Die dominanten Akteure moderner kapitalistischer Gesellschaften sind die Monopolkonzerne. Sie bestimmen maßgeblich die konkreten Formen der Arbeitsteilung, sowohl in einer bestimmten Branche wie gesamtwirtschaftlich. Das ändert aber nichts an dem Vorhandensein eines äußerst komplexen Geflechts aus rechtlich wie tatsächlich relativ selbstständigen Unternehmen. Von Bedeutung ist dies nicht nur aus steuer- oder haftungsrechtlichen Gründen, sondern auch für Fragen der jüngst wieder aufgeflammten Debatte um die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in „Fremd“- bzw. „Drittfirmen“. Wesentliches Problem dabei ist die Spaltung von Belegschaften, damit verbunden das Erschweren gemeinsamen Kampfes und des Entwickelns von Klassenbewusstsein. Um eine richtige Positionierung in dieser Frage zu fördern, sollen im Folgenden rechtliche Grundlagen und wirtschaftliche Bedeutung verschiedener Personaleinsatzformen erörtert sowie Gegenstrategien dargestellt werden. Dieser Beitrag ist der erste einer dreiteiligen Serie in der UZ.
Für die Konstellation, dass Arbeiter mehr oder weniger eng miteinander zusammenarbeiten, aber unterschiedliche Chefs haben, gibt es nur ein umfassend geregeltes Rechtsinstitut: die Leiharbeit. Für sie gibt es eine Höchstüberlassungsdauer, Erlaubnispflicht und insbesondere ein Gleichstellungsgebot, von dem nur durch Tarifvertrag abgewichen werden darf. Nach nahezu völliger Deregulierung unter Schröder wurden die Anwendungsbedingungen in den letzten Jahren wieder geringfügig verschärft, als Instrument zur Belegschaftsspaltung kann sie aber zweifellos weiter genutzt werden. Keine Leiharbeit liegt vor, wenn ein fremdes Unternehmen nicht nur Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, sondern deren Einsatz auch selbst leitet. Dem liegen häufig Aufträge in Form von Dienst- oder Werkverträgen zugrunde. Die praktischen Anwendungsfälle reichen von Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten über Just-in-time-Produktion bis zur einmal jährlich stattfindenden IT-Wartung. Die Abgrenzung zur Leiharbeit dreht sich in der Regel um die Frage, ob ein Arbeitsprozess tatsächlich selbstständig organisierbar ist. Lassen sich einige Fälle in dieser Weise als tatsächliche Leiharbeit identifizieren, wird dies häufig durchaus möglich sein, ohne dass das Problem der Belegschaftsspaltung wesentlich geringer ist. Arbeitsrechtlich gibt es bei Werk- und Dienstvertragsarbeiten fast keine Regulierungen.
Eine weitere, an Beliebtheit gewinnende Rechtsform ist der Gemeinschaftsbetrieb. Wenn ein Unternehmen einem anderen nicht nur Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, sondern mit diesem zusammen den Einsatz sowohl von dessen als auch den eigenen Arbeitern leitet, liegt rechtlich weder Leiharbeit noch ein Werkvertrag vor. Die Beschäftigten arbeiten Seite an Seite, haben aber unterschiedliche „Arbeitgeber“, das heißt, es gilt weder der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch haften die Kapitalisten zum Beispiel für einen etwaigen Sozialplan gemeinsam. Zwar kann die Belegschaft einen gemeinsamen Betriebsrat wählen und es gilt ein unternehmensübergreifender Kündigungsschutz, aber das ist dem Kapital die Anwendung verschiedener Tarifverträge oder die Spaltung bei Weihnachts- und Urlaubsgeld im Zweifel wert.
Erleichtert wird die Etablierung von „Arbeitgeber“mehrheiten in zusammenhängenden Arbeitsprozessen dadurch, dass die Unternehmen über die Zugehörigkeit zu einem Konzern wirtschaftlich verbunden sein dürfen. Ist die tatsächliche Selbstständigkeit angesichts der umfassenden Verknüpfung von Produktionsprozessen ohnehin regelmäßig nur eine relative, ist hier auch die rechtliche Selbständigkeit nicht selten rein formell. Dennoch gilt in Konzernen grundsätzlich weder der Gleichbehandlungsgrundsatz, noch wird gemeinsam gehaftet oder der Kündigungsschutz erweitert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die arbeitsrechtliche Erfassung und Regulierung verschiedener Personaleinsatzformen abseits von Leiharbeit und Gemeinschaftsbetrieben äußerst dünn ist.
Teil II: Leiharbeit und Fremdvergabe (UZ vom 24. Dezember 2020)