Wetterleuchten über Macron

Ali Ruckert über die Proteste in Frankreich

So viel steht fest: In ihrer grenzenlosen Überheblichkeit haben der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung die Bewegung der »Gilets jaunes« vollständig unterschätzt. Das dürfte damit zu tun haben, dass Macron bisherige „Reformen“, darunter die Abschaffung der Vermögenssteuer im Interesse der Reichen, die zusätzliche Belastung der Rentner, Verschlechterungen im Arbeitsrecht und ein Generalangriff auf die Rechte der Eisenbahner, rücksichtslos durchsetzte – trotz massiver Proteste der Gewerkschaften, zum Beispiel im Eisenbahnbereich.

Millionen waren 2017 auf Macron und seine „Bewegung“, die weder rechts noch links sein wollte und angab, alles anders machen zu wollen, hereingefallen und wollten nicht wahrhaben, dass sie einen Mann an die Spitze des Staates gewählt hatten, der in erster Linie die Interessen des Kapitals und insbesondere die des Finanzkapitals bedienen würde.

Als der Präsident und sein Premierminister Edouard Philippe dann eine massive Erhöhung der Ökosteuer auf Benzin und Diesel verkündeten, gingen ihnen die Augen auf. Über Nacht wurde vielen klar, dass wieder einmal die Lohnabhängigen und Rentner zur Kasse gebeten werden sollen. Die Enttäuschungen und Frustrationen der vergangenen Jahre brachen auf und es kam zu einer regelrechten Explosion. Wobei der Protest der „Gilets jaunes“(Gelbwesten) sich inzwischen nicht nur gegen die angekündigten Preiserhöhungen von Benzin und Diesel richtet, sondern generell gegen die Politik des Präsidenten und seiner Regierung. Zu den drei Dutzend Forderungen der Bewegung gehören unter anderem die Erhöhung des Mindestlohnes und der Renten und die Rücknahme der Abschaffung der Vermögenssteuer.

Das Ausmaß und die Hartnäckigkeit der Bewegung, die weder von einer Gewerkschaft noch von einer Partei gelenkt wird, aber auch die Bereitschaft von Teilen der „Gilets jaunes“, auf Gewalt zurückzugreifen, um auf die wachsenden Ungleichheiten und auf die staatliche Repression zu reagieren, haben einen Teil der herrschenden Klasse und in erster Linie die Regierung gänzlich aus dem Konzept gebracht.

Erst erklärte Macron, er werde unter allen Umständen an seinen „Reformen“ festhalten, dann ließ er seinen unter Druck geratenen Premierminister vor der Nationalversammlung verkünden, die Erhöhung der Benzin- und Dieselsteuer werde ausgesetzt, um schließlich seinen Premier bloßzustellen,  indem er die Erhöhungen schlicht und einfach annullierte.

Es zeigt sich, dass die Regierung gegenwärtig kein politisches Konzept dafür hat, wie sie mit der Bewegung der „Gilets jaunes“ umgehen soll, hinter deren Forderungen die große Mehrheit der Franzosen steht, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Das wurde wieder am Donnerstag vergangener Woche am brutalen Vorgehen von Polizeikräften bei einer Massenfestnahme von Schülern deutlich, denen Macron den Zugang zur Universität erschweren will. Der Polizeieinsatz löste in ganz Frankreich Betroffenheit und Empörung aus.

Unabhängig davon, wie die Bewegung sich in nächster Zeit entwickeln wird, ob sich ihr weitere Bevölkerungsschichten anschließen werden und ihre Forderungen radikaler werden, oder ob sie über kurz oder lang im Sand verlaufen wird, haben wir es hier mit einem Wetterleuchten zu tun, das den Herrschenden Angst bereitet.

Denn es ist ein Menetekel, ein Vorzeichen für Veränderungen, die sich immer dann Bahn brechen, wenn die Herrschenden nicht mehr so weiterregieren können wie bisher und die Lohnabhängigen nicht mehr so weiterleben wollen. Das ist der Stoff, aus dem Revolutionen gemacht sind.

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"Wetterleuchten über Macron", UZ vom 14. Dezember 2018



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