„Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien, die ihn leiten. Und deshalb kann man sicher sein, dass die israelische Armee auch bei dem, was sie macht, die Regeln beachten wird, die sich aus dem Völkerrecht ergeben. Da habe ich keinen Zweifel“, tönte Bundeskanzler Olaf Scholz vergangene Woche beim EU-Gipfel in Brüssel. Ihm und den anderen Gegnern einer humanitären Waffenruhe gelang es dann auch, sich mit einer Formulierung für die gemeinsame Erklärung durchzusetzen. Statt ein Ruhen der Waffen fordert man nun „humanitäre Pausen“ – im Plural, ein paar kleine, ausdrücklich, damit sich Israel nicht zu einer Waffenruhe gedrängt fühlt.
Die Vereinten Nationen sahen das anders. Mit 120 Ja- zu 14 Neinstimmen bei 45 Enthaltungen wurde dort eine Resolution verabschiedet, die unter anderem jegliche Gewalt gegen israelische und palästinensische Zivilisten verurteilt, die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Zivilisten fordert, die „illegal festgehalten“ werden, und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen verlangt. Zudem ruft der Beschluss zu einer „sofortigen dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe“ auf, die zu einer „Einstellung der Feindseligkeiten“ führen solle. Kanada scheiterte mit dem Versuch, eine Verurteilung der Hamas-Angriffe in der Resolution unterzubringen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock scheiterte mit ihren „humanitären Fenstern“, in denen der Bevölkerung Gazas Brosamen zugeworfen werden sollten, bereits zuvor im Sicherheitsrat.
In Gaza kann man derweil die „humanitären Prinzipien“ Israels überprüfen: Nach eigenen Angaben hat das israelische Militär mit ersten Einsätzen angefangen, die Bodenoffensive vorzubereiten, dazu wurde Gaza mit „bisher nie gesehener Feuerkraft“ bombardiert. Dies führte unter anderem zum Komplettzusammenbruch der Telefon- und Internetverbindungen, es dringen kaum noch Informationen aus Gaza nach draußen. In der vergangenen Woche wurde unter anderem die griechisch-orthodoxe Sankt-Porphyrius-Kirche bombardiert, dabei starben 20 Menschen. Insgesamt hat die israelische Armee bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ über 8.300 Menschen in Gaza getötet. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu nannte das einen Kampf gegen die „Feinde der Zivilisation“. Aufrufe nach einem Waffenstillstand bezeichnete er als Aufrufe, sich zu ergeben: „Das wird nicht passieren.“
Damit passt er in die Strategie der Friedensfeinde des Westens. Keine Waffenruhe, keine Verhandlungen, Abbruch von Diplomatie sind die Strategien, mit denen Biden, Baerbock und Co. den schwindenden Einfluss des „Wertewestens“ erhalten wollen. In New York haben sich 120 Länder gegen diese Strategie gestellt.