Der Volkswagen-Konzern werde nicht von seinen Vorhaben abrücken, Werke in Deutschland zu schließen. Das erklärte Markenchef Schäfer, nachdem die dritte Verhandlungsrunde zum Haustarifvertrag des Autobauers in der vergangenen Woche ergebnislos endete. „Wir müssen unsere Kapazitäten verringern und an die neuen Realitäten anpassen“, so Schäfer in der „Welt am Sonntag“. Komponentenstandorte und die Fahrzeugwerke gehörten dazu.
Auf die Frage, ob VW auf eine Werkschließung verzichten könne, sagte der Manager: „Wir sehen das aktuell nicht.“ Auch die angedrohten Kündigungen wollte er nicht ausschließen. Der Stellenabbau „über die demografische Kurve und mit den bisherigen Instrumenten wie Altersteilzeit und Aufhebungsangeboten wird nicht reichen“, das würde zu lange dauern. Bei der Neuaufstellung der Marke denke er an einen Zeitraum von drei oder vier Jahren.
Bereits am 2. September hatte die VW-Konzernleitung den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung gekündigt und gedroht, Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen seien nicht länger ausgeschlossen. Ende Oktober folgte dann die Forderung nach einem zehnprozentigen Einkommensminus für die rund 120.000 VW-Beschäftigten sowie der Abbau von Zulagen und Boni. Denn die Arbeitskosten müssten runter, nur so ließen sich Jobs sichern, so VW-Verhandlungsführer Arne Meiswinkel schon vor Beginn der dritten Verhandlungsrunde am Donnerstag vergangener Woche in Wolfsburg.
Begleitet wurden die Verhandlungen, wie schon die Gespräche zuvor, von Protesten der Beschäftigten. Rund 7.000 Kolleginnen und Kollegen aus Niedersachsen, Hessen und Sachsen waren dem Aufruf der IG Metall gefolgt und versammelten sich vor der VW-Arena. Dort bekräftigte IG-Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer Thorsten Gröger, dass das am Vortag von Gewerkschaft und Betriebsrat als Kompromiss in der Krise vorgestellte „Zukunftskonzept“ an klare Bedingungen geknüpft sei: keine Werkschließungen und keine betriebsbedingten Kündigungen. Außerdem müssten auch Vorstand und Aktionäre ihren Beitrag leisten, indem sie auf Boni und Dividenden verzichten.
Im Kern sehen die von IG Metall und Betriebsrat vorgelegten Pläne eine Senkung der Lohnkosten um 1,5 Milliarden Euro vor. Die Einsparungen sollen durch eine befristete Aussetzung der kommenden Tariferhöhung zustande kommen. Voraussetzung wäre die Übernahme des jüngsten Pilotabschlusses für die Metall- und Elektroindustrie in der laufenden Tarifrunde beim VW-Haustarif. Dieser sieht eine Erhöhung um insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen vor – über eine Laufzeit von 25 Monaten. Das Geld soll dann in einen Zukunftsfonds fließen.
Aus dem Fonds sollen dann Arbeitszeitverkürzungen an nicht ausgelasteten Standorten finanziert werden, um dort Stellenabbau zu vermeiden. Anders als in der Krise 1993, als VW eine Viertagewoche einführte, gehe es aber nicht darum, die Arbeitszeit generell an allen Standorten abzusenken. Vorgeschlagen wurde vielmehr ein solidarischer Fonds, der flexibel eingesetzt werden könne. Wenn man dies umsetze, könne VW der Überkapazität in seinen Werken begegnen, indem betroffene Fabriken „kollektiv“ die Arbeitszeit senkten, ohne dass betriebsbedingte Kündigungen nötig seien. Auch so könnte Volkswagen erheblich Geld sparen, da Abfindungen und Kosten für Werkschließungen entfallen würden, so die Argumentation von IG Metall und Betriebsrat.
Die VW-Bosse halten stur an den Kahlschlagplänen fest und scheinen die lösungsorientierten Kompromissvorschläge als Schwäche und mangelnde Konfliktbereitschaft ihres Gegenübers zu interpretieren. Das könnte sich als Fehler erweisen: Die Tarifkommission hat sich nun einstimmig für Warnstreiks ab Anfang Dezember ausgesprochen. Für den Fall, dass bei der vierten – für den 9. Dezember angesetzten – Verhandlungsrunde immer noch kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wird, hat die IG Metall einen Arbeitskampf angekündigt, „den die Bundesrepublik so seit Jahrzehnten nicht erlebt hat“.