Frauenrechte gelten der Bundesregierung nur im Iran etwas

Wertegeleitete Außenpolitik

Kolumne

Nein, was den Iran angeht, laufen die Dinge nicht wirklich rund für Berlin, und zwar schon seit Jahren. Kaum hatten deutsche Unternehmen nach dem Abschluss des Nuklearabkommens im Jahr 2015 begonnen, in dem Land mit seinem potenziell so lukrativen Markt Fuß zu fassen, da kehrte Washington unter Präsident Donald Trump zu seiner alten Sanktionspolitik zurück – mit dem erhofften Iran-Geschäft war es Essig. Dann kam in den USA ein neuer Präsident ans Ruder, wollte den Atomdeal mit einigen Zusatzschikanen wieder in Kraft setzen – und was geschieht? Teheran, das seine Kooperation mit China und Russland ausbaut, pfeift auf die westlichen Sanktionen, bandelt stattdessen neu mit Indien an, treibt seinen Beitritt zur Shanghai Cooperation Organisation (SCO) voran und hofft seiner Isolation nun auf diesem Wege zu entkommen. Dabei hatte Berlin zuletzt wirklich auf ein Ende der Sanktionen gehofft – und zwar, weil dann iranisches Öl in rauen Mengen auf den Weltmarkt geströmt wäre und geholfen hätte, russisches Öl zu verdrängen. Daraus aber wird wohl nichts.

Und nun? Nun sind im Iran nach dem Polizeimord an Mahsa Amini Proteste ausgebrochen, so heftig wie seit Jahren nicht mehr. Viele, gerade auch Frauen, haben die repressive Herrschaft der schiitisch-islamistischen Regierung in Teheran so satt wie etwa Salma al-Shehab die Herrschaft von deren sunnitisch-islamistischem Gegenstück, der Regierung Saudi-Arabiens. Während bei den aktuellen Protesten im Iran Frauen ihre Kopftücher verbrennen, hatte Al-Shehab lediglich getwittert, kritische Äußerungen online geteilt, nicht mehr. Mehr ist in Saudi-Arabien derzeit auch kaum vorstellbar, anders als im Iran, dessen Gesellschaft trotz der jahrzehntelangen islamistischen Herrschaft immer noch eine modernere, fortschrittlichere Prägung hat. Für ein paar Twitter-Posts ist Al-Shebab kürzlich zu kaum fassbaren 34 Jahren Haft verurteilt worden. Keine Frage: Auch dagegen wäre Protest höchst angebracht.

Was tut die Bundesregierung? Der Kanzler reist nach Saudi-Arabien, verhandelt dort über grünen Wasserstoff; die Außenministerin wiederum rechtfertigt Rüstungsexporte in das Land der jahrzehntelangen Haftstrafen für twitternde Frauen mit der Äußerung, „wertegeleitete Außenpolitik“ bestehe manchmal halt auch darin, „sich der dramatischen Weltlage zu stellen“. In Berlin ist Händchenhalten mit dem Herrn der Knochensägen in Riad angesagt, weil dieser – seinerseits immer enger mit China sowie Russland kooperierend – bei der Stange gehalten werden soll. Mit Teheran jedoch laufen die Dinge, wie erwähnt, nicht wirklich rund. Da steht nun eher eine nächste Runde Prügel an. Washington hat diese inzwischen gestartet, hat im September neue Sanktionen gegen den Iran verhängt. Also greift jetzt auch Berlin zum schweren Knüppel. Sie tue in der EU „alles dafür, dass wir Sanktionen“ gegen den Iran „auf den Weg bringen“, teilte die Außenministerin Ende September im Bundestag mit.

Und die Begründung? Na klar: die Frauenrechte, für die so viele im Iran gerade kämpfen. Sie bieten nicht nur eine Legitimation für neue Sanktionen; wer sie laut genug einfordert, darf vielleicht auch hoffen, zum Idol für die iranischen Demonstranten zu werden und – falls diese es schaffen sollten, die Regierung zu stürzen – zu einer tonangebenden Macht in Teheran.

Dass Berlin freilich Frauenrechte nur nutzt, sie also zum Instrument degradiert, das sieht man daran, dass es für Salma al-Shehab und die fast drei Dutzend Jahre Haft, die sie für das Posten kritischer Links auf Twitter absitzen muss, nur Schweigen im grünen Walde gibt. Bliebe zu hoffen, dass sich die, die im Iran für bessere Verhältnisse kämpfen, nicht von einer grünen Außenministerin blenden lassen, die letztlich nur eine nicht willfährige Regierung in Teheran loswerden will – und die, wenn die deutschen Interessen es erfordern, Frauen- und Menschenrechte, siehe Al-Shebab, hemmungslos fallenlässt.

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"Wertegeleitete Außenpolitik", UZ vom 7. Oktober 2022



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