung und Anerkennung. Offenlegungen dürften nicht behindert werden. Um einen gesetzlich garantierten Schutz vor juristischen oder beruflichen Repressalien zu garantieren, fordern die beiden Vereine anonyme Meldesysteme.

Der Schutzbereich von Meldungen zu erheblichen Missständen müsse auch auf den Bereich nicht strafbaren Verhaltens ausgedehnt werden. Die umstandslose Herausnahme fast aller als „Verschlusssache“ eingestuften Vorgänge aus dem Gesetz sei inakzeptabel, da in der BRD fast sämtliches Verwaltungshandeln unter Geheimnisschutz stehe. Als ebenso unvertretbar bezeichnen sie die pauschale „Immunisierung“ der skandalträchtigen deutschen Geheimdienste. Gefordert wird außerdem ein Kündigungsverbot oder zumindest ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Ausschluss eines Auflösungsantrags. Weiter müsse im Rahmen des Schadenersatzes eine vollständige Wiedergutmachung inklusive immaterieller Schäden und aller Kosten der Rechtsverfolgung erfolgen.

20 Jahre Whistleblower-Preis. Was wurde aus den Preisträger:innen und ihren Enthüllungen?
Herausgegeben von Gerhard Baisch, Hartmut Graßl, Bernd Hahnfeld und Angelika Hilbeck
Berliner Wissenschaftsverlag, 396 Seiten, 49 Euro

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"Wider die Geheimniskrämerei", UZ vom 25. August 2023



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