Spalten oder gemeinsam kämpfen

Wessen Nation?

Von Kurt Baumann

Die „deutsche Nationalstiftung“ hat den „deutschen Nationalpreis“ an die Holocaust-Überlebende Anita Lasker-Walfisch vergeben. Diese Stiftung ist 1993 unter anderem von Helmut Schmidt begründet worden. Er schrieb dazu: „Die Idee der deutschen Nation und die Bestimmung unserer nationalen Identität in einem geeinten Europa dürfen wir weder extremen politischen Kräften noch den Gegnern der europäischen Integration überlassen“. Dafür sucht man sich eine Tradition und vergibt Nationalpreise. Die hatte Hitler 1937 und 1938 für Buch und Film und für Kunst und Wissenschaft anstelle des Nobelpreises verliehen – nur an Deutsche, versteht sich.

Großdeutschland war ja nun 1993 wieder da, und der deutsche Imperialismus griff nach der Vorherrschaft in Europa. Da durfte man nicht offen extrem sein, das stört den Export, aber nach Hitler benannte Preise verleihen ging dann doch wieder.

Die Namen derjenigen, an die diese Preise verliehen werden, sprechen Bände: Wolf Biermann, die Erstunterzeichner des „Neuen Forums“, die Robert Havemann-Gesellschaft, Václav Havel, das Archiv der Leipziger Bürgerbewegung, Vertreter der Montagsdemonstranten und andere, die durch Konterrevolution dem deutschen Imperialismus die Bahn freigemacht hatten. Für sie ist dieser Nationalpreis nun wahrlich angemessen.

Heute sitzen im Kuratorium dieser Stiftung Michael Göring von der „Zeit“-Stiftung, Heinrich Deichmann aus dem gleichnamigen Schuh-Konzern, Ben Tellings als Aufsichtsratvorsitzender der Bank ING DiBa, die inzwischen zur Lobbyistin für Start-ups gewordene Ministerin a. D. Zypries und der Oberbürgermeister von Weimar.

Aber neben dieser Stiftung gibt es ja nun seit kurzem ein Heimatministerium unter Seehofer, eine nationale Industriestrategie, die Altmaier verkündete, und viele andere Kennzeichen des ideologischen Rechtsrucks, die vom Millionärsrat unterstützte AfD oder diese Stiftung patriotisch-europäisch gesinnter Handelskapitalisten. Das Kapital treibt den Rechtsruck voran.

Demgegenüber gibt es eine andere Nation, die die Farben Schwarz-Rot-Gold gegen den Kaiser 1848 auf die Barrikaden trug, die demokratische Reublik 1918 erkämpfte und, nachdem der „nationale“ Adenauer lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze halb haben wollte, 1949 einen eigenen Staat aufbaute. Nun haben wir diesen Staat verloren. In unserer unmittelbaren Tradition ist es die DKP, die Schwarz-Rot-Gold im Wappen führte, die gegen Kriegstreiberei und Militarismus stand, die die Gastarbeiter nach den Septemberstreiks und den „wilden“ Streiks von 1973 in die Klassenkämpfe einband, die das Eintreten für die breiten Bevölkerungsschichten patriotisch nannte und den Krieg zu verhindern eine nationale Aufgabe. Heute können wir dieses andere, demokratische Deutschland denen zeigen, die vor Hunger, Not und Krieg fliehen. Unsere Willkommenskultur heißt: Gemeinsam kämpfen!

Krupp und Krause stehen sich noch immer antagonistisch gegenüber. Zwischen ihnen ein „nationales“ Band zu knüpfen darf man getrost anderen überlassen. Scheitern werden sie ja doch.

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"Wessen Nation?", UZ vom 13. September 2019



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